Verbändereport AUSGABE 3 / 2013

Die Diskussion um die Umsatzsteuer auf Mitgliedsbeiträge kommt nicht zur Ruhe

Bundesrechnungshof greift das Thema erneut auf

Logo Verbaendereport

Der Bundesrechnungshof (BRH) hat in einem Papier vom 16. Januar 2013 mit dem Titel „Chancen zur Sicherung des Umsatzsteueraufkommens – Vorschläge zur Umsetzung wichtiger Reformvorhaben bei der Umsatzsteuer“ auch die Frage nach der Umsatzsteuerpflicht von Mitgliedsbeiträgen wieder zur Diskussion gestellt.

Unter dem Rubrum „Umsatzbesteuerung von Vereinen“ hält der BRH eine Änderung des Umsatzsteuergesetzes für nötig. Zur Begründung bezieht sich der BRH auf das bekannte Golfclub-Urteil des EuGH vom 21.3.2002 (C-174/00, Kennemer Golf & Country Club).

Der BRH wertet dieses Urteil wie folgt: 

Nach diesem Urteil „unterliegen Leistungen von Vereinen an ihre Mitglieder der Besteuerung. Das deutsche Umsatzsteuerrecht sieht dagegen grundsätzlich keine Besteuerung vor. Im Ergebnis haben die Vereine ein Wahlrecht, wonach sie die Leistungen an ihre Mitglieder nach den Regelungen des nationalen Rechts oder nach den Regelungen des Gemeinschaftsrechts beurteilen können. Sie können so die für sie jeweils günstigste Besteuerungsvariante wählen.“

Unveröffentlichtes Bund-Länder-Papier

In der Tat hat es im Anschluss an dieses Urteil Überlegungen gegeben, die auf eine Änderung des deutschen UStG abzielten. Seit Anfang 2005 lag ein nicht veröffentlichtes Konzept von Bund und Ländern zur Anpassung des nationalen Umsatzsteuerrechts betreffend die Vereine vor. Bund und Länder hatten dieses Konzept aber bis Ende 2009 nicht umgesetzt. Vielmehr hatten sie die bisherige Regelung unter Hinweis auf noch zu klärende Anschlussfragen beibehalten.

Der BRH hatte im Jahr 2009 auf das nach seiner Auffassung bestehende finanzpolitisch untragbare angebliche Wahlrecht der Vereine hingewiesen und dem Bundesfinanzministerium empfohlen, unverzüglich auf die aus Sicht des BRH notwendigen Rechtsänderungen hinzuwirken. Dies sah auch der Rechnungsprüfungsausschuss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages so und forderte das Bundesfinanzministerium zu einer Stellungnahme auf.

Bundesfinanzministerium hält sich bedeckt

Im September 2010 antwortete das BMF, die Arbeiten zur Anpassung der deutschen Umsatzsteuerregelungen für Vereine an die Vorgaben des Unionsrechts hätten noch nicht abgeschlossen werden können. Die Erörterungen in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe würden fortgeführt. Diese Beratungen wurden im Frühjahr 2011 abgeschlossen. Das BMF berichtete, die Vertreter der obersten Finanzbehörden von Bund und Ländern hätten den erarbeiteten Vorschlägen zur Änderung des UStG und des USt-Anwendungserlasses im März 2011 zugestimmt. Die umfangreichen Änderungsvorschläge seien der Leitung des BMF zur Billigung zugeleitet worden.

Dann geschah eine Weile lang erst einmal nichts. Im Februar 2012 wurde das Thema nochmals durch die Abteilungsleiter (Steuer) erörtert. Im Juni 2012 berichtete das BMF, dass sich die Abteilungsleiter nunmehr mit den Vorschlägen beschäftig und diese im Grundsatz gebilligt hätten. Ob und wie diese umgesetzt werden sollten, werde im Hinblick auf die große Bedeutung der Vereine weiter intensiv geprüft, um ungewollte Folgen zu vermeiden. Dabei ist es bis jetzt geblieben.

Anmerkung

Die erwähnten Änderungsvorschläge sind bisher nicht öffentlich bekannt geworden. So ist auch nicht bekannt, ob z. B. die zwischenzeitlich gescheiterte Änderung der Umsatzbesteuerung von Seminaren ein Resultat dieser Änderungsvorschläge gewesen ist. Insgesamt ist festzustellen, dass sich die umsatzsteuerlichen Grundsätze, die für Mitgliedsbeiträge an Vereine gelten, durch das Kennemer-Golfclub-Urteil aus dem Jahre 2002 nicht geändert haben. Und das aus gutem Grund.

Denn dieses Urteil wird vom Bundesrechnungshof  unzutreffend ausgelegt. Der BRH unterlegt dem Urteil die allgemeine Aussage, dass Leistungen von Vereinen an ihre Mitglieder der Umsatzbesteuerung unterlägen – was inhaltlich richtig wäre. Das sagt das Urteil jedoch nicht. Der EuGH hielt sich streng an die Vorlagefragen, die da lauteten: Können Mitgliedsbeiträge der Umsatzsteuer unterliegen? Und falls ja: Gilt das auch, wenn das Mitglied die entsprechende Leistung nicht in Anspruch nimmt? Der EuGH hat beide Fragen bejaht. Was folgt daraus?

Der EuGH hat in dem fraglichen Urteil den Umstand berücksichtigt, dass in dem konkreten Fall die Vereinsmitglieder durch die Zahlung des Mitgliedsbeitrages die Berechtigung zur Nutzung des Golfplatzes erwarben. Der Mitgliedsbeitrag war in diesem speziellen Fall das Entgelt für die Einräumung der Nutzungsberechtigung. Der EuGH sah hier einen ganz normalen Fall eines Leistungsaustauschs, der nach allgemeinen Grundsätzen der Umsatzbesteuerung unterliegt. Der EuGH hat damit nur eine Selbstverständlichkeit ausgesprochen. Eine Diskrepanz zum deutschen Umsatzsteuerrecht liegt insoweit nicht vor.

Der EuGH hat in dem Kennemer-Golfclub-Urteil jedoch keine allgemeine Aussage zu der Frage getroffen, ob Mitgliedsbeiträge zu Vereinen generell der Umsatzbesteuerung unterliegen. Dazu bestand in dem speziellen Golfclub-Fall auch kein Anlass.

Kein Wahlrecht für Vereine!

Im Gegensatz zu der geschilderten Auffassung des BRH  besteht nach gegenwärtigem deutschem Umsatzsteuerrecht für die Vereine kein Wahlrecht, das je nach Opportunität in die eine oder andere Richtung ausgeübt werden kann. Speziell für die Mitgliedsbeiträge bleibt ausschlaggebend die Frage, wofür das Mitglied seinen Beitrag bezahlt. Bezahlt es, um dafür eine individuelle Einzelleistung des Vereins zu erhalten, liegt ein umsatzsteuerlicher Leistungsaustausch vor. Dieser kann – je nach Lage des Einzelfalles – umsatzsteuerbefreit sein. Bezahlt das Mitglied den Beitrag dagegen nicht für eine individuelle Leistung des Vereins, so kommt es gar nicht erst zu einem Leistungsaustausch. Es liegt dann kein umsatzsteuerbarer Vorgang vor. Das entspricht auch nach wie vor der im USt-Anwendungserlass niedergelegten Auffassung der deutschen Finanzverwaltung.

EuGH: Keine USt auf Mitgliedsbeiträge für Wahrnehmung allgemeiner Mitgliederinteressen 

Der EuGH selbst hat in einer späteren Entscheidung klargemacht, dass auch nach seiner Auffassung für die Umsatzsteuerbarkeit von Mitgliedsbeiträgen entscheidend ist, ob und inwieweit die Mitglieder ihre Vereinsbeiträge für die Wahrung ihrer individuellen Einzel-belange zahlen. In dem neueren Urteil vom 12.2.2009 (C-515/07, VNLTO), das zu einem niederländischen Berufsverband ergangen ist, hat der EuGH entschieden:

„Es steht außer Frage, dass Tätigkeiten wie die Wahrnehmung der allgemeinen Interessen der Mitglieder durch eine Vereinigung keine „der Mehrwertsteuer unterliegende“ Tätigkeiten im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie sind, da sie nicht in der entgeltlichen Lieferung von Gegenständen oder Erbringung von Dienstleistungen bestehen.“

(Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12.1.2006, Optigen u. a., C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Slg. 2006, I-483 Randnr. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung)

Klarer kann man es eigentlich nicht sagen. Mitgliedsbeiträge, die die Mitglieder für die Wahrnehmung ihrer allgemeinen Interessen an den Verein zahlen, haben folglich nicht den Charakter eines umsatzsteuerlichen Entgelts. Auf diesen Umstand ist möglicherweise auch zurückzuführen, dass das Bundesfinanzministerium den drängenden Forderungen des Bundesrechnungshofs bisher nicht nachgekommen ist. 

Artikel teilen:
Autor/in

Winfried Eggers

erlernte das „Steuerhandwerk” als Regierungsrat in der Verwaltung in NRW. Er war danach neun Jahre Finanzrichter beim Finanzgericht Köln. Bis Mitte 1998 war er in der Steuerabteilung des BDI tätig. Seither ist Dr. Eggers niedergelassener Anwalt mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Steuerrecht für Verbände und Organisationen in Köln.