Die Bundestagswahl am 22. September 2013 lässt kein Verband einfach so an sich vorbeiziehen. Wenn die bundespolitischen Weichen für die nächsten vier Jahre gestellt werden, bringen sich Verbände mit ihren Standpunkten in Stellung. Mit Kommunikationsoffensiven, Positionspapieren und Studien verschaffen sie ihrer Stimme offensiv Gehör – oder versuchen, Themen aus der öffentlichen Diskussion zu verschieben. Medienmanager Matthias Groll zeigt, wie sich Verbände auch im Internet fit für den aufziehenden Wahlkampf machen.
Wahlkämpfe werden nicht im Internet entschieden, aber dort mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln geführt. Parteien investieren massiv in medienübergreifende Online-Kampagnen, mit denen vor allem junge Zielgruppen besser mobilisierbar sind als mit klassischer Wahlwerbung. Auch Verbände inszenieren ihre politischen Forderungen längst online und in zum Teil aufwendig angelegten Themenkampagnen. Dabei reicht es aber nicht aus, umfangreiche Informationsportale oder Themenseiten zu starten und dann zu hoffen, dass Parteien und Wähler selbstständig den Weg dorthin finden. Der gezielt innovative und maßgeschneiderte Mix von digitalen Formaten und Kanälen entscheidet über den Erfolg. Auf die Mischung kommt es an.
Ein ganzheitliches Online-Campaigning wird zwar von vielen Verbänden angestrebt, aber nicht immer konsequent umgesetzt. Dabei setzt sich eine strategische Kampagne in erster Linie aus der intelligenten Kombination von Werkzeugen des Digital Marketing zusammen, die meist schon in anderen Online-Projekten genutzt werden. So reicht es meist, an den richtigen Stellschrauben zu drehen, um das gewünschte Publikum gezielter abzuholen und größere Effekte mit der Kampagne zu erzielen.
Planung – Umsetzung – Kontrolle – Optimierung
Die periodisch wiederkehrenden Bundestagswahlen sind ein willkommener und planbarer Ausgangspunkt für die Strategie- und Öffentlichkeitsarbeit eines Verbandes. Alle bestehenden Formate – offline wie auch online – können kritisch hinterfragt und gezielt an den beiden Zielgruppen Partei und Wähler ausgerichtet werden.
Gemäß dem Motto „Nach der Wahl ist vor der Wahl“ sollte dieser Prozess idealerweise direkt nach der Bekanntgabe der letzten Wahlergebnisse und Regierungsbildung (also bereits 2009) mit einer schonungslosen Stärken-Schwächen-Analyse starten (siehe Abbildung 1):
Sind die Verbandsforderungen und -positionen im Regierungsprogramm berücksichtigt? Wurden die vorgesehenen Zielgruppen erreicht und mobilisiert? Haben die Kommunikationsmittel funktioniert und ihre Wirkung voll entfaltet? Die Ergebnisse der Evaluation sollten dann in einen langfristigen Strategieprozess einfließen, der in einer Erneuerung bzw. Ertüchtigung der Kommunikationsformate mündet. Zu passenden Anlässen innerhalb der Legislatur startet der Verband dann Maßnahmen und steigert die Dramaturgie in der heißen Wahlkampfphase mit gezielten Botschaften und Akzenten. Wieder nach der Wahl wird der Erfolg der Strategie gemessen und damit der Kreislauf geschlossen.
Was im Grunde einfach klingt, bedeutet in der operativen Durchführung die Notwendigkeit großer Ausdauer. Ist die digitale Kommunikation fit für den Bundestagswahlkampf 2013? Setzt der Verband die gängigen Digital-Marketing-Tools optimal ein? Eine Überprüfung im Sinne eines Reality Checks, ob die Marschroute des Verbandes im „Digital Marketing“ stimmt, kann hier helfen.
Die richtige Zielgruppe erreichen
Um ein Kommunikationsziel zu definieren, muss der Verband die Betroffenen, ihr Verhalten, ihre Einstellung und Bedürfnisse kennen. Er sollte sich in die Lage der Zielgruppe versetzen und versuchen zu erkennen, wo sie sich im Netz aufhält und wie sie dort kommuniziert. Dazu sollte der Verband in einem Strategieprozess alle gängigen Online-Formate betrachten, begonnen bei Internetportalen und Themenwebsites über soziale Netzwerke bis hin zu Webvideos und interaktiven Animationen.
Passen Format und Zielgruppe nicht 100-prozentig zusammen, werden im besten Falle dennoch positive Effekte in der Außenwahrnehmung erzielt. Im schlechtesten Falle jedoch verpuffen geplante Effekte und natürlich auch Budgets. Um dies zu vermeiden, wird regelmäßig die Kampagnen-Reichweite gemessen und zum Beispiel über Milieu-Studien, Webstatistiken und Nutzerumfragen identifiziert, wer sich auf Websites aufhält. Das versetzt die Geschäftsführung und den Vorstand in die Lage, rationale Entscheidungen darüber treffen, ob die Kommunikationsinstrumente sitzen oder neu justiert werden sollten.
Inhalte attraktiv darstellen
Mit profundem Fachwissen zu glänzen, ist in der Online-Kommunikation nur die halbe Wahrheit. Wirkung erzielt eine Botschaft nur dann, wenn sie attraktiv aufbereitet ist. Wer im Wahlkampf online für die zentralen Thesen eines Positionspapiers wirbt, über die Folgen einer geplanten Gesetzesinitiative aufklärt oder die Ergebnisse der Expertenstudie vorstellt, von dem erwarten Nutzer mehr als nur Text mit beliebig austauschbaren Stockfotos. Interaktive Informationsgrafiken und -filme, Videointerviews und -statements, Gamification-Elemente oder Reportagen im großzügigen Magazinlayout ermöglichen allen Beteiligten einen optisch einfachen Zugang auch zu komplexen Themen. Was einfach verstanden wird, erzielt eine wesentlich größere Wirkung, da der Besucher den Grad der Informationstiefe selbst bestimmen kann. Was für den einen das Thesenpapier und der fachliche Hintergrundbericht ist, ist für den anderen die Video-Reportage mit knackigen Daten und Fakten.
Die Internettechnologie hat heute ein Niveau erreicht, mittels der Content mit geringem Aufwand für verschiedenste Endgeräte optimiert (Responsive Design, HTML5 und CSS 3), variabel dargestellt und einfach in sozialen Netzwerken verbreitet werden kann. Pioniere werden belohnt! Wer auf Trends setzt, setzt auch „Duftmarken“ und bringt sich ins Gespräch. Das relevante Publikum dankt es, wenn die Inhalte des Positionspapiers als interaktives PDF oder als digitales Web-Magazin auf Smartphones und Tablets lesbar sind. Angereichert mit interaktivem Content wie zum Beispiel 3-D-Modellen oder Videos über Augmented Reality, werden Broschüren zum Hin-gucker und finden ihren Weg wie selbst zur Zielgruppe.
Aufmerksamkeit erzielen
Die Zielgruppe ist definiert, die Inhalte sind perfekt aufbereitet, nur die Zugriffszahlen auf das Angebot lassen zu wünschen übrig? Gefunden werden, lautet die Devise: Wer bei Google auf Platz 30 oder weiter hinten gelistet ist, wird kaum mehr wahrgenommen. Hier können Klassiker wie Onlinewerbung und Suchmaschinenmarketing für mehr Reichweite sorgen. Maximale Effekte werden erzielt, wenn klassische Online-Werbung dort läuft, wo sich die Zielgruppe aufhält – zum Beispiel auf den Websites von Fachmagazinen oder in Suchmaschinen.
Dort Werbung zu schalten, kostet zwar, ist aber immer noch lukrativer als Plakatwerbung oder klassische Printanzeigen und erzeugt mitunter eine größere Reichweite. Hier wird deutlich, dass Online-Werbung schon bei der Budgetplanung mit in den Marketingmix einbezogen werden sollte. Auch Partner und Netzwerke können genutzt werden, um Kampagneninhalte weiter zu verbreiten. Das spart Schaltungsgebühren, macht aber höhere Investitionen in Networking und Kommunikation notwendig.
Auch die Relevanz von Twitter, Facebook & Co. für die moderne Verbandskommunikation wächst stetig. Mit den richtigen „teilbaren“ Inhalten kann im Rahmen einer kreativen Kampagne und mit kleinem Budget sehr schnell Aufmerksamkeit generiert werden. Wichtig ist es dabei, realistische Ziele zu definieren. Natürlich ist der Gedanke verlockend, mit einem geschickt platzierten Inhalt „viral zu gehen“. Trotz aller Anstrengung verbreitet sich der Virus aber meist nicht von allein in alle Ecken des sozialen Netzwerks. Wichtig sind eine wirklich smarte Idee und eine zeitlich wie örtliche passende Gelegenheit, um den Ball ins Rollen zu bringen.
Unterstützer gewinnen
In sozialen Netzwerken, in Blogs und in anderen Internet-Medien sind zahlreiche Multiplikatoren unterwegs, die auch den politischen Standpunkt des Verbands vertreten. Da man für eine gemeinsame Sache streitet, scheint es ratsam, diese Influencer aktiv in seine Strategie mit einzubeziehen. Willensbildungsprozesse können so auf eine breite Basis gestellt und mit den Ergebnissen zum Beispiel einer Online-Petition kann politischer Druck erzeugt werden. E-Partizipation, der dazu passende technologische Ansatz, entwächst in Deutschland dem Experimentierstadium und erfreut sich besonders im Umfeld der öffentlichen Verwaltung immer größerer Beliebtheit. Verbandsentscheider müssen nicht tatenlos zusehen, während erste Gesetzgebungsverfahren um Elemente der Online-Beteiligung angereichert werden. Eigene Positionen können aktiv in laufende Partizipationsverfahren eingebracht werden. Oder man bereichert die Online-Partizipationslandschaft mit einem eigenen Projekt, bei dem Verbandsmitglieder und ausgewählte Stakeholder im Rahmen eines geschlossenen Agenda-Prozesses oder öffentlich alle thematisch Interessierten mitdiskutieren können.
Auch die interne Verbandskommunikation spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle. Mitarbeiter besitzen zahlreiche Kontakte und sind als Botschafter des Verbands in verschiedensten beruflichen und privaten Netzwerken aktiv. Über Intranet-Communities oder Innovationstools kann dieses Potenzial langfristig in Agenda-Prozesse und digitale Kampagnen eingebunden werden.
Erfolg kontrollieren
Für welche Maßnahme sich der Verband auch entscheidet, um im Online-Wahlkampf zu punkten – schon während und vor allem am Ende jeder Kampagne steht die Erfolgsmessung. Mit ihr werden Aktivitäten optimiert und dafür Sorge getragen, dass nicht blind am Ziel vorbeigeschossen wird. Key Performance Indicators (KPI) definieren dabei die Leistung der Aktivitäten und machen sie messbar. Typische Instrumente dafür sind klassische Webstatistiken, Conversion-Tracking und Suchmaschinenmonitoring. Geht es darum, einen qualitativen oder viralen Effekt zu messen, ist eine Kombination aus Presse- und Social-Media-Monitoring die richtige Wahl. Doch ganz unabhängig vom Instrument, sind die reinen Metriken nur ein Teil der Erfolgskontrolle. Die wesentliche Leistung besteht darin, die erhobenen Daten zu interpretieren und daraus die richtigen Optimierungsmaßnahmen abzuleiten. Um diesen letzten und wichtigen Schritt des Marketingkreislaufs nicht zu vernachlässigen, ist gerade hier der Aufbau von Know-how unerlässlich.
Fazit: Punkten mit innovativen Formaten
Für Verbände ist die Bundestagswahl sicherlich nur ein Termin von vielen, um sich einem Reality Check zu unterziehen und zu prüfen, ob Digital-Marketing-Tools optimal eingesetzt werden. Trends wie Mobile Computing, Social Media Campaigning, E-Partizipation und innovative Formate für Netzinhalte sollten zum Anlass genommen werden, um Strategien nachzujustieren und so politischen Positionen größtmögliche Wirkung zu verleihen.