Verbändereport AUSGABE 6 / 2010

Die Verbands-Geschäftsstelle: make or buy?

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Der „Motor“ eines Verbandes ist seine Geschäftsstelle. Diese Feststellung machen die Mitglieder im täglichen Kontakt mit ihren Verbänden, Präsidenten, Vorstands- und Ausschussmitgliedern bei ihrer Arbeit als ehrenamtliche Führungskräfte genauso wie Medienleute bei ihren Recherchen zu aktuellen Themen. Offen ist die Frage nach der situativ besten Lösung: Selber machen oder einkaufen – oder wie es heute neudeutsch heißt: make or buy?

Die Verbands-Geschäftsstelle ist in jedem Verband „die“ Drehscheibe für alle Austauschpartner. Ein gut funktionierender Verband hat eine gut funktionierende, leistungsfähige Geschäftsstelle. Und oft gilt im Umkehrschluss auch: Schlecht funktionierende Verbände haben meist ein Problem im operativen Bereich, eine Geschäftsstelle, die ihre Aufgaben nicht befriedigend erledigt. Wichtige Beurteilungskriterien sind Mitglieder- und Dienstleistungsorientierung, Sachkompetenz und Effizienz.

Aber was sind eigentlich die Hauptaufgaben einer Verbands-Geschäftsstelle? Peter Schwarz spricht in seiner Publikation „Organisation in Nonprofit-Organisationen“ von folgenden Aufgabenblöcken:

Stabsstelle für Organe und Ausschüsse

Wenngleich die Problemlösungsverantwortung von Geschäftsführung und Vorstand gemeinsam getragen werden muss, sind zentrale Aufgaben der Geschäftsführung die Problemerkennung und die Initiierung von entsprechenden Lösungsprozessen.

Organe und Ausschüsse treffen sich zu wenigen Sitzungstagen pro Jahr. Damit sie ihre strategischen Aufgaben in dieser knappen Zeit wahrnehmen können, brauchen sie eine qualifizierte Entscheidungsvorbereitung: präzise, knappe und fachkundige Entscheidungsgrundlagen mit Informationen, Analysen, Vorschläge für alternative Maßnahmen sowie Erfolgswahrscheinlichkeiten, Kosten und mögliche Widerstände bei der Realisierung.

Um die Tätigkeiten und Beschlüsse einer Vielzahl von verschiedenen Organen aufeinander abzustimmen, haben Verbands-Geschäftsstellen beziehungsweise die jeweiligen Geschäftsführer eine wichtige Koordinationsfunktion. Mit der Betreuungsfunktion schließlich werden Organisation, Planung, Durchführung und Auswertung der Sitzungen und Versammlungen sichergestellt.

Vollzugsstelle für Organbeschlüsse

Verbands-Geschäftsstellen sind in der Verantwortung, die von ihren Organen getroffenen Beschlüsse praktisch umzusetzen. Sie tun dies in der Regel in eigener Verantwortung, situativ auch in Zusammenarbeit mit dem Präsidium/dem Vorstand oder mit einem für bestimmte Aufgaben eingesetzten Ausschuss.

Dienstleistungsstelle für Mitglieder

Erbringen von Dienstleistungen an Mitglieder wie Information, Beratung, Schulung und anderes mehr. Unter dem Aspekt, dass Verbände immer mehr spezialisierte Dienstleistungszentren für ihre Mitglieder werden, kommt diesem Aufgabenblock eine immer wichtigere Bedeutung zu.

Verwaltungsstelle des Verbandes

Die Verbands-Geschäftsstelle ist schließlich auch für die Verwaltung des Verbandes zuständig. Dazu gehören etwa Finanz- und Rechnungswesen, Beitragsinkasso, Mitglieder- und Personalverwaltung, Controlling und Reporting, Informationstechnologie und Infrastruktur.

Make or buy: Eine Entscheidungsalternative für jeden Verband

Grundsätzlich stellt sich für jeden Verband immer wieder die Grundsatzfrage: Wollen wir „es“ selber machen oder wollen wir „es“ einkaufen? Dabei kann diese Frage sowohl bezüglich einzelner Teilbereiche und Teilaufgaben als auch bezüglich der gesamten Geschäftsstelle gestellt werden. Diesbezügliche Entscheidungskriterien sind:

  • Strategische Frage: Kerngeschäft oder Nebengeschäft
  • Kompetenzfrage: Bedeutung der Aktualität von Wissen und Erfahrung
  • Führungsfrage: Flexibilität der Lösung, Abhängigkeit von Lieferanten, Vorhandensein beziehungsweise Bereitstellung/Finanzierung der erforderlichen Ressourcen
  • Effektivitätsfrage: Mitglieder-/Kundenzufriedenheit, Akzeptanz, Qualität (beispielsweise Zeitfaktor)
  • Effizienzfrage: Kosten (absolute Kosten, Fixkosten oder variable Kosten)

Oft anzutreffende Beispiele in Teilbereichen sind etwa die Auslagerung der Redaktion der Verbandszeitschrift, die Anzeigenakquisition, die Pflege der Internet-Homepage, das Kongress-/Veranstaltungs-Management, das Finanz- und Rechnungswesen, die IT-Unterstützung oder in Spendenorganisationen das Fundraising oder das Sponsoring.

Outsourcing der Verbands-Geschäftsstelle: Die Argumente

Abgesehen von den oben erwähnten grundsätzlichen Entscheidungskriterien für eine „Make-or-buy-Entscheidung“ ist im Falle des Outsourcings der gesamten Verbands-Geschäftsstelle mit allen ihren Aufgabenblöcken die Frage der Größe der bestehenden oder noch zu schaffenden Verbands-Geschäftsstelle entscheidend. Als Faustregel gilt nach unserer Erfahrung, dass bei einer Verfügbarkeit von weniger als 500.000 Euro/Jahr allein für den Betrieb der Geschäftsstelle das Outsourcing der Verbands-Geschäftsstelle eine sehr effektive und effiziente Lösung sein kann. Bei einer Verfügbarkeit von größeren, jährlich wiederkehrenden Beträgen dürfte der Unterhalt einer eigenen Geschäftsstelle die bessere Lösung sein.

Für das Outsourcing von kleineren und mittleren Verbands-Geschäftsstellen sprechen ganz speziell folgende Argumente:

Qualität und Quantität nach Maß

Sie erhalten eine auf die Bedürfnisse Ihres Verbandes maßgeschneiderte Lösung. Das Kompetenz- und Mengenprofil der Mitarbeitenden kann individuell abgestimmt werden (beispielsweise 20 Prozent Geschäftsführung, 30 Prozent Sachbearbeitung, zehn Prozent Finanz- und Rechnungswesen, zehn Prozent Empfang und Telefondienst).

Dieses Profil ist – in entsprechender Qualität – weder in einer einzigen Person zu finden, noch wäre es möglich, qualifizierte Mitarbeitende mit diesen Beschäftigungsgraden zu beschäftigen. Da aber ein Dienstleistungsunternehmen noch weitere solche Verbands--Geschäftsstellen betreuen wird, lässt sich dies realisieren. Schließlich müssen sich die Verbands-Verantwortlichen nicht mit Personal, Anstellungs- und Versicherungsfragen beschäftigen. Das erbringt eine mehrwertsteuerpflichtige Leistung gegen ein vereinbartes Honorar. Die Mitarbeitenden werden vom Dienstleistungsunternehmen angestellt, bezahlt und sozialversichert. Die Regelung der Stellvertretung, Urlaubsabwesenheiten, Ausfälle bei Krankheit, Auswahl- und Anstellungsverfahren sind Sache des Anbieters.

Erreichbarkeit

Trotz zum Teil kleiner Teildeputate ist Ihre Verbands-Geschäftsstelle an fünf Wochentagen 52 Wochen im Jahr für Mitglieder, Vorstands- und Ausschussmitglieder und andere Austauschgruppen erreichbar.

Kontinuität und Wissenssicherung

Die Kontinuität der Dienstleistung kann trotz unvermeidlicher personeller Veränderungen sichergestellt werden. Durch die Stückelung auf mehrere Teildeputate und die Dienstleistungsverantwortung des Anbieters kann das spezifische Verbandswissen gesichert werden.

Aktuelle Infrastruktur

Die erforderliche Infrastruktur (Hard- und Software, Telefonanlage, Sitzungs-/Tagungsinfrastruktur) wird vom Dienstleistungsunternehmen zur Verfügung gestellt. Hardware-Erneuerung und Software-Updates sind Aufgabe des Dienstleistungsunternehmens.

Austausch- und Vergleichsmöglichkeiten

Durch die Mehrzahl der durch den Dienstleister betreuten Verbände erhalten Sie Austausch- und Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Verbänden. Dadurch werden die ständige Verbesserung und das Voneinanderlernen auch für kleinere Organisationen möglich.

Flexibilität

Abgesehen von einer vereinbarten Kündigungsfrist bleiben Sie bezüglich Standort oder gar des Aufbaus einer eigenen Geschäftsstelle flexibel.

Motivation des Dienstleistungsunternehmens

Dienstleistungsunternehmen mit einem entsprechenden Angebot haben das Ziel, ihre Kundenorganisationen längerfristig zu binden. Dies gelingt aber nur durch Aktualität und Qualität der Leistung, Zufriedenheit der Mitglieder und des Vorstandes und schließlich durch ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Dies wiederum wirkt sich zugunsten des Verbandes aus.

Outsourcing der ganzen Verbands-Geschäftsstelle: Die Erfolgsfaktoren

Damit die Zusammenarbeit zwischen Verband und Dienstleistungsunternehmen erfolgreich und für beide Partner befriedigend funktioniert, muss zunächst – wie bei einer eigenen Geschäftsstelle – die Leistung stimmen. Termintreue, Reaktionsschnelligkeit, Umgang mit Beschwerden und ähnliche Faktoren spielen diesbezüglich eine ganz entscheidende Rolle. Spezifische Erfolgsfaktoren in der Situation des Outsourcings sind aber ebenso zu beachten:

Leistungsbereitschaft, Umgang mit Wünschen und Forderungen

Der Dienstleister und seine Mitarbeitenden müssen eine hohe Leistungsbereitschaft haben. Es braucht den unbedingten Willen „gut zu sein“ und nicht nur den Vertrag beziehungsweise das Pflichtenheft zu erfüllen. Diese Dienstleistungsorientierung kommt u. a. dadurch zum Ausdruck, dass auch einmal Aktivitäten außerhalb des Pflichtenheftes wahrgenommen werden, wenn sie für den Verband wichtig sind.

Zusammenarbeit mit dem Präsidenten beziehungsweise dem Vorstand

Sehr wichtig ist die Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen Präsident und Geschäftsführer. Zwar ist dies in jedem Fall ein strategischer Erfolgsfaktor. Im Falle der Mandatslösung ist sie aber insofern von zentraler Bedeutung, als der Präsident beziehungsweise der Vorstand nicht die Person des Geschäftsführers wählt, sondern den Dienstleister als Unternehmen.

Identifikation der Vorstands- und Verbandsmitglieder mit „ihrer“ Geschäftsstelle

Bei hoher Leistungsbereitschaft und einer guten Zusammenarbeit zwischen strategischer und operativer Ebene wird automatisch auch die Identifikation mit der „eigenen“ Geschäftsstelle entstehen. Über die Identifikation der strategischen Ebene entsteht auch eine Identifikation der Mitglieder mit ihrem Verband (gemeint Geschäftsstelle).

Qualität, Kompetenz und Zufriedenheit der Mitarbeitenden

Gute Dienstleistung entsteht durch zufriedene, motivierte Mitarbeitende. Kontinuität im Team des Dienstleisters, Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Unternehmen sowie der Ausdruck von Zufriedenheit mit dem eigenen Arbeitsplatz sind Indizien dafür, dass die Chancen hoch sind, auch als Kunde (Verband) in den Genuss dieser Qualität zu kommen. Personalwechsel sind – auch in einer Outsourcing-Lösung – immer möglich. Wichtig ist, wie sie vom Dienstleister kommuniziert und gehandhabt werden und wie nahtlos die Wechsel sind.

Mehrwert für den Verband

Falls das Dienstleistungsunternehmen neben der Führung von Geschäftsstellen auch rechtliche beziehungsweise betriebswirtschaftliche Beratungsleistungen anbietet, fließt über den Dienstleis-tungsvertrag automatisch viel Know-how und Erfahrung in die stetige Weiterentwicklung des Verbandes, gegebenenfalls sogar der Mitgliederbetriebe mit ein.

Klarheit des Vertrages

Schließlich ist auch die Klarheit des Vertrages wichtig. Integrierender Bestandteil müssen dabei ein ausformuliertes Pflichtenheft für die Geschäftsstelle und eine transparente Kalkulation des Honorars sein. Vertragserneuerungen beziehungsweise -anpassungen haben auf der Grundlage -einer transparenten Leistungserfassung zu erfolgen. Ein jährliches Kundengespräch, das nicht den Verbandsgeschäften, sondern dem Vertrags- und Zusammenarbeitsverhältnis zwischen Verband und Dienstleistungsunternehmen gewidmet ist, bietet Gelegenheit, diese Fragen zu besprechen.

Fazit

Die Geschäftsstelle des Verbandes im Mandatsverhältnis führen zu lassen, ist nicht immer, aber oft eine sehr gute, -effiziente Lösung. Der entscheidende Erfolgsfaktor ist dabei, dass für die beiden Partner eine Win-win-Situation entsteht. Für das Dienstleistungsunternehmen eine attraktive Aufgabe, gepaart mit einer wertschätzenden Honorierung, für den Verband eine flexible, effiziente Lösung, bereichert durch die Erfahrungen mit anderen Verbänden und das Methodenwissen des Dienstleistungsunternehmens.

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Autor/in

Charles Giroud

ist Direktor der B’VM (Beratergruppe für Verbands-Management) in Bern, Linz, Stuttgart und Berlin.

http://www.bvmberatung.net
Autor/in

Claus Philippi

war Partner der B’VM|Beratergruppe für Verbandsmanagement. Bern. Linz. Stuttgart. Berlin. Als langjähriger Experte in der Verbandsberatung waren seine Schwerpunkte Mitgliederbefragungen, Leitbild- und Strategieentwicklung, Schnittstelle von Haupt- und Ehrenamt, Konfliktmanagement und die Begleitung bei komplexen Reorganisationsprozessen. Ende 2018 ist er aus dem aktiven Berufsleben ausgeschieden.

http://www.bvmberatung.net

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