Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, was ein Verband tun kann, wenn die betreffende Branche nicht die angemessene Wertschätzung seitens Kunden, Nachwuchs und interessierter Öffentlichkeit er
Die Ausgangslage: Wenig Wertschätzung
Man kann sich diesem Thema auf vielerlei Art nähern. Beispielsweise, indem man Studierende mit Marketing-Schwerpunkt fragt, inwieweit sie das Buch „39,90“ von Frédéric Beigbeder beziehungsweise den darauf beruhenden Film für Abbilder der Realität halten. Der Roman des Franzosen stellt Werbeagenturen als Hort von Dummheit und Hedonismus dar, beschreibt Werber als drogenabhängige Narzissten und ihre Kunden als autoritäre Einfaltspinsel, der Film übertreibt hier noch zusätzlich. Film und Buch haben mit der heutigen Realität in den Kommunikationsagenturen so viel zu tun wie Nordkorea mit Demokratie. Umso erschreckender, dass die Mehrzahl der Studierenden tatsächlich glauben, Beigbeders Beschreibung sei zutreffend. Und nicht nur sie haben ein schiefes Bild von der Branche, wie ein Blick in einschlägige Ranglisten zeigt. Egal, ob man die Liste der vertrauenswürdigsten Berufsbilder oder diejenige der beliebtesten Arbeitgeber anschaut, Agenturen rangieren in aller Regel weit hinten, wenn sie überhaupt genannt werden.
So weist beispielsweise die GFK-Rangliste der Berufe, die in der Bevölkerung das größte Vertrauen genießen, die „Werbeleute“ auf dem vorletzten Platz aus (siehe Abbildung 1). Ähnlich sieht es aus, wenn man das Ranking des Marktforschungsunternehmens Trendence betrachtet, das sich den beliebtesten Arbeitgebern von Studierenden der Wirtschaftswissenschaften widmet. Die Liste weist mehr als ein Dutzend Unternehmensberatungen aus, aber nur zwei Agenturen. Und selbst diese beiden Eintragungen sind kritisch zu sehen: Die eine Agentur verfügt auch über einen starken Unternehmensberatungs-Zweig, die andere trägt zwar einen klangvollen Namen, hat jedoch am Markt wegen existenzieller wirtschaftlicher Schwierigkeiten praktisch keine Bedeutung mehr.
Und das trifft die Branche natürlich am härtesten, auch die Wertschätzung der Kunden für ihre Kommunikationsdienstleister hat deutlich nachgelassen. Dazu später mehr.
Wie kommt es zu einer solchermaßen geringen Anerkennung für eine Branche? Dies genau zu beantworten, ist schwierig. An der Relevanz der Dienstleistung der Agenturen liegt es jedenfalls nicht – diese ist wahrscheinlich nie höher gewesen als heute. Denn Marketing-Kommunikation ist ein immer schwieriger zu bestellendes Feld. Vergleicht man beispielsweise das Angebot der Kommunikationskanäle heute mit dem von vor zwanzig Jahren, so kommt einem diese Zeit, als Fernsehen, Print und ein wenig Außen- und Radiowerbung die komplette Palette der Marketing-Kommunikation darstellten, beinahe idyllisch vor. Heute ist das Angebot allein in den Neuen Medien unüberschaubar und außerdem extrem dynamisch. Zudem sind die Konsumenten heterogener als früher und, was ihr Mediennutzungsverhalten angeht, deutlich sprunghafter. Gerade in den Online- und mobilen Medien bewegen sich die verschiedenen Zielgruppen äußerst dynamisch. Gestern noch war Second Life ein Thema, heute ist die virtuelle Welt zumindest hierzulande nahezu ausgestorben. Social Media ist gegenwärtig in aller Munde, aber schon kommen neue Online-Angebote wie Foursquare und machen den Etablierten die Aufmerksamkeit des Konsumenten streitig. Es braucht tiefe Expertise über die Zielgruppe und deren Mediennutzungsverhalten, um Marketing-Kommunikationsziele zu erreichen. Und es braucht Kreativität, um die richtigen Ideen zu entwickeln. All dies ist in den GWA-Agenturen reichlich vorhanden.
Vorurteile prägen das Bild
Wenn jedoch die Dienstleistung relevant ist, was sind dann die Gründe für die geringe Wertschätzung der Branche? Ein wichtiger Grund liegt im Kenntnisstand der Beteiligten: Das schlechte Zeugnis wird den Agenturen häufig auf Grundlage von längst überholten Klischees vergeben. Etwa solchen: Werber sind Künstler ohne betriebswirtschaftlichen Sachverstand, Werbung entsteht unter Alkohol- und Drogeneinfluss, Werber haben eher Auszeichnungen auf einschlägigen Festivals wie etwa dasjenige in Cannes im Blick als den Erfolg ihrer Kunden, Agenturen sind Horte der Ausbeutung, in denen Heerscharen von Praktikanten praktisch unentgeltlich die Arbeit machen, während die Inhaber Golf spielen oder die Latifundien auf den Balearen verwalten. Wie jedem Vorurteil wohnt auch diesen Klischees ein Fünkchen Wahrheit inne, allerdings liegt diese Wahrheit mindestens zwanzig Jahre zurück. Agenturen heutiger Prägung haben damit nichts zu tun.
Nehmen wir einige dieser Vorurteile genauer unter die Lupe, beginnen wir mit der Personalstruktur. In Agenturen, so die herrschende Meinung, arbeiten junge unterbezahlte Studienabbrecher und andere Quereinsteiger. Bis auf das mit 34 Jahren tatsächlich geringe Durchschnittsalter trifft der Rest nicht zu. Zum einen weist die Branche laut der Ergebnisse einer aktuellen GWA-Studie einen überraschend hohen Akademisierungsgrad auf: Gut zwei Drittel der Mitarbeiter in den GWA-Agenturen verfügen danach über einen Hochschulabschluss. Zudem bezeichnen 83 Prozent der Befragten ihren Ausbildungsweg als „fachspezifisch“ – gerade einmal drei Prozent der Agentur-Mitarbeiter lassen sich tatsächlich als Quereinsteiger einstufen.
Auch das Klischee, Agenturen würden ihre Mitarbeiter ausbeuten und schlecht bezahlen, stimmt bei Lichte betrachtet nicht. Laut einer Studie der Agentur -BBDO liegen die Einstiegsgehälter in der Werbung nur geringfügig unterhalb derjenigen vergleichbarer Positionen in anderen Branchen. Zudem greift der Vergleich von Einstiegsgehältern zu kurz. Gerade in Agenturen sind steile Karrieren mit großen Gehaltssprüngen in vergleichsweise kurzer Zeit keine Seltenheit. Und Hinweise auf Ausbeutung gab zumindest die GWA-Studie nicht – die Arbeitszufriedenheit wurde von allen Befragten, auch von den Praktikanten, als hoch bewertet – und das im Krisenjahr 2009.
Daneben gibt es kaum Transparenz hinsichtlich der Arbeitsprozesse in Agenturen, was zu weiteren Vorurteilen vor allem auf Kundenseite führt. Das Klischee, Kampagnen entstünden in einem relativ freien künstlerischen Prozess, bei dem die Beteiligten allenfalls einen Seitenblick auf betriebswirtschaftliche Fragen werfen, ist so wenig zutreffend wie unausrottbar. -Dies führt in vielen Unternehmen zu einer realitätsfernen Einschätzung des Werts der Dienstleistung ihrer Agenturen. Hinzu kommt, dass auch die Wertschätzung der Marketing-Funktion auf Unternehmensseite in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen hat. Kaum ein Unternehmen leistet sich einen Marketing-Vorstand, in nur wenigen Unternehmen sind wirklich sämtliche Instrumente des Marketingmix in einer Stelle integriert. Im Ergebnis wird Marketing-Kommunikation als Kostenposition und damit Streichposten gesehen, nicht aber als Investition. Hier tun sich vor allem die immer häufiger bei der Agenturauswahl und Vertragsverhandlungen involvierten Einkaufsabteilungen von Unternehmen unrühmlich hervor. Dabei zeigen beispielsweise die beim GWA Effie eingereichten Kampagnen, welche enormen positiven Effekte auf Marktergebnisse Marketing-Kommunikation haben kann.
Ein weiterer wichtiger Faktor, der für die vergleichsweise geringe Relevanz und Wertschätzung der Branche eine gewichtige Rolle spielt, ist die in der Vergangenheit relativ marginale Rolle, die die Branche in wichtigen Entscheidermedien und an Hochschulen gespielt hat. Hier sind andere Dienstleister, allen voran die Unternehmensberater, der Agenturbranche noch voraus. Die Pressearbeit der Agenturen und des Verbandes richtete sich in der Vergangenheit schwerpunktmäßig an die einschlägigen Branchentitel wie „Werben & Verkaufen“ und „Horizont“, wohingegen systematische PR in Richtung Wirtschaftspresse nur in wenigen Agenturen erfolgt. Genau hier liegt der Ansatzpunkt für Schritte, mit denen der GWA der Branche wieder zu höherer Wertschätzung verhelfen möchte.
Öffentlichkeitsarbeit als zentrale Verbandsaufgabe
Aus den genannten Befunden ergibt sich ein klarer Auftrag an den Verband und die Mitgliedsagenturen. Mittels des Instrumentariums der Öffentlichkeitsarbeit müssen Klischees korrigiert und Fakten möglichst breit kommuniziert werden. Damit verbunden ist ein umfassendes Aufgabenpaket für den Verband: Es muss eine PR-Strategie formuliert werden, inklusive Kernbotschaften, Zielgruppendefinition, Erfolgskontrollen. Es müssen, wo nicht vorhanden, Kontakte in die relevanten Medien hergestellt und gepflegt werden. Es muss ein Prozess installiert werden, der für einen stetigen Fluss an Themen sorgt, die auf die in der PR-Strategie formulierten Ziele einzahlen.
Der GWA versteht sich auch als „ausgelagerte Pressestelle“ seiner Mitglieder, solange es um die Vermittlung übergeordneter Themen geht, die der Branche insgesamt nutzen. Dabei kommt ein Instrumentarium zum Einsatz, das im Wesentlichen aus folgenden Elementen besteht:
Kontaktaufbau und -pflege zu Journalisten
Es geht nichts über persönliche Kontakte. Pressearbeit beginnt demnach mit dem Aufbau eines Netzes von Kontakten zu den relevanten Redakteuren. Diese sind zunächst zu identifizieren, anschließend empfiehlt sich die persönliche Kontaktaufnahme. Auf diese Weise kann man gegenseitige Erwartungen abklopfen und ein Gespür für Themen entwickeln, die jeweils von Interesse sind. Die Kommunikation mit den wichtigsten Journalisten gehört beim GWA mittlerweile zum Tagesgeschäft. Und tatsächlich ist mittlerweile ein echter Dialog entstanden: Journalisten greifen Themen auf, die wir anregen, kommen aber von sich aus auf uns zu, wenn sie Unterstützung bei der Recherche benötigen.
Systematisches Themen-Management
Es gibt ein Themenangebot auf Agenturseite, es gibt Nachfrage nach Themen aufseiten der Medien. Häufig jedoch finden beide Seiten nicht zueinander. Der GWA sieht es als seine Aufgabe an, beides zur Deckung zu bringen. Wir versuchen permanent, Themen zu identifizieren, die aus Sicht von Journalisten und damit letztlich von Lesern relevant sind, diese aufzubereiten und den Medien anzubieten – mit großem Erfolg. Voraussetzung hierfür ist, dass in der Geschäftsstelle die notwendige journalistische Kompetenz vorhanden ist. Themen müssen als solche erkannt und entsprechend adressiert werden. Hier liegt der Schlüssel zum Erfolg der Öffentlichkeitsarbeit auch von Verbänden.
Vermittlung von Ansprechpartnern
Journalisten brauchen ein Netz aus Gesprächspartnern, die sie im Zuge der Recherche unterstützen und mit dem nötigen Input versorgen. Dieses Kontaktnetz können Verbände in fast idealer Weise zur Verfügung stellen. Wir kennen unsere Mitglieder und wissen, wer zu welchem Thema etwas sagen kann. Das hilft beiden Seiten – den Journalisten, aber auch den Mitgliedsagenturen. Zu dieser Aufgabe gehört auch, für eine reibungslose Kommunikation zwischen Journalisten und Gesprächspartnern zu sorgen. Diese sollten gut erreichbar sein, kein übermäßiges Aufheben um die Abstimmung von Zitaten machen und Ähnliches mehr. Ein wenig Coaching der Gesprächspartner aus den Mitgliedsunternehmen ist hier sehr hilfreich. Journalisten schätzen Experten, die schnell fundierte Antworten geben und im Umgang unkompliziert sind. Solche Gesprächspartner werden immer wieder angesprochen.
Studien
Einer der Königswege in die Entscheidermedien ist der über Studien. Obwohl Journalisten häufig eine Art Hassliebe zu solchen Untersuchungen verbindet, nutzen sie diese doch immer wieder für die eigene Berichterstattung. Ergebnisse von Studien haben etwas Objektives und haben per se einen Nachrichtenwert, erst recht, wenn die Resultate Überraschendes zeigen. Ein Verband ist hier als Absender erheblich glaubwürdiger als beispielsweise ein Unternehmen, da er nicht in gleichem Maße im Verdacht steht, mit der Studie eigene wirtschaftliche Interessen zu verfolgen. Er wird als vergleichsweise neutral wahrgenommen. Wir haben mit mehreren Studien gute Erfolge in der Presse erzielt. Neben unseren regelmäßig erhobenen Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung haben wir Studien beispielsweise zur Personalstruktur in den Agenturen oder zur Agentursuche von Unternehmen aufgesetzt. Übrigens hat sich erwiesen, dass man auch im Verbands-Tagesgeschäft immer wieder auf die Ergebnisse der Untersuchungen zurückgreifen kann.
Presse-Roundtables
Podiumsdiskussionen oder Gesprächsrunden, die ein relevantes Thema behandeln, bilden einen weiteren wichtigen Kommunikationsanlass. Wichtig ist auch hier, die Kernbotschaften nicht aus den Augen zu verlieren, wenn es um die Themenwahl geht. Erfolgsentscheidend ist neben der Themenwahl die Zusammensetzung des Podiums. Der GWA hat im vergangenen Jahr mehrmals zu solchen Anlässen eingeladen, beispielsweise zu Themen wie „Geschäftsmodelle von Agenturen in der Zukunft“ oder „Erfolgsabhängige Vergütung von Kommunikationsagenturen“. Möglich ist, diese Foren offen zu gestalten und eine große Zahl von Journalisten einzuladen, möglich ist aber auch, eine solche Gesprächsrunde gezielt mit einem Medium zu veranstalten. Beides hat sich bewährt. Ersteres bringt in der Regel eine breite, aber weniger tiefe Berichterstattung, im letzteren Fall verhält es sich umgekehrt.
Zu diesen Instrumenten treten zahlreiche andere, etwa die Vermarktung von Veranstaltungen. Im Falle des GWA ist dies vor allem der GWA Effie, die Auszeichnung für besonders effektive und effiziente Marketing-Kommunikation. Die Einbeziehung solcher Veranstaltungen in die Pressearbeit will wohlüberlegt sein. So berichten viele Entscheidermedien grundsätzlich nicht über Preisverleihungen. Die Auswertung des Marktforschungs-Materials, das der Jurierung beim Effie zugrunde liegt, bringt jedoch ausreichend Stoff, um auch Wirtschaftsmedien zu interessieren.
Wichtig: Kernbotschaften definieren!
Inhaltlich stellt die PR-Strategie des GWA auf Kernbotschaften ab, die immer wieder mit Inhalten aufgeladen werden müssen, die wiederum als Themenangebote an Journalisten der Entscheidermedien zu vermitteln sind. Die Botschaften stellen auf die Wertigkeit der Dienstleistung von Agenturen sowie auf deren Attraktivität als Arbeitgeber ab. Es ist wichtig, solche Botschaften zu formulieren, da ansonsten die Gefahr des Verzettelns gegeben ist. Zudem geben sie eine Orientierung bei der Themensuche in den Mitgliedsagenturen.
Nach einem knappen Jahr hat die Pressearbeit des Verbandes bereits einige Früchte getragen. Zahlreiche Artikel beispielsweise in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, im Handelsblatt, in der Zeitschrift „Absatzwirtschaft“ sind erschienen, der Kontakt zu den relevanten Journalisten ist regelmäßig und intensiv, die Geschäftsstelle des GWA immer wieder erster Anlaufpunkt bei der Recherche. Davon profitieren große wie kleine Mitgliedsagenturen. Und obwohl man die in der Vergangenheit verlorene Reputation der Branche nicht über Nacht zurückgewinnen kann, leistet die Pressearbeit hier einen wichtigen Beitrag, wenn sie konsequent und nachhaltig verfolgt wird. Ein schöner Nebeneffekt besteht darin, dass sie einen nachweisbaren Nutzen für die Mitgliedsunternehmen bringt. Wir werden diesen Weg daher konsequent fortsetzen.