Verbändereport AUSGABE 6 / 2007

Die Vergütung in Verbänden: Motivation und Führungsinstrument

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Der Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD) trat vor nicht ganz zwei Jahren in Kraft. Er sollte die starren Regelungen des Bundesangestelltentarifvertrags (BAT) sowie der parallel bestehenden Tarifverträge für Arbeiter des Bundes und der kommunalen Arbeitgeber weiterentwickeln hin zu einer flexiblen, durch Leistungsanreize geprägten Vergütung. Es scheint nun an der Zeit, nach zwei Jahren, einen Blick auf Verbände zuwerfen, in wieweit sie sich an den Regelungen des TVöD orientieren oder welche anderen Wege sie gefunden haben, die Praxis der variablen Vergütung zu implementieren. Ein Praxisüberblick.

„Für uns hier in der Geschäftsstelle ist der TVöD kein Thema!“, eröffnet Wolfgang M. Drechsler, Geschäftsführer der Unternehmerverbände Südhessen. „Ein Tarifvertrag des Staates mit seinen Angestellten kann für unsere Branche allenfalls Ideengeber sein. Als Verbände der Metall- und Elektroindustrie orientieren wir uns eher an diesen Tarifvereinbarungen.“ Gleichwohl wird nicht blind übernommen. Die Aufgabenfelder einer Verbandsgeschäftsstelle sind andere und weitreichender, sodass es besonderer Vereinbarungen für Führungskräfte bedarf.

Welche sind das aber? Nach welcher Struktur erfolgt eine Vergütung? Folgt sie einem Anreizsystem? Für die Führungskräfte, die Ebene des Geschäftsführers und diejenige der Referenten, implementierten die Unternehmerverbände ein System variabler Vergütung, deren Einflussfaktoren vielfältig sind. Auf das Grundsalär werden Bausteine aufgesetzt, die den jeweiligen Aufgabenfeldern der betreffenden Position angepasst sind und über die Zielvereinbarungen getroffen werden. „Als zertifizierte Geschäftsstelle führen wir regelmäßig Personalgespräche und können in diesem Rahmen auch eine Bewertung der Zielerreichung leisten“, fasst Wolfgang Drechsler zusammen. Am Ende des Jahres steht die Bewertung der nachgeordneten Führungskräfte durch den Geschäftsführer, dessen Empfehlung dem Vorstand als Richtschnur dient. „Da ich mich nicht selbst bewerten sollte, treffen der Vorstand und ich eine Zielvereinbarung, die dann im Rahmen einer Vorstandssitzung überprüft wird.“

Ganz ähnlich setzt sich der Bundesverband Deutscher Postdienstleister e.V. (BvDP) mit der Vergütungssystematik auseinander. „Bei uns in der Geschäftsstelle wird jeder variabel vergütet. Je nach Hierarchieebene sind die Anteile variabler Vergütung höher oder geringer: Je höher in der Hierarchie, desto höher ist der variable Anteil am Gehalt“, erklärt der Geschäftsführer Eugen Pink. Auch der BvDP entwickelt in jährlichen Personalgesprächen Zielvereinbarungen und nutzt die jeweiligen persönlichen Zielerreichungsgrade als Grundlage zur Fixierung des variablen Anteils an den Gehältern.

Es ist offenbar, dass je nach Tätigkeitsfeld des Verbandes und Zuschnitt der einzelnen Positionen keine allgemeingültige Regel für die Einführung und Umsetzung variabler Vergütungssysteme aufgestellt werden kann. Gleichsam lassen sich gewisse Vergleiche anstellen: Wirtschaftsverbände orientieren sich bei der Bezahlung ihrer Mitarbeiter an den jeweiligen Tarifverträgen ihrer Branchen. Eine unreflektierte Übernahme beispielsweise von Entgelttabellen findet jedoch nicht statt. Bei der Frage, wie die Leistung eines Mitarbeiters „gemessen“ werden kann, finden Mitarbeitergespräche und damit verbundene Zielvereinbarungen häufig ihre Anwendung. Diese Zielvereinbarungen können auf statischen Kennzahlen beruhen, aber auch die generelle Fortentwicklung bestimmter Projekte umfassen.

Für Eugen Pink ist schon diese Flexibilität ausschlaggebend: „Ein Pressereferent wird bestimmt keine Zielvereinbarung treffen können und sollen, die auf der Zahl neu zu gewinnender Mitglieder beruht.“ Die Möglichkeit, über die bloße Verhandlung von Zielvereinbarungen auf die besonderen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Mitarbeiter einzugehen, spielt eine entscheidende Rolle bei deren Motivation. „Und nichts anderes soll ein flexibles Vergütungssystem unterstützen. Es beginnt jedoch bei der Auswahl und Gewichtung der Einzelkomponenten in den Zielvereinbarungen.“ Die variable Vergütung bemisst sich demzufolge an den persönlich erbringbaren Erfolgen einzelner Mitarbeiter und hilft auf diese Weise auch das größte Risiko einer starren Erfolgsvergütung zu verhindern: die Eigen-Kannibalisierung aufgrund mangelnder Identifikation mit der Gesamtorganisation. Denn, konzentriert sich ein Mitarbeiter alleinig auf die Erreichung seiner Ziele, spricht einiges dafür, dass dies zulasten anderer Arbeitsfelder passiert. Verstehen sich die Mitarbeiter hingegen als Team und drückt sich dies auch in der Formulierung und gegenseitigen Abstimmung von Zielvereinbarungen aus, wird aus flexibler Vergütung tatsächlich eine Erfolgsvergütung. „Das macht ein flexibles Vergütungssystem für uns auch so relevant; es dient nicht nur der Motivation einzelner Mitarbeiter, sondern unterstützt als Personalführungsinstrument die Gesamtentwicklung des Verbandes“, stimmt Wolfgang Drechsler zu. Gleichzeitig findet ein Wechsel von Input zur Output statt: Nicht die in ein Ergebnis investierte Arbeitszeit ist relevant, sondern das an der Zielvereinbarung mess- bzw. erklärbare Arbeitsergebnis.

Sinnvollerweise bestehen Zielvereinbarungen aus Individualzielen, die der Mitarbeiter direkt beeinflussen kann, und aus Globalzielen, die eine Zusammenarbeit erfordern und die Identifikation mit dem Gesamtergebnis unterstützen. Die sogenannte Zielhöhe orientiert sich oftmals an Bezugswerten „gegenüber dem Vorjahr“, einem allgemein verfügbaren Benchmark oder in Einzelfällen gegenüber einer Potenzialabschätzung. Individualziele leiten sich direkt aus den jeweiligen Arbeitsfeldern der Mitarbeiter ab. Bei zertifizierten Geschäftsstellen können beispielsweise erfolgreiche Re-Audits oder die Mitgliederzufriedenheit mit abgrenzbaren Informationswegen maßgebend sein. Globalziele wie die Entwicklungsrichtung der Mitgliederzahl bieten sich in den oberen Hierarchieebenen oder für alle Mitarbeiter an, sind jedoch entsprechend vorsichtig zu gewichten. Bei all diesen Zielen sollte gelten, dass sie kein starres Korsett bilden. Beispielsweise kann Medienresonanz bei Verbänden in sicherheitsrelevanten Branchen sehr wohl heißen, entsprechend wenig einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu werden, denn Berichterstattung über Tausende funktionierende Feuerlöscher wird nicht stattfinden. Bei fünf defekten, die in einer Schule aufgefallen sind, sieht dies anders aus. Eine vernünftige Zielvereinbarung könnte demnach lauten, entsprechende Hintergrundinformationen seitens des Verbandes bereitzuhalten, um im Falle eines Schadens als Verband aktiv an der Aufklärung und Erklärung mitzuwirken. So wie nicht jeder Maßstab für jeden Verband anwendbar ist, kann auch das Ausbleiben des bezeichneten Schadenfalls nicht als Verfehlen der Zielvereinbarung gelten.

Man möchte vermuten, dass sich Organisationen, die dem öffentlichen Dienst näherstehen – wie Kammerorganisationen oder Verbände aus dem Bildungs- und Gesundheitsbereichen – im Unterschied zu den Wirtschaftsverbänden wesentlich näher am TVöD orientieren. Dem ist grundsätzlich auch so, wiewohl ein Trend sich abzeichnet: Der Einzug flexibler und auf die Organisation zugeschnittener Vergütungssysteme macht vor Kammern nicht halt. „Der TVöD ist zu unspezifisch für uns. Wir haben ihn uns aus einer gewissen Entfernung angeschaut, jedoch gemeinsam mit dem Personalrat ein eigenes Vergütungssystem eingeführt“, so Joachim Hunger, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer für Oberfranken in Bayreuth. Für die IHK Bayreuth war schon zu Zeiten des BAT klar, dass sie ein eigenes Vergütungssystem entwickeln muss. „Als Dienstleister für die Wirtschaft, wie wir uns verstehen, erschien es uns sinnvoll, diese Belange und Notwendigkeiten in unseren internen Abläufen abzubilden.“ Das geschah in einer Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001:2000. Ab 2007 hat die IHK Bayreuth für die gesamte Organisation flächendeckend ein variables Vergütungssystem eingeführt, das auf einer vierstufigen Entgelttabelle mit jeweils sieben Unterkategorien beruht und für alle Stufen variable Anteile des Gehaltes vorsieht. Während für Angestellte und Sachbearbeiter die jährliche Personalbeurteilung als Basis der Leistungsvergütung herangezogen wird, gilt schon für mittlere Führungskräfte ein 50/50-Verhältnis von Personalbeurteilung und entsprechender Zielvereinbarung. „Die Zielvereinbarungen werden gemeinsam mit den Mitarbeitern entwickelt und auch deren Überprüfung – teilweise anhand von Kennzahlen, die wir aus dem Qualitätsmanagement-Prozess herleiten – gemeinsam besprochen“, tariert Joachim Hunger das Vergütungssystem aus. „Wir haben es immer mit Menschen zu tun, und die müssen Sie mitnehmen!“

Fazit

Es nimmt nicht wunder, dass Verbände zunehmend auf die Vorteile flexibler, anreizgestützter Vergütungssysteme setzen und – hier aufgrund ihrer besonderen Stellung – vielfältige Lösungen und Ansätze entwickeln, um nicht nur Mitarbeiter zu motivieren, sondern im Besonderen auch die Identifikation aller Mitarbeiter mit dem Gesamtergebnis zu fördern. (TR)

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