Herr Müller ist bald 65 und freut sich auf seinen wohlverdienten Ruhestand. Da Herr Müller sehr gewis-senhaft ist, hat er vor über 30 Jahren privat vorgesorgt und eine kapitalbildende Lebensversicherung abgeschlossen. Diese läuft nun bald aus, und er freut sich auf das zusätzliche Einkommen
Herr Müller ist bald 65 und freut sich auf seinen wohlverdienten Ruhestand. Da Herr Müller sehr gewissenhaft ist, hat er vor über 30 Jahren privat vorgesorgt und eine kapitalbindende Lebensversicherung abgeschlossen. Diese läuft nun bald aus, und er freut sich auf das zusätzliche Einkommen. Doch dann erhält Herr Müller eine Nachricht seiner Versicherung:
„Sehr geehrter Herr Müller, auf Grund von geringen Erträgen auf dem Aktienmarkt, starken Schwankungen auf dem Rentenmarkt, unerwartet hohen Stornoquoten, zusätzlichen Auszahlungen aufgrund einer höheren Lebenserwartung und aktuellen Gesetzesreformen können wir Ihnen die garantierte Ablaufleistung Ihrer Lebensversicherung nun leider nicht vollständig ausbezahlen. Das von Ihnen angelegte Geld ist leider teilweise aufgezehrt...“
Unvorstellbar? Natürlich! Denn damit solche existenzbedrohenden Situationen nicht eintreten, gibt es Aktuare.
Aktuare sind die finanzmathematischen „Sicherheitsingenieure“
Aktuare sind Experten, die mit mathematischen Methoden der Wahrscheinlichkeitstheorie und der Statistik finanzielle Unsicherheiten in den Bereichen Versicherung, Bausparen, Kapitalanlage und Altersversorgung bewerten. Hierbei ist nicht nur das Problem unsicherer zukünftiger Geldflüsse über sehr lange Laufzeiten zu betrachten, sondern ein Aktuar muss auch immer das rechtliche, wirtschaftliche und unternehmensinterne Umfeld der Anbieter von Versicherungs- und Finanzprodukten berücksichtigen. Mit ihrer Fachkenntnis arbeiten Aktuare im Wesentlichen für Versicherungen, betriebliche und berufsständische Pensionseinrichtungen, Banken, Investmentgesellschaften, Bausparkassen und Beratungsunternehmen, aber auch für Verbände, Behörden, Ministerien oder als selbstständige Sachverständige.
Die berufsständische Vertretung dieser versicherungs- und finanzmathematischen „Sicherheitsingenieure“ ist die Deutsche Aktuarvereinigung – DAV. Satzungsgemäße Ziele sind vor allem die Sicherstellung und Förderung der fachkundigen Tätigkeit, die Durchsetzung eines einheitlichen Berufsbildes und die Interessenvertretung der Aktuare gegenüber Politik, Versicherungs- und Finanzaufsicht, Öffentlichkeit und Unternehmen. Um ein verantwortungsvolles Verhalten aller Mitglieder zu gewährleisten hat der Verband eigene Standesregeln und eine Disziplinarordnung verfasst, denen sich jedes Mitglied bei Eintritt in die Vereinigung verpflichtet. Die Gremien des Verbandes erarbeiten darüber hinaus regelmäßig „aktuarielle Fachgrundsätze“ mit unterschiedlicher Verbindlichkeit.
„Das einleitende Beispiel von Herrn Müller verdeutlicht sicherlich ganz plakativ die Selbstverständlichkeit, mit der ein Kunde auf die Erfüllung eines Versicherungsversprechens setzt und somit auf eine professionelle Tätigkeit des Aktuars im Unternehmen angewiesen ist“ so Michael Steinmetz, Geschäftsführer der DAV. In der bei den Deutschen traditionell besonders beliebten Lebensversicherung sind Aktuare neben der Prämienkalkulation und der Ermittlung der jährlichen Überschussbeteiligung auch für die dauerhafte Erfüllung des Versicherungsversprechens zuständig. Sie sorgen für das „sicher“ in der Versicherung.
Besonders hervorgehoben und seit 1994 im Versicherungsaufsichtsgesetz verankert ist dabei der „Verantwortliche Aktuar“, der für jedes Versicherungsunternehmen mit Produktangeboten in den Sparten der Personenversicherung, u.a. also auch für die private Rentenversicherung und Krankenversicherung, nach Abstimmung mit der staatliche Aufsichtsbehörde durch den Aufsichtsrat des Unternehmens ernannt wird. Im Rahmen seiner Tätigkeit bestätigt der Verantwortliche Aktuar persönlich die jederzeitige Finanzierbarkeit der Verträge und die langfristige Sicherheit des Unternehmens. Er dient somit vor allem dem Kundenschutz. Auch in anderen Bereichen sorgt der Aktuar für die Einhaltung der Versicherungszusage. In der Schadenversicherung ist er für die Angemessenheit der zu bildenden Reserven zuständig, was bei langen Laufzeiten und nur schwer abzuschätzenden Ereignissen, wie Terroranschlägen oder Naturkatastrophen, komplizierte mathematische Modelle voraussetzt.
Der Verband in Zahlen
Die 1994 gegründete DAV fasst in Deutschland die Aktuare aller Tätigkeitsbereiche zusammen. Sie ist dabei nicht nur organisatorisch eine junge Vereinigung, 45 Prozent der aktuell über 2.800 Mitglieder sind zwischen 25 und 40 Jahren alt, weitere 30 Prozent sind zwischen 41 und 50.
Der Vorstand ist mit seinen 20 Mitgliedern ausschließlich ehrenamtlich tätig und wird durch eine hauptamtliche Geschäftsstelle mit neun Mitarbeitern unterstützt. In fast 50 spartenspezifischen und spartenübergreifenden Ausschüssen, Arbeitsgruppen und Kommissionen sind über 250 Aktuare ehrenamtlich aktiv.
Strenge Aufnahmekriterien
Damit alle Mitglieder nachweislich über das notwendige Fachwissen verfügen, ist der Aufnahme in die DAV ein dreistufiges Prüfungssystem vorgeschaltet. Nach einem Hochschulstudium in Mathematik müssen berufsbegleitend elf Grundwissen- und eine Spezialwissenprüfung absolviert werden. Im international vereinbarten Fächerkanon werden neben aktuariellen Kernbereichen auch Kenntnisse in Rechtsfragen, Volks- und Betriebswirtschaftslehre sowie in der wert- und risikoorientierten Unternehmenssteuerung verlangt. Momentan befinden sich ca. 1.600 Personen im vereinseigenen Prüfungssystem zum Aktuar, jährlich melden sich ca. 250 Personen an, so dass sich das seit 1994 beobachtete Mitgliederwachstum fortsetzen wird.
Die DAV ist damit eine der mitgliederstärksten Aktuarvereinigungen weltweit. Auf europäischer Ebene organisieren sich die Aktuarvereinigungen in der Groupe Consultatif Actuariel Européen und weltweit in der International Actuarial Association. In beiden Organisationen ist die DAV mit Unterstützung ehrenamtlicher Delegierter in über 20 Gremien aktiv. Behandelt werden u.a. aktuarielle Fragen rund um das neue europäische Aufsichtsmodell für Versicherungsunternehmen „Solvency II“ oder zur internationalen Rechnungslegung.
Besonders in Mittel- und Osteuropa wächst der Bedarf an qualifizierten Aktuaren rasant. Seit 2002 unterstützen die Aktuarvereinigungen aus Österreich, der Schweiz, den Niederlanden und Deutschland gemeinsamen einen kontinuierlichen Wissenstransfer in diese Länder, inzwischen haben bereits 13 Weiterbildungsseminare zu verschiedenen aktuariellen Fragestellungen stattgefunden. Zur weiteren Intensivierung dieser Aktivitäten wurde kürzlich die „European Actuarial Academy (EAA)“ gegründet, deren komplette Administration über die Geschäftsstelle der DAV erfolgt. Im Beirat der EAA sind 20 Vertreter nationaler Aktuarvereinigungen integriert, die maßgeblich das neue englischsprachige Ausbildungsangebot mitgestaltet haben. Seit Januar 2007 laufen die ersten beiden Module des aus 15 Teilfächern bestehenden Ausbildungsgangs. Die Initiatoren setzen hierbei auf ein modernes Konzept mit 16- bis 32-stündigen E-Learning-Kursen – ein Modellprojekt, das als Musterbeispiel für eine verbandsseitig organisierte berufliche Qualifizierung in Europa gelten kann.
Neben der strengen Aufnahmeprüfung für neue Mitglieder hat die DAV mit Beginn des Jahres 2007 ein formalisiertes Weiterbildungshandbuch mit zeitlichen und inhaltlichen Empfehlungen für die persönliche Fortbildung aller aktiven Verbandsmitglieder eingeführt. „Als berufsständische Vereinigung werden wir unseren Mitgliedern eine fachliche Fortbildung mit einem speziellen Zertifikat bestätigen; ein starkes Asset gegenüber dem Arbeitgeber oder der Aufsicht, aber auch für den persönlichen Berufsweg“, so Michael Steinmetz zu den Vorteilen des neuen Weiterbildungsprogramms.
Passend zu diesen Empfehlungen bietet die Deutsche Aktuar-Akademie GmbH (DAA) ein umfangreiches Angebot an Weiterbildungsseminaren an. Gleichzeitig werden jährlich über 50 Vorbereitungsveranstaltungen für die Prüfungen zur Mitgliedschaft in der DAV durchgeführt. Insgesamt steht ein Dozententeam von ca. 70 Experten zur Verfügung, welches sich vor allem aus dem Mitgliederkreis rekrutiert.
Im Mittelpunkt der zahlreichen Vereinsaktivitäten steht eine dreitägige Jahrestagung der DAV an der jeweils über 1.000 Vereinsmitglieder und interessierte Gäste teilnehmen. „Neben den internen Aktivitäten eines Berufsverbandes ist es natürlich auch wichtig, den Beruf des Aktuars so in der Öffentlichkeit zu etablieren, dass wir als unabhängige Experten in politische Entscheidungsprozesse einbezogen werden“, stellt der Vorsitzende der DAV, Norbert Heinen, einen weiteren Schwerpunkt der Verbandsarbeit heraus. Zu den wichtigen Fragestellungen der letzten Zeit zählt die Reform des Versicherungsvertragsgesetzes mit intensiven Diskussionen zu einer fairen Rückkaufswertregelung für vorzeitig gekündigte Verträge und einer angemessenen Beteiligung der Kunden an stillen Reserven des Versicherungsunternehmens. Ein tagesaktueller, kürzlich neu gestalteter Internetauftritt, eine vierteljährliche Mitgliederzeitschrift mit Fachartikeln und Berichten zu Aktivitäten sowie der „Aktuar aktuell“ als allgemeines Informationsmedium zu wichtigen aktuariellen Themen begleiten die Kommunikationsarbeit des Verbandes, die dazu beitragen soll, die Rolle des Aktuars für die Sicherheit der Versicherungsprodukte und die Stabilität des Finanzplatzes Deutschland weiter bekannt zu machen. Damit auch Herr Müller weiß, wie wichtig dieser Berufsstand für seinen wohlverdienten Ruhestand ist.