„Der größte anzunehmende Unfall aus Sicht der jüngeren Generation ist eine Große Koalition“, schrieb vor Kurzem Reiner Klingholz, Direktor des renommierten Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, mit Blick auf das von der Bundesregierung verabschiedete sogenannte Rentenpaket. Seine Befürchtung: „Wir verkommen zur Gerontokratie.“ Äußerungen wie diese sind keine Ausnahme und bewogen uns, ein Interview mit der Führungsspitze der BAGSO, mit der Vorsitzenden Ursula Lehr und dem Geschäftsführer Guido Klumpp, zu führen. Was wir erfuhren, ist gleichzeitig ein Lehrstück zum Thema Dachverband: Was kann er und was kann er nicht? Henning von Vieregge interviewte.
Verbändereport: Verehrte Frau Professor Lehr, mich fasziniert Ihre Rollenvielfalt. Es ist doch relativ selten, dass jemand parallel oder hintereinander in der Wissenschaft, in der Politik und in der Interessenvertretung führende Positionen einnimmt. Lehr: Die BAGSO habe ich von Anfang an begleitet. In die Führungsrolle bin ich durch den plötzlichen krankheitsbedingten Ausfall des damaligen Vorsitzenden, das war der ehemalige Bundestagsabgeordnete Walter Link, geraten. Eigentlich sollte ich auch nur kurz einspringen. Das war 2009, da war ich 79. VR: Muss ein Politiker mehr erdulden als ein Wissenschaftler? Lehr: Im Prinzip ja! Mein Problem in der Politik war, dass man mit Differenzierung – und Psychologen differenzieren ja sehr stark – einfach nicht rüberkommt, dass man also recht grobmaschig arbeiten muss. Wenn ich ein Interview gegeben habe, mit differenzierenden Nebensätzen, wurden die weggelassen, sodass holzschnittartige Botschaften übrig blieben. Das ist mir sehr schwer gefallen.