
In der deutschen Verbändewelt tut sich einiges: Fast jeden Tag gibt es Meldungen zu Strukturverschlankungen auf den unterschiedlichsten Ebenen: Gremien werden optimiert und mit weniger Köpfen besetzt, bisher eigenständige Fachverbände werden in den Bundesverband als Fachgruppen überführt und über Jahre meist weit und tief gewachsene regionale Strukturen werden deutlich komprimiert.
Nicht wenige Organisationen gehen strategische Allianzen mit anderen Verbänden ein oder denken gar über Fusionen nach. Manche Verbände – meist aus disruptierten Branchen – schließen ganz. Doch es gibt auch spannende Neugründungen, im Selbstverständnis jetzt oft als Netzwerk konzipiert und vereinsrechtlich immer öfter einhergehend mit dem Begriff Beirat.
Wie sieht sie aus, die Zukunft der Verbändewelt? Für den Verbändereport ein guter Anlass, den DGVM-Mitgliedsverbänden im Rahmen der Jahresumfrage 2025 die folgende Frage zu stellen:
„Der Blick in die Glaskugel: Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Verbändelandschaft in Zukunft wandeln?“
„Verbände werden sich auch in Zukunft immer stärker mit der Frage nach echten Mehrwerten konfrontiert sehen. Nur wer mit starker Stimme für seine Mitglieder einsteht – gegebenenfalls auch mal aneckt –, wird seine Daseinsberechtigung halten.”
Anna Hackstein
Geschäftsführerin Industrieverband Garten (IVG)
Wandel zur Wende – Wende zum Wandel? In einer Sache sind sich die befragten Geschäftsführungen absolut einig: Die klassische Verbandsarbeit verändert sich rasant.
Während früher meist die gemeinsame Interessenvertretung im Mittelpunkt stand, müssen sich Verbände heute viel stärker als Dienstleister für ihre Mitglieder positionieren, um langfristig relevant zu bleiben. Der „Nutzen“ und Mehrwert der Mitgliedschaft wird intensiver hinterfragt. Das gilt für Unternehmens- wie für Personenverbände. Anna Hackstein vom Industrieverband Garten sagt dazu: „Verbände werden sich auch in Zukunft immer stärker mit der Frage nach echten Mehrwerten konfrontiert sehen. Nur wer mit starker Stimme für seine Mitglieder einsteht – gegebenenfalls auch mal aneckt –, wird seine Daseinsberechtigung halten.“
„Wer seine Angebote schnell auf den Punkt zielgruppengenau in ebenso stabilen wie abwechslungsreichen Formaten liefern kann, wird es nicht ganz so schwer haben. Aber das war ja schon immer so.”
Dr. Christoph Münzer
Hauptgeschäftsführer wvib Schwarzwald AG
Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die Organisationen – von der bürokratischen Belastung über veränderte Mitgliedsstrukturen bis hin zur Digitalisierung. „Alles wird schneller und mehrdimensionaler“, meint Julia von Westerholt vom Deutschen Volkshochschul-Verband e. V. Dies bedeutet einerseits große Herausforderungen, bietet aber auch die Möglichkeit, durch gezielte Anpassungen und Innovationen den eigenen Verband zukunftssicher aufzustellen.
„Wir werden langfristig größere Verbandsorganisationen mit ‚Fachgruppen‘ haben.“
Tobias Schuhmacher
Hauptgeschäftsführer Verband Deutscher Großbäckereien e. V.
„Wer seine Angebote schnell auf den Punkt und zielgruppengenau in ebenso stabilen wie abwechslungsreichen Formaten liefern kann, wird es nicht ganz so schwer haben“, schätzt Dr. Christoph Münzer von der wvib Schwarzwald AG. Sein Verband wurde jüngst für dessen neu gedachten Community-Ansatz als Verband des Jahres 2024 ausgezeichnet.
Konsolidierung: Weniger, aber stärkere Verbände – und dafür lauter?
Viele Befragte sehen bereits jetzt eine zunehmende Konsolidierung der Verbandslandschaft. Fusionen und engere Kooperationen werden notwendig, um in Zeiten knapper werdender personeller und finanzieller Ressourcen überlebensfähig zu bleiben.
„Verbände werden zu gleichen Positionen ihre Kräfte bündeln, um die Wahrnehmung für die Sache zu stärken und um Effizienz und Effektivität zu erhöhen. Des Weiteren werden sich einige Organisationen im Rahmen ihrer Modernisierung vom Verband zum Netzwerk transformieren.“
Jens Schließmann
Geschäftsführung Verband Deutsches Reisemanagement (VDR)
Tobias Schuhmacher vom Verband der Großbäcker bringt es auf den Punkt: „Wir werden langfristig größere Verbandsorganisationen mit Fachgruppen haben.“ Auch Lisa Broß von der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall sieht „weniger kleine Verbände und den Zusammenschluss zu größeren Einheiten“.
„Ich glaube, dass die Verbändelandschaft immer weiter zerfasern wird. Diese Entwicklung beobachte ich seit einigen Jahren mit Sorge. Je weiter sich Interessenvertretungen für Interessentengruppen aufsplitten, desto schwieriger ist es meiner Meinung nach, Gehör zu finden.“
Michael Stechert
Geschäftsstellenleiter Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e. V. (DDIM)
Jens Schließmann vom VDR prognostiziert: „Verbände werden ihre Kräfte zu gleichen Positionen bündeln, um die Wahrnehmung für die Sache zu stärken und um Effizienz und Effektivität zu erhöhen.“
Der demografische Wandel und der Fachkräftemangel spielen hierbei eine zentrale Rolle. Die Ressourcen für kleinere Verbände schwinden, während große, gut aufgestellte Verbände an Einfluss gewinnen.
Gleichzeitig sehen einige Umfrageteilnehmer aber auch eine gegenläufige Entwicklung: Die zunehmende Fragmentierung von Interessen könnte auch dazu führen, dass sich immer spezialisiertere Organisationen bilden. „Je weiter sich Interessenvertretungen aufsplitten, desto schwieriger ist es, Gehör zu finden“, befürchtet Michael Stechert von der DDIM.
Ein weiteres Argument für Zusammenschlüsse ist die zunehmende Komplexität politischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen. Verbände müssen heute eine Vielzahl von Themen abdecken, von Regulierung und Gesetzgebungsverfahren bis hin zu Fachkräftesicherung und Digitalisierung.
„Zentralisierung statt Förderalismus. Kleinere Landesstrukturen werden durch Fusion zu größeren leistungsfähigeren Einheiten. Ressourcen müssen gebündelt werden. Verbände sind keine Selbstläufer mehr. Wir müssen unseren Mitgliedern einen absoluten spürbaren Mehrwert bieten. Durch konkrete Unterstützungsangebote bei der täglichen Arbeit. Die reine Interessenvertretung ist kein Zugpferd mehr. Die Mitgliedschaft in einem Verband muss sich lohnen, geldwerte Vorteile müssen den Verbandsbeitrag mindestens amortisieren. Die Zeit des Sitzens im Elfenbeinturm ist endgültig vorbei. Wir müssen die Probleme an der Basis, bei unseren Mitgliedern lösen. Und wir müssen präsenter sein. Wir müssen raus zu unseren Mitgliedern.“
Ina Hofferberth
Geschäftsführerin Landesapothekerverband Baden-Württemberg e. V.
Einzelne kleinere Verbände tun sich schwer, hier in der notwendigen Tiefe zu wirken. Eine Zusammenarbeit oder sogar Fusion mit anderen kann eine Lösung sein, aber auch die Bündelung der Kräfte in der eigenen Organisation: „Zentralisierung statt Föderalismus – kleinere Landesstrukturen werden durch Fusionen zu größeren, leistungsfähigeren Einheiten. Ressourcen müssen gebündelt werden“, bestätigt Ina Hofferberth vom Landesapothekerverband Baden-Württemberg.
Ehrenamt in der Krise – neue Strukturen nötig
Ein großes Problem für viele Verbände bleibt die sinkende Bereitschaft zum Ehrenamt. Die Belastung steigt, während die Motivation vieler potenzieller Ehrenamtlicher nachlässt. Daniel Gerhards vom bdvb warnt: „Verbände, die auf die Mitarbeit von ehrenamtlichen Personen angewiesen sind, werden es sehr schwer haben. Die Bereitschaft zum Ehrenamt sinkt weiter.“ Die zunehmende Bürokratisierung, etwa durch Lobbyregister oder verschärfte Rechenschaftspflichten, erschwert die Arbeit zusätzlich.
„Verbände, die auf die Mitarbeit von ehrenamtlichen Personen angewiesen sind, werden es sehr schwer haben. Die Bereitschaft zum Ehrenamt sinkt weiter. Weiterhin wählen interessierte Personen viel präziser aus, wo sie sich einsetzen wollen. Auch der Trend, sich in mehreren Vereinen/Verbänden zu engagieren, ist rückläufig. Hinzu kommen die bürokratischen Aufwände für alle Verbände wie z. B. Rechenschaftspflichten (Lobbyregister etc.).“
Daniel Gerhards
Bundesgeschäftsführer bdvb – Bundesverband Deutscher Volks- und Betriebswirte e. V.
Viele Verbände setzen daher auf eine stärkere Professionalisierung. „Verbände müssen sich weiterentwickeln, neu aufstellen und professionalisieren! An hauptamtlichen Vorständen bei gleichzeitiger ehrenamtlicher Begleitung und Aufsicht führt kein Weg vorbei“, beschreibt Dirk Swinke vom SoVD Sozialverband Niedersachsen deren Zukunftsmodell, das sie jüngst auch in der eigenen Organisation umgesetzt haben.
„Verbände müssen sich weiterentwickeln, neu aufstellen und professionalisieren! An hauptamtlichen Vorständen bei gleichzeitiger ehrenamtlicher Begleitung und Aufsicht führt m. E. kein Weg vorbei und das ist in verschiedenen Ausprägungen das Zukunftsmodell. “
Dirk Swinke
Vorstandsvorsitzender SoVD-Landesverband Niedersachsen e. V.
Immer öfter werden Verbände nicht mehr direkt vom Ehrenamt geführt. Auch der Bundesverband Digitale Wirtschaft hat sich jüngst für dieses Führungsmodell entschieden, man wollte schneller agieren und gestalten können. Geschäftsführer und Vorstand Carsten Rasner meint: „Verbände müssen sich vom Image der trägen Verbandsarbeit lösen und mehr zu offenen Netzwerken und Communities werden.“ Dieses Ziel verfolgt der BVDW konsequent. Seine Neuaufstellung als „Zukunftsgestalter“ wurde mit neuen Mitgliedern – und dem Titel „Verband des Jahres 2024“ belohnt.
„Kooperationen werden wir häufiger sehen in Anbetracht der vielfältigen Herausforderungen, die oftmals gemeinsam effizienter bewältigt werden können. Zudem müssen Verbände sich vom Image der trägen Verbandsarbeit lösen und mehr zu offenen Netzwerken und Communities werden.“
Carsten Rasner
Geschäftsführender Vorstand Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e. V.
Fest steht, die Organisationen müssen neue Wege finden, um Ehrenamtliche zu gewinnen und zu halten. Ein stärkeres Community-Management, flexiblere Engagement-Möglichkeiten und die gezielte Ansprache jüngerer Generationen können dabei helfen. Gerade die sogenannte Purpose-Generation sucht nach sinnstiftenden Tätigkeiten. Wenn Verbände es schaffen, dies in ihren Angeboten sichtbar zu machen, kann das Engagement wieder steigen. „Wir müssen neue Beteiligungsformen schaffen, die sich an das veränderte Engagement-Verhalten anpassen. Langfristige Bindung funktioniert nicht mehr so wie früher“, beschreibt eine Geschäftsführerin die Herausforderung.
„Die Automatisierung, Digitalisierung und der Einsatz von Chatbots für nahezu alle Abläufe in Verbänden werden Schritt für Schritt voranschreiten. Die zunehmende Thementiefe und -breite in Verbänden und die Fähigkeit zur raschen Reaktion werden zu einer weiteren Spezialisierung und Kompetenzerweiterung des Hauptamts führen müssen. Zudem werden strukturelle Veränderungen Normalität. Verbandsmanagement wird damit tendenziell herausfordernder.“
Dirk Günther
Geschäftsführer Deutscher Hebammenverband e. V.
Digitalisierung als Chance und Herausforderung
Die Digitalisierung hat bereits viele Bereiche des Verbandsmanagements erfasst – doch die Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen. Automatisierung, KI-gestützte Prozesse und digitale Kommunikationsplattformen werden eine immer größere Rolle spielen. „Die Automatisierung, Digitalisierung und der Einsatz von Chatbots für nahezu alle Abläufe in Verbänden werden Schritt für Schritt voranschreiten“, meint Dirk Günther vom Deutschen Hebammenverband.
„Künstliche Intelligenz entwickelt sich zu einem wichtigen Gestaltungsfaktor – sowohl in unserer eigenen Verbandsarbeit als auch bei unseren Mitgliedsunternehmen. Wir erleben eine große Dynamik: Einerseits wächst das Interesse an den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von KI, andererseits bestehen verständliche Fragen zum optimalen und verantwortungsvollen Einsatz dieser Technologie. Als Verband nehmen wir hier eine Doppelrolle ein: Wir integrieren KI-Lösungen gezielt in unsere eigenen Prozesse und bauen parallel unsere Expertise aus, um unsere Mitglieder bei ihrer KI-Transformation kompetent beraten und begleiten zu können.“
Nora Schmidt-Kesseler
Hauptgeschäftsführerin Verband der chemischen Industrie Nordost.
Alexandra Engeln vom Service-Verband KVD bestätigt: „In unserer Geschäftsstelle schaffen Automatisierung und digitale Lösungen wertvolle Ressourcen, die uns ermöglichen, effizienter zu arbeiten und uns stärker auf die Bedürfnisse unserer Mitglieder zu konzentrieren.“
So prognostiziert es auch Jürgen Block von der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland e. V.: „Wir sehen durch KI erhebliche Potenziale zur Optimierung unserer Arbeit und Aufgaben, sodass mehr Zeit für die Mitglieder bleibt.“
Die Nordostchemie-Verbände begleiten auch die Mitglieder aktiv im Themenfeld KI. Nora Schmidt-Kesseler, Hauptgeschäftsführerin, beschreibt die Rolle ihres Verbandes so: „Künstliche Intelligenz entwickelt sich zu einem wichtigen Gestaltungsfaktor – sowohl in unserer eigenen Verbandsarbeit als auch bei unseren Mitgliedsunternehmen. Als Verband nehmen wir hier eine Doppelrolle ein: Wir integrieren KI-Lösungen gezielt in unsere eigenen Prozesse und bauen parallel unsere Expertise aus, um unsere Mitglieder bei ihrer KI-Transformation kompetent beraten und begleiten zu können.“
„Aufgrund schnell ändernder Rahmenbedingungen, z. B. technologische, politische, wirtschaftliche Veränderungen, werden Verbände flexibler und anpassungsfähiger werden müssen. Auch die fortschreitende Digitalisierung wird die Verbände in ihrer Art und Weise der Kommunikation und Dienstleistungsangeboten grundlegend verändern. Um gemeinsame Ziele und Synergien zu verfolgen, ist auch eine verstärkte interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Verbänden und Organisationen von großer Bedeutung.“
Ute Zeller
Präsidentin Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure Baden-Württemberg
Die digitale Transformation schafft auch viele neue Möglichkeiten für Mitgliederkommunikation und Serviceangebote, die gezielter auf individuelle Bedürfnisse zugeschnitten werden können. So kann die fortschreitende Digitalisierung helfen, Mitglieder direkter in Prozesse einzubinden und die Identifikation mit dem Verband zu steigern. Moderne Datenanalyse-Tools ermöglichen es zudem, Mitgliederbedarfe präziser zu erfassen und darauf abgestimmte Dienstleistungen bereitzustellen.
Mit dieser Entwicklung wächst aber auch die Erwartungshaltung, dass Verbände ihre Dienstleistungen und Entscheidungsprozesse agiler und transparenter gestalten.
„Mitgliedsunternehmen von Verbänden werden immer mehr ‚greifbare‘ Dienstleistungen erwarten, d. h., Verbände müssen sich noch mehr dienstleistungsorientiert ausrichten.“
Dr. Elmar Witten
Geschäftsführer AVK – Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe e. V.
Nicht alle sehen diesen Wandel uneingeschränkt positiv. Eine stärkere Digitalisierung erfordert Investitionen und eine strategische Neuausrichtung. Wer diesen Trend ignoriert oder ressourcenbedingt – personell und/oder finanziell – nicht bedienen kann, läuft Gefahr, den Anschluss zu verlieren.
Ute Zeller vom Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure Baden-Württemberg fasst zusammen: „Die fortschreitende Digitalisierung wird die Verbände in ihrer Art und Weise der Kommunikation und bei den Dienstleistungsangeboten grundlegend verändern.“
Mehr Dienstleistung, mehr Mitglieder?
Die klassische Verbandsmitgliedschaft ist nicht mehr selbstverständlich. Unternehmen und Einzelpersonen prüfen heute genauer, welchen konkreten Nutzen ihnen eine Mitgliedschaft bringt. Die Erwartungshaltung wächst: „Die Verbändelandschaft befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Mitgliedschaften werden zunehmend hinterfragt – insbesondere auf Anbieterseite sind sie heute oft eine strategische Marketingentscheidung. Eine Mitgliedschaft muss deshalb klaren Mehrwert bieten, sowohl für Unternehmen als auch für die einzelnen Personen. Es reicht nicht mehr aus, allgemeine Informationen bereitzustellen; Mitglieder erwarten maßgeschneiderte Inhalte, direkten Nutzen und echte Interaktionsmöglichkeiten“, beschreibt Alexandra Engeln vom Service-Verband die aktuelle Entwicklung.
„Die Verbändelandschaft befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Mitgliedschaften werden zunehmend hinterfragt – insbesondere auf Anbieterseite sind sie heute oft eine strategische Marketingentscheidung. Eine Mitgliedschaft muss deshalb klaren Mehrwert bieten, sowohl für Unternehmen als auch für die einzelnen Personen. Es reicht nicht mehr aus, allgemeine Informationen bereitzustellen; Mitglieder erwarten maßgeschneiderte Inhalte, direkten Nutzen und echte Interaktionsmöglichkeiten.
Die Vernetzung mit anderen Akteuren war schon immer wichtig und wird es auch weiterhin sein, um Synergien zu nutzen und gemeinsam stärker zu werden. Der Erfolg eines Verbandes wird sich künftig noch stärker daran messen, wie gut er seine Mitglieder einbindet, relevante Inhalte liefert und echte Mitgestaltung ermöglicht. Ich sehe eine Zukunft, in der Verbände agiler, digitaler und partizipativer werden – und sich als starke Plattformen für Austausch und Innovation positionieren.“
Alexandra Engeln
Leitung Marketing & Kommunikation Service-Verband KVD
Auch Elmar Witten vom AVK – Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe e. V. sieht das so: „Mitgliedsunternehmen von Verbänden werden immer mehr ‚greifbare‘ Dienstleistungen erwarten, d. h., Verbände müssen sich noch dienstleistungsorientierter ausrichten.“
„Die Mitgliedschaft im Verband wird noch stärker an der Besserstellung gegenüber Nichtmitgliedern ausgerichtet werden müssen. Das bedeutet, wir müssen als Verband stetig schauen, was unsere Mitglieder brauchen, und schnell darauf mit entsprechenden Angeboten reagieren. Die lebenslange Mitgliedschaft wird nicht mehr selbstverständlich sein, sondern an Bedingungen geknüpft werden, die sehr individuell sein werden.
Die Mitgliedsbeiträge werden das Vorhalten des gewünschten, qualitativ hochwertigen Angebotes in den Verbänden nicht komplett abdecken, sodass für individuelle Leistungen zusätzlich Gebühren erhoben werden müssen, die vom Mitglied gerne gezahlt werden, wenn er den unmittelbaren Benefit dadurch erhält.“
Karin Bothe-Heinemann
Hauptgeschäftsführerin Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau e. V.
Karin Bothe-Heinemann vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau e. V. ergänzt: „Die Mitgliedschaft im Verband wird noch stärker an der Besserstellung gegenüber Nichtmitgliedern ausgerichtet werden müssen. Das bedeutet, wir müssen als Verband stetig schauen, was unsere Mitglieder brauchen, und darauf schnell mit entsprechenden Angeboten reagieren. Die lebenslange Mitgliedschaft wird nicht mehr selbstverständlich sein, sondern an Bedingungen geknüpft werden, die sehr individuell sein werden.“
„Viele Menschen – gerade die Jüngeren – wollen sich einfach nicht mehr langfristig über Mitgliedschaften an Vereine binden. Das ist zumindest unsere Erfahrung. Es ist also unsere große Herausforderung, dieser Zielgruppe den Mehrwert eines Verbandes näherzubringen – oder eben auch über die eigentliche Mitgliedschaft hinaus andere Wege zu beschreiben, damit der eigene Verband weiter seiner sinnvollen, gemeinnützigen Arbeit nachgehen kann. Aber ich liebe Herausforderungen!“
Bianca Boss
Vorständin Bund der Versicherten e. V.
Es zeichnet sich ab, dass ein reiner Zugang zu Netzwerken oder die politische Interessenvertretung oft nicht mehr ausreichen. Viele Mitglieder wünschen sich spezialisierte Weiterbildungsangebote, juristische Beratung oder technologische Unterstützung – und das auf höchstem Niveau. Erfolgreiche Verbände werden in der Folge wohl diejenigen sein, die es schaffen, ein breites Spektrum an relevanten Leistungen anzubieten und dieses kontinuierlich an die sich wandelnden Bedürfnisse ihrer Mitglieder anzupassen.
„Aus meiner Sicht wird Innovation auf verschiedenen Gebieten eine viel größere Bedeutung haben als in der Vergangenheit. Anders als reine Wirtschaftsunternehmen haben Verbände in der Regel weniger Druck, stets fortschrittliche Lösungen und neue Konzepte auszurollen, da ihre Finanzierung beispielsweise durch Mitgliedschaftsbeiträge gesichert ist. Das ist bei uns grundsätzlich nicht anders. Dennoch haben wir es uns zum Ziel gesetzt, unsere Profession der Aktuarinnen und Aktuare auf allen Ebenen kontinuierlich voranzubringen. Sei es in der Kommunikation und Außendarstellung, um unseren Berufsstand bekannter zu machen, sei es in der Qualität des fachlichen Angebotes, das die Grundlage für die hochanspruchsvolle und relevante Tätigkeit in ihren Unternehmen ist, oder die globale Vernetzung und Entwicklung neuer Angebote für unterschiedliche Märkte. Mit 0815 wird man zukünftig auch als Branchen- oder Wirtschaftsverband nicht mehr ausreichend mithalten können.“
Michael Steinmetz
Hauptgeschäftsführer Deutsche Aktuarvereinigung e. V. (DAV)
Ina Hofferberth unterstreicht das: „Verbände sind keine Selbstläufer mehr. Wir müssen unseren Mitgliedern einen absoluten spürbaren Mehrwert bieten. Durch konkrete Unterstützungsangebote bei der täglichen Arbeit. Die reine Interessenvertretung ist kein Zugpferd mehr. Die Mitgliedschaft in einem Verband muss sich lohnen, geldwerte Vorteile müssen den Verbandsbeitrag mindestens amortisieren.“
„Die Verbändelandschaft wird sich weiter verändern – und als Industrie müssen wir enger zusammenrücken, um gehört zu werden. Die politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen nehmen zu, und nur durch eine starke, geschlossene Stimme können wir die Interessen im Sinne eines Wirtschaftswachstums für Deutschland und Europa erfolgreich vertreten. Kooperation und strategische Allianzen werden noch wichtiger, um in der politischen Debatte sichtbar zu bleiben und entscheidende Impulse zu setzen. Die Zukunft gehört den Verbänden, die es schaffen, ihre Mitglieder zu vernetzen, gemeinsame Positionen zu entwickeln und mit Nachdruck für ihre Anliegen einzutreten.“
Dorothee Brakmann
Hauptgeschäftsführerin Pharma Deutschland e. V.
Bei all dem Servicewillen wird aber auch die Frage aufkommen, wie viel „Verband“ hier letztlich tatsächlich noch drinsteckt. Denn wichtig ist ganz sicher, dass man bei all der Individualisierung auch den verbandlichen Gemeinschaftsgeist am Lodern hält. Schließlich macht er den gewissen Unterschied im Vergleich zu Unternehmen aus, er ist es, der die Bindung stärkt und das Engagement fördert.
Doch dieser Gemeinschaftsgedanke hilft nur begrenzt weiter, wenn auch die finanzielle Struktur der Verbände einem Wandel unterliegt. Neben den klassischen Mitgliedsbeiträgen gewinnen Zusatzangebote kontinuierlich an Bedeutung, etwa individuelle Beratungsleistungen oder exklusive Veranstaltungen. Auch neue Mitgliedschaftsmodelle werden erprobt. Wer hier innovative Ansätze entwickelt, kann nicht nur seine Mitgliederbindung stärken, sondern auch langfristig die wirtschaftliche Stabilität sichern.
„Eine Professionalisierung und eine übergreifende Zusammenarbeit auf Augenhöhe ohne Verlustängste muss stärker in den Mittelpunkt gerückt werden. Die politische Landschaft erfordert eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Verbänden.“
Axel Schäfer
Geschäftsführer/Vorstand Bundesverband Betriebliche Mobilität e. V.
Von dieser anspruchsvollen Gemengelage sind auch die gemeinnützigen Organisationen nicht ausgenommen: „Viele Menschen – gerade die Jüngeren – wollen sich einfach nicht mehr langfristig über Mitgliedschaften an Vereine binden. Das ist zumindest unsere Erfahrung. Es ist also unsere große Herausforderung, dieser Zielgruppe den Mehrwert eines Verbandes näherzubringen – oder eben auch über die eigentliche Mitgliedschaft hinaus andere Wege zu beschreiben, damit der eigene Verband weiter seiner sinnvollen, gemeinnützigen Arbeit nachgehen kann“, konstatiert Bianca Boss vom Bund der Versicherten e. V. die aktuelle Situation.
Fazit: Die Verbändelandschaft wird sich grundlegend wandeln
Auch wenn es nur ein punktuelles Meinungsbild von Geschäftsführenden aus Verbänden ist, so zeigen die Umfrageergebnisse klar in eine Richtung: Die Verbändelandschaft steht vor einem tiefgreifenden Wandel.
„Politik und Verwaltung müssen Zeit sparen und greifen zunehmend auf die konsolidierte Expertise von Verbänden zurück (im Gegensatz zum Einsammeln von Einzelmeinungen juristischer Personen).“
Dr. Viola Bronsema
Geschäftsführerin BIO Deutschland e. VV.
“
„Es wird mehr Kooperation zwischen den Verbänden geben.“
Alexander Ostermaier
Geschäftsführer fwd: Bundesvereinigung Veranstaltungswirtschaft e. V.
Konsolidierung, Professionalisierung, Digitalisierung und veränderte Mitgliedererwartungen stellen große Herausforderungen dar – bieten aber auch Chancen. Gewünscht sind moderne, agile und handlungsfähige Organisationen.
„Mit 0815 wird man zukünftig auch als Branchen- oder Wirtschaftsverband nicht mehr ausreichend mithalten können“, formuliert es Michael Steinmetz von der Deutschen Aktuarvereinigung. Die kommenden Jahre werden von einem hohen Anpassungsdruck geprägt sein. Stillstand ist dabei keine Option. Diejenigen Verbände, die rechtzeitig ihre Strategie überdenken, digitale Prozesse optimieren, sinnvolle Kooperationen eingehen, ihre Mitglieder konsequent in den Mittelpunkt stellen und Mehrwerte schaffen, werden auch in Zukunft eine starke Rolle spielen.
„Es wird mehr Verbandszusammenschlüsse geben, um die Kräfte zu bündeln. Verbandsarbeit ist heute sehr viel Screening und Analyse von Gesetzgebungsprozessen und entsprechende Advocacy-Arbeit. Dafür benötigt sie auch hauptamtliche gut ausgebildete Mitarbeiter, die diesen Prozess mit den ehrenamtlichen Mitarbeitern der Mitgliedsfirmen zusammen begleiten. Außerdem ist Verbandsarbeit auch Kommunikationsarbeit und Impulsgeber, was sich in der Branche bewegt, und Sprachrohr nach außen. Durch die heutige Vielfalt der Medien sind auch hier Expertise und Manpower gefordert.“
Ina Hundhausen
Hauptgeschäftsführerin Deutsche Bauchemie e. V.
„Die Digitalisierung des Verbands und die Digitalisierung der Kommunikation mit den Mitgliedern und der (politischen) Öffentlichkeit werden weiter voranschreiten.“
Christian Schiffers
Geschäftsführer FFI Fachverband Faltschachtel-Industrie.
„Die Zukunft gehört den Verbänden, die es schaffen, ihre Mitglieder zu vernetzen, gemeinsame Positionen zu entwickeln und mit Nachdruck für ihre Anliegen einzutreten“, wagt Dorothee Brakmann von Pharma Deutschland den Blick in die Glaskugel.
„In herausfordernden Zeiten von Digitalisierung, KI, Transformation und Fachkräftemangel wird es zunehmend wichtig, sich gut zu vernetzen, voneinander zu lernen und miteinander gemeinsame Projekte zu starten. Mut, Muster zu brechen, neue Wege zu probieren und eine gesunde Fehlerkultur sind in diesen Zeiten unabdingbar und werden belohnt. Dabei ist Diversity & Inklusion keine Modeerscheinung, sondern eine klare Haltung.“
Susanne Hüsemann
Geschäftsführerin, besondere Vertreterin nach § 30 BGB Queb | Bundesverband für Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting e. V.
Die kommenden Jahre werden zeigen, wer diese Transformation aktiv gestaltet.
(JG)