Welche Entwicklung die elektronische Verwaltung nehmen wird, hat kürzlich Gerhard Schempp, Vorsitzender der Geschäftsführung der Elektroniksystem- und Logistik GmbH (ESG) in München auf der Jahrespressekonferenz der Landesstelle Bayern des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) dargelegt. Verbändereport bringt Auszüge aus seinem Bericht.
Das Zusammenwachsen der Weltwirtschaft macht eine innovative Positionierung der öffentlichen Hand unverzichtbar. Die Effizienz der öffentlichen Verwaltung wird damit zu einem wichtigen Standortfaktor. Mittlerweile hat man auch in Deutschland erkannt, dass Wirtschaftswachstum und Beschäftigung stark davon abhängen, wie effizient und schnell der Staat Dienstleistungen erbringen kann.
E-Business
E-Business ist das neue Zauberwort in der Wirtschaft. Gemeint ist damit nicht allein die Umstellung aller wichtigen Prozesse in einem Unternehmen durch digitale Medien, sondern vor allem die Tatsache, dass die Informationstechnologie selbst integrierender, ja tragender Bestandteil dieser Prozesse wird. Einige Zahlen machen die Bedeutung von E-Business deutlich:
1999 wurde mit dem elektronischen Business weltweit ein Umsatz von 180 Milliarden Euro erzielt – das sind 140 Prozent mehr als im Vorjahr. Man schätzt, dass allein der Online-Markt bis zum Jahr 2004 ein Wachstumspotenzial von weltweit 2,7 Billionen US-Dollar birgt.
Netzwirtschaft
Spätestens in fünf Jahren prognostiziert die Gartner Group eine komplett vom Internet geprägte Wirtschaft. Schon heute merken wir, dass durch den Einsatz von E-Business entscheidende Marktvorteile gegenüber Mitbewerbern erzielt werden. Der Zentralverband der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) sieht den Ausbau von E-Business als Überlebensfrage für unsere Wirtschaft – und das gilt auch für kleine und mittelständische Unternehmen.
E-Government als Teil des E-Business
Große Bedeutung kommt der Umstellung auf elektronische Medien auch im Verwaltungsbereich zu. Standortattraktivität, qualifizierte Arbeitsplätze und zunehmend auch der Wohlstand einer Kommune werden abhängig von der jeweiligen Infrastruktur an Informations- und Kommunikationstechnologien. Das Zusammenwachsen der Weltwirtschaft macht eine innovative Positionierung der öffentlichen Hand unverzichtbar. Die Effizienz der öffentlichen Verwaltung wird damit zu einem wichtigen Standortfaktor. Analog zum Begriff E-Business spricht man im öffentlichen Bereich von E-Government. Dieser Begriff ist in den letzten Monaten nicht zuletzt deshalb in aller Munde, weil man mittlerweile auch in Deutschland erkannt hat, dass Wirtschaftswachstum und Beschäftigung stark davon abhängen, wie effizient und schnell der Staat Dienstleistungen erbringen kann. Ein einfaches Beispiel: Für ein Unternehmen kann es ganz entscheidend sein, ob es eine Baugenehmigung oder eine Nutzungsänderung in drei Tagen oder in drei Monaten erhält.
Das wachsende Interesse von Unternehmensberatern wie KPMG und Andersen Consulting an E-Government illustriert seine Bedeutung. Vermutlich in drei, spätestens in fünf Jahren, so die Prognosen, wird E-Government die Verwaltung genauso revolutionäre verändern wie E-Business die Weltwirtschaft schon heute. Städte und Gemeinden entwickeln sich von bürokratischen Einrichtungen hin zu einem „Kommunikationsraum“ für Wirtschaft und Bürger, zu kommunalen Dienstleistungsunternehmen.
Vorteile des E-Government
Die Vorteile für die Behörden sind neben Transparenz, Effizienz vor allem höhere Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit durch mehr und qualitativ bessere Dienstleistungen für Wirtschaft und Bürger durch beschleunigte Prozesse und, last not least, Kosteneinsparungen.
Allein in diesem Jahr wird der amerikanische Haushalt durch zentrale Beschaffung via Web und durch den Handel der Behörden untereinander rund 1 Milliarde US-Dollar einsparen. Die Vernetzung der ersten Verwaltungen in Frankreich hat die Produktivität dort um 30 Prozent gesteigert.
Dimensionen des E-Government
Was kann man sich nun konkret unter E-Government vorstellen? Je nach beteiligten Partnern an diesem Prozess sind mehrere Beziehungen denkbar:
Erstens: A2A (administration-to-administration)-Beziehungen. Ein Beispiel dafür ist der elektronische Datenaustausch von Einwohnermeldeämtern bzw. der Aufbau von Intranets innerhalb einer Behörde.
Zweitens: A2B (administration-to-business)-Beziehungen. Ein Beispiel dafür sind Ausschreibungen für öffentliche Bauvorhaben im Netz.
Drittens: A2C (administration-to-citizen)-Beziehungen. Sie umfassen alles, was die Behörden dem Bürger an Dienstleistungen anbieten. Ein gutes Beispiel dafür ist das bereits existierende Angebot des Arbeitsamtes, sich im Internet Stellenangebote anzuschauen. Denkbar sind auch E-Taxes, also die Möglichkeit, über das Internet eine Steuererklärung abzugeben, oder sogar E-Vote, also Wahlen über das Internet.
E-Government noch auf der Standspur
Noch befindet sich das E-Government im Vergleich zum E-Business eher auf der Standspur der Datenautobahn. Dazu ein paar Zahlen aus einer KPMG-Studie: Nur in jeder fünften Behörde (21 Prozent) haben alle Mitarbeiter Zugriff aufs Internet, und nur in gut zwei Dritteln (69 Prozent) besitzt jeder Mitarbeiter eine eigene E-Mail-Adresse. Jede zehnte Behörde hat sogar nur eine einzige zentrale E-Mail-Adresse.
Gerade die Hälfte aller nationalen Behörden (51 Prozent) führen mittlerweile Pilotprojekte durch oder praktizieren bereits virtuelle Verwaltung. Entsprechend sehen sich knapp zwei Drittel der nationalen Behörden (60 Prozent) als Nachzügler im Vergleich zu internationalen Behörden.
Hemmfaktoren
Gehemmt wird die Entwicklung im Augenblick vor allem durch die Angst vor Sicherheitslücken im Datenschutz, den auch in der Wirtschaft deutlich spürbaren Mangel an IT-Fachkräften, durch eine geringe Kenntnis der Materie gerade bei Führungskräften sowie die Einstiegskosten.
Allein die Kosten für die Digitalisierung der Kommunen werden auf einen dreistelligen Millionenbetrag geschätzt. Ein Blick ins europäische Ausland zeigt, dass in Großbritannien E-Government ein zentrales Thema in der Politik von Tony Blair ist. Dort sollen bis 2005 sämtliche Verwaltungsleistungen im Internet abzurufen sein. Im vergangenen Jahr wurden bereits rund 20 Prozent aller Steuererklärungen dort digital eingereicht. Diese Zahlen zeigen, welches Potenzial dieser Markt auch in Deutschland in absehbarer Zeit aufweist.
Initiative D21
Das Ziel, alle Internetfähigen Dienstleistungen der Verwaltung bis zum Jahre 2005 online bereitzustellen, hat sich mittlerweile auch die Bundesregierung gesetzt. Die Initiative Bund-Online-2005 ist ein Teil der Verwaltungsreform, die in den Koalitionsvereinbarungen festgeschrieben ist.
Daneben wurde auf Bundesebene vor mittlerweile einem Jahr unter dem Titel „D21“ eine groß angelegte Initiative ins Leben gerufen. Zu dieser Initiative haben sich Unternehmen aller Branchen – mittlerweile sind es weit über 100 – unter der Schirmherrschaft des Bundeskanzlers zusammengeschlossen. Ziel ist es, gemeinsam mit dem Staat bis zum Jahre 2002 den Übergang Deutschlands in die Informationsgesellschaft zu schaffen.
Als besonderes Ziel hat sich die Initiative D21 gesetzt, den Staat in eine Vorreiterrolle beim Einsatz von IuK-Technik zu bringen, um damit Impulse an die Wirtschaft zu geben. Das entstehende Verwaltungsportal „www.bund.de“ soll Bund, Länder und Gemeinden – also den gesamten Staatsaufbau – abbilden. Großer Vorteil dieses „one stop government“ ist die Möglichkeit, über ein Portal mehrere virtuelle Behördengänge zu ermöglichen.
Daneben soll die Sicherheit im Netz – einer der großen Hemmschuhe von E-Government – verbessert werden. Schließlich wird an Möglichkeiten für eine bessere Beteiligung der Bürger gearbeitet, beispielsweise durch Online-Wahlen, die übrigens in den USA schon 2004 in allen 50 Bundesstaaten möglich sein werden.
E-Government: Umfrage unter Rathäusern
Wo man heute oft noch lange in den Fluren warten muss, wird morgen möglicherweise per Internet möglich sein: Der Verkehr mit den Behörden. Die PWC Deutsche Revision 2000 hat soeben eine Umfrage unter 90 Städten zu den Chancen des so genannten E-Government durchgeführt. Das Meinungsbild der Kommunen ergibt sich aus folgender Tabelle.
Bedeutung des Internet in Prozent
Meldewesen |
96 |
Antragswesen |
93 |
Auskunftswesen |
91 |
Ausschreibungen |
89 |
Elektronische Marktplätze |
83 |
Genehmigungsverfahren |
78 |
Stellenbesetzungen |
71 |
Gebühren und sonstige Abgaben |
62 |
Beschaffungswesen |
61 |
Wahlen |
55 |
Allgemeines Verwaltungsverfahren |
38 |
Akteneinsicht |
28 |
E-Demokratie soll die politische Arbeit transparenter machen
Mit einem Pilotprojekt „E-Demokratie“ sollen neue Formen der Kommunikation zwischen den Fraktionen, Verbänden und den Bürgern erprobt werden. Dies sieht ein gemeinsamer Antrag des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien vor. Danach sollen im Internet aktuelle Gesetzentwürfe, dazu erarbeitete Stellungnahmen der politischen Fraktionen und Verbände sowie entsprechende Expertengutachten abrufbar sein. Diskussionen zum jeweiligen Thema sollen in Form von Internet-Foren die Kommunikation intensivieren und zur wechselseitigen Meinungsbildung beitragen. Ziel der Initiative ist es, komplexe Gesetzgebungsverfahren im Netz darzustellen sowie Positionen und Argumente anschaulich zur Diskussion zu stellen. Die Kosten für die technische Ausrüstung, Betreuung und Projektunterstützung soll der Deutsche Bundestag tragen. Bei wissenschaftlicher Begleitung ist eine privatwirtschaftliche Kostenbeteiligung angestrebt.