In den letzten Jahren gab es wiederholt Vorstöße, die Haftung ehrenamtlicher Vereinsvorstände zu begrenzen. Zivilrechtlich waren diese Bemühungen von einigem Erfolg gekrönt (§ 31a BGB). Diese Haftungserleichterungen gelten leider jedoch nicht für den Bereich des Sozialversicherungsrechts.
Die sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen der Verbandsvorstände
Beschäftigt ein Verein Arbeitnehmer, so ist er als Arbeitgeber verpflichtet, Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile) an die Träger der Sozialversicherung zu entrichten (§§ 28d ff. SGB IV). Diese Verpflichtung des Verbandes muss der vertretungsberechtigte Vorstand erfüllen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so ist hinsichtlich der Rechtsfolgen zu unterscheiden, ob es sich bei der Nichtabführung um Arbeitgeber- oder Arbeitnehmeranteile handelt. Letzteres ist besonders misslich, denn die Nichtabführung der Arbeitnehmeranteile ist strafbar und löst persönliche Haftungsfolgen aus.
Nach § 266a Abs. 1 StGB kann mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden, wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung vorenthält, und zwar unabhängig davon, ob das Arbeitsentgelt auch tatsächlich ausgezahlt wird. Es kommt nämlich weder für die Entstehung noch für die Fälligkeit der Verpflichtung zur Abführung von Arbeitnehmerbeiträgen darauf an, ob der Lohn tatsächlich zur Auszahlung gekommen ist (so der Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.5.2000 – VI ZR 90/99). Da sich nach deutschem Recht ein Verband als solcher nicht strafbar machen kann, gilt die Strafbarkeit nach § 14 Abs. 1 Satz 1StGB für seine vertretungsberechtigten Organe, mithin den Vorstand im Sinne des § 26 BGB.
Das ist aber noch nicht alles. Zusätzlich haftet der vertretungsberechtigte Vorstand dem Sozialversicherungsträger zivilrechtlich für die nichtabgeführten Arbeitnehmerbeiträge aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266a StGB. Denn die letztere Norm ist ein sog. Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Dieses Schutzgesetz begünstigt die Sozialversicherungsträger. Geschütztes Rechtsgut ist das allgemeine Beitragsaufkommen der Sozialversicherung.
Die Haftung für Arbeitnehmerbeiträge kann auch die Beiträge der Vorstandsmitglieder selbst betreffen, sofern man die Verbandsvorstände als Arbeitnehmer des betreffenden Verbandes ansieht. Letztere Ansicht scheint sich leider bei den Sozialversicherungsprüfungen allmählich durchzusetzen.
Hervorzuheben ist andererseits, dass die Nichtabführung der Arbeitgeberanteile nicht strafbar ist und daher auch keine Schadensersatzpflicht nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266a StGB begründet.
Strafbarkeit nur bei Vorsatz!
Strafbar nach § 266a StGB macht sich nur, wer die Abführung der Arbeitnehmerbeiträge bei deren Fälligkeit bewusst und willentlich unterlassen und damit vorsätzlich gehandelt hat. Ausreichend ist hier aber bereits ein sog. bedingter Vorsatz. Das bedeutet: Ein Vorsatz ist bereits dann anzunehmen, wenn der vertretungsberechtigte Vereinsvorstand trotz Vorstellung von der Möglichkeit der Beitragsvorenthaltung diese gebilligt und nicht in dem erforderlichen Maße auf die Erfüllung der Abführungspflicht hingewirkt hat (so BGHZ 134, 304, 314).
Wann die Haftung ausnahmsweise nicht greift
Die Strafnorm des § 266a StGB ist nicht erfüllt, wenn der Verband im Zeitpunkt der Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr über Zahlungsmittel verfügt und dieser Zustand vom Vereinsvorstand auch nicht verschuldet wurde (so z. B. OLG Oldenburg, ZIP 2004, Seite 1315, 1316).
Haftung bei drohender Insolvenz: Zahlungen auf Arbeitnehmeranteile kennzeichnen!
Gerät ein Verband in finanzielle Schwierigkeiten, werden Verpflichtungen gern in die Zukunft verschoben, mit der Absicht, die Zahlungen nachzuholen, wenn es dem Verband wieder besser geht. In solchen Situationen kann es vorkommen, dass die Sozialversicherungsbeiträge für die Angestellten des Verbandes nicht oder jedenfalls nicht in voller Höhe abgeführt werden. In diesen Fällen droht eine persönliche Haftung des Vorstandes. Das gilt insbesondere für den - hoffentlich nie eintretenden – Fall der Insolvenzreife. Nach Eintritt der Insolvenzreife sollten noch laufende und rückständige Arbeitnehmerbeiträge gezahlt werden. Denn für solche Beiträge droht dem Vorstand Strafbarkeit nach §§ 266a Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1StGB und darüber eine zivilrechtliche Schadensersatzhaftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266a StGB. Werden Zahlungen geleistet, sollten diese unbedingt mit dem Vermerk „Zahlung auf Arbeitnehmeranteile“ gekennzeichnet werden. Denn anderenfalls könnte es sich auch um Zahlungen auf Arbeitgeberanteile handeln. Die Strafbarkeit mit gekoppelter Schadensersatzpflicht wäre in diesem Fall nicht beseitigt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann nicht ohne Weiteres vermutet werden, dass die geleisteten Zahlungen auf die Arbeitnehmeranteile entfallen sollen (so BGH NZG 2011, Seite 303). Wird bei der Zahlung keine derartige „Tilgungsbestimmung“ getroffen, so verrechnet der Sozialversicherungsträger die Zahlung automatisch je zur Hälfte auf die Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile. Als Folge bleibt dann ein Teil der fälligen Arbeitnehmeranteile ungetilgt.