Die Fortsetzung unserer Artikelserie zu Großgruppenkonferenztechniken beschäftigt sich mit der Methode World Café. Mit dem „Open Space“ hatten wir in der Ausgabe 2/2012 bereits eine andere Methode vorgestellt, die explizit auf dem Prinzip der Selbstorganisation beruht; das Schlagwort zur Beschreibung des World Café lautet hingegen „Vernetzung“. Im Folgenden stellen wir Ihnen diese Methodik mit ihren wichtigsten Merkmalen vor und zeigen einen idealtypischen Ablauf. Schließlich geben wir Hinweise, bei welchen Aufgabenstellungen im Verband das World Café am besten eingesetzt werden kann.
World Café – Vernetzung des Wissens und der Teilnehmer
Das zentrale Wesensmerkmal des World Café als eine Methode für Großgruppen ist die Vernetzung des Wissens und der Teilnehmer untereinander. Die Vernetzung geschieht dadurch, dass Teilnehmer einer Großgruppe, die sich in Untergruppen aufteilt, nicht nur in einer Gruppe mitdiskutieren, sondern mehrfach von Gruppe zu Gruppe wechseln. Sie erfahren so, was andere Personen zu einem bestimmten Thema erarbeitet haben, können es kommentieren und ergänzen und bringen dabei gleichzeitig den Hintergrund der Diskussionsergebnisse ihrer ersten Gruppe in die neue Gruppe mit. Der Clou dieser Methode liegt über diese Vernetzung von Personen und Themen hinaus darin, dass alle Teilnehmer der Veranstaltung die Möglichkeit haben, sich nicht nur in einer, sondern in drei bis vier Untergruppen aktiv zu beteiligen.
Ablauf eines World Café
Voraussetzung für die Methode World Café ist ein gemeinsames Rahmenthema, das in verschiedene Teilaspekte aufgeteilt werden kann, die dann in Untergruppen diskutiert werden. Der Moderator führt in das Thema ein und erklärt den weiteren Ablauf, auch kann eine erste Diskussion im Gesamtplenum stattfinden, damit die Teilnehmer den inhaltlichen Anschluss finden. Diese Phase sollte nicht länger als 20 bis 30 Minuten dauern.
Danach starten die Phasen, die das World Café auszeichnen und ihm seinen Namen geben. Wie in einem Kaffeehaus sind mehrere Tische in einem größeren Raum vorhanden. Jeder Tisch symbolisiert ein bestimmtes Teilthema des Rahmenthemas (Statt Tischen könnten als Diskussionsorte auch z. B. Stuhlkreise dienen, zur Vereinfachung sprechen wir hier aber weiter von Tischen). An jedem Tisch steht ein Moderator, der für „sein“ Thema verantwortlich ist. Nun startet das World Café in einem vorgegebenen zeitlichen Schema (Abbildung 1):
In einer 1. Runde von 90 Minuten kann jeder Teilnehmer an einem Tisch seiner Wahl das dazugehörige Thema mit den anderen dort Anwesenden diskutieren, der Moderator hält die Ergebnisse am Flipchart fest.
Nach diesen eineinhalb Stunden gibt es den ersten Wechsel, jeder Teilnehmer der Veranstaltung kann frei nach seinem Willen zu einem anderen Tisch gehen, wenn ihn das dort vertretene Thema interessiert. Der Moderator am jeweiligen Tisch aber bleibt vor Ort. Er führt nach dem allgemeinen Wechsel am Beginn der 2. Runde seine neuen Gruppenmitglieder in die Ergebnisse der ersten Gesprächsrunde mithilfe seiner Flipchart-Aufschriebe ein – und jetzt entsteht der Vernetzungseffekt: Die neuen Teilnehmer bauen auf dem Wissen ihrer Vorgänger am Tisch auf, sie vertiefen, ergänzen oder korrigieren. Es zeigt sich die Dynamik der Methode zum ersten Mal: Neues Wissen wird nicht nur einfach hinzuaddiert, sondern es werden Synergien und neue Perspektiven deutlich – das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Da schon auf Vorarbeiten aufgebaut werden kann, ist die 2. Phase kürzer, sie dauert 60 Minuten.
Es beginnt eine 3. Runde, wiederum wechseln alle Teilnehmer aus eigener Wahl an einen neuen Tisch zu einem weiteren Teilthema. Nur die Moderatoren bleiben weiterhin an ihren Tischen und präsentieren der dritten Generation die Ergebnisse der 1. Runde sowie die Veränderungen, die in der 2. Runde dazugekommen sind. Die Dynamik der Vernetzung setzt sich fort, denn auch in der 3. Runde sind die Gruppenteilnehmer aufgerufen, die Ergebnisse ihrer beiden Vorgängerrunden zu ergänzen, das Thema zu vertiefen oder bei Bedarf zu konkretisieren. Hierfür sind 45 Minuten eingeplant.
Nach demselben Schema läuft eine 4. Runde ab, die lediglich 30 Minuten dauert. Sie ist vor allem bei großen Gruppen sinnvoll, um die direkte Beteiligungsmöglichkeit an den Unterthemen für alle zu erhöhen.
Jeder Teilnehmer konnte sein Wissen zu vier Teilthemen in vier Runden beisteuern. Nun interessiert es alle, wie die Gesamtergebnisse der Runden zusammengefasst ausschauen. Was haben beispielsweise die späteren Gruppenrunden zu einem Gedanken gesagt, den man am 1. Tisch geäußert hat, ist er weiterentwickelt oder verworfen worden? Aus diesem Grund treffen sich alle Teilnehmer des World Café wieder im Plenum. Die Untergruppen-Moderatoren stellen die Ergebnisse der Runden, in denen ihr Teilthema erarbeitet, vertieft und ergänzt wurde, allen Teilnehmern anhand des Flipcharts vor.
Insgesamt ist die Methode World Café flexibel einsetzbar. Die Zahl der Untergruppen, deren Dauer und die Zahl der Diskussionsdurchgänge lassen sich problemlos am eigenen Bedarf anpassen.
Umsetzungsmöglichkeiten im Verband
Die Methode World Café lässt sich im Verband ohne großen Aufwand in die Sitzungen großer Organe integrieren, seien es Mitglieder- oder Delegiertenversammlungen oder Konferenzen von Fach- oder Landesgruppen. Sie ermöglicht den Teilnehmern, sich jeweils aktiv an der Diskussion in mehreren Untergruppen und damit an den für sie wichtigen Teilthemen zu beteiligen, und sie stellt durch den mehrfachen Wechsel immer auch den Bezug zwischen den Unterthemen her, der sonst leicht verloren ginge. Damit eignet sich die Methode für alle Themenstellungen, die sich für die Bearbeitung in verschiedene Fragestellungen aufteilen lassen, beispielsweise für Umfeldanalysen und Stärken-/Schwächen-Analysen, für die Planung und Operationalisierung von Zielen oder die Bearbeitung von Fachthemen. Sie kann als alternative Arbeitsform z. B. als Workshopteil im Rahmen einer längeren Veranstaltung die Sitzungsroutine auflockern.
Erfolgsfaktoren
Die Methode erfordert eine Reihe von Vorbereitungsarbeiten:
Am besten eignet sich ein sehr großer Raum für alle Thementische/Untergruppen, da auf diese Weise jedem zu jeder Zeit deutlich und sichtbar wird, wie gemeinsam an einer Vernetzung des Wissens gearbeitet wird. Auch der Wechsel in eine neue Untergruppe ist leichter und benötigt nicht so viel Zeit.
Es empfiehlt sich, schon im Vorfeld geeignete Moderatoren für die Untergruppen zu bestimmen und über ihre Aufgabe zu informieren.
Der Moderator für die beiden Plenumsphasen sollte ein externer Experte auf dem Gebiet Großgruppenveranstaltungen sein. Es bietet sich für ihn an, während der Arbeitsphasen die Diskussionen in den Untergruppen zu verfolgen, um für die Moderation des Schlussplenums ein Gesamtbild zu bekommen.
Wie bei allen Großgruppenkonferenztechniken ist auch beim World Café die Einbindung in einen nachfolgenden Arbeitsprozess wichtig. Die Methode schafft hohe Identifikation mit den Ergebnissen der gemeinsamen Arbeit und damit eine gute Voraussetzung für die spätere Umsetzung.