In der Bundesarbeitsgemeinschaft Schienenpersonennahverkehr (BAG-SPNV) wurde der Plan gefasst, eine netzbasierte Austauschplattform zu realisieren, um den Informationsaustausch zwischen Geschäftsstelle, Gremien und Mitgliedern zu optimieren.
Aufgrund der Professionalisierung der Arbeit war innerhalb der BAG-SPNV in den vergangenen Jahren zunehmend festzustellen, dass die Mitglieder einen hohen Bedarf an schnellem und aktuellem Informationsaustausch untereinander, aber auch mit der Geschäftsstelle hatten. Die Abstimmung rund um Prozesse (z. B. Stand der Dinge bei laufenden Projekten) und Ergebnisse (Protokolle, Arbeitsgruppenberichte, Positionspapiere usw.) und um diese zu erstellen, zu dokumentieren und zur Verfügung zu stellen, stand im Zentrum der Zusammenarbeit.
Dabei spielten die Vielzahl an Fragestellungen inhaltlicher Art, der hohe Anspruch an die Qualität der Positionierungen und der hohe Zeitdruck zur Klärung neuer Fragestellungen ebenso eine Rolle wie die räumliche Entfernung zwischen den bundesweit verteilten Mitgliedern.
Probleme um eine dezentrale Speicherung, bilaterale Austauschprozesse an verschiedenen Orten sowie zum Teil eine ineffiziente und zeitraubende E-Mail-Flut im Tagesgeschäft machten die Aktualisierung und Priorisierung der Verbandsarbeit von und für die Mitglieder zunehmend komplexer und aufwendiger.
Aufgaben für ein internetbasiertes System zur Zusammenarbeit
Hier entstand der Wunsch nach einer Möglichkeit, im Netz zusammenzuarbeiten, um ohne großen Reisekostenaufwand Abstimmungen und Positionierungen durchführen zu können.
Die Idee zur Entwicklung einer internen Austauschplattform wurde immer konkreter, allerdings standen auch Befürchtungen hinsichtlich der Datensicherheit und der Offenheit eines solchen Systems im Vordergrund. Die Ziele des neuen Systems wurden dabei wie folgt festgelegt:
- zentrale Datei-Datenbank:
- Gremienvorbereitung
- Schlagwortsuche
- Materialbereitstellung
- Kommunikationsplattform zur Vermeidung der E-Mail-Flut
- Auswertungsplattform und Effizienzsteigerung bei der Zusammenarbeit (Positionspapiere, Pressetexte, Auswertungen von Erhebungen …)
- System für ein dynamisches Wissensmanagement
Vorgehensweise
Die Geschäftsstelle des Verbandes nahm dieses Thema dann mit verschiedenen anderen Fragestellungen rund um den Mitgliederservice auf. Nach erfolgter Recherche verschiedener Systeme, die ein Intranet erfolgreich ergänzen, wurde deutlich, dass ein Firmenwiki die Basis der neuen Zusammenarbeit werden sollte.
Wikis setzen auf das Prinzip der Kollaboration
Ein Firmenwiki kann für verschiedene Aktivitäten (Einrichtung und Pflege von Wissens- und Datenbanken, Organisation von Treffen, Vor- und Nachbereitung von Gremiensitzungen sowie Dokumentation von Protokollen, Positionen, Abstimmungen) eingesetzt und ausgebaut werden. Ein Wiki ist in der einfachsten Form eine Art Informationssammlung, die von vielen Anwendern online erstellt, gelesen und geändert werden kann.
Wiki-Systeme selbst setzen auf das Prinzip der Kollaboration, sodass unterschiedliche Personen ihr eigenes Wissen einer Gemeinschaft von Benutzern und Interessenten zur Verfügung stellen. Wikis unterstützen so die Vernetzung diverser Gruppen wie Teams, Fachgruppen und zeitlich begrenzter Projektgruppen. Dadurch kann Wissen zentral, aber unabhängig von den Standorten der einzelnen Autoren dokumentiert und permanent weiterentwickelt werden.
Die E-Mail-Flut reduziert sich drastisch
Durch den Einsatz eines Wiki-Systems lassen sich auch tägliche Arbeiten vom E-Mail-Fach ins Wiki verlagern, wobei im Wiki selbst Transparenz über den aktuellen Stand der Dokumente herrscht. Es ist ersichtlich, wer welche Informationen eingebracht hat. Mit der Abonnementfunktion kann jeder Anwender selbst entscheiden, über welche Änderungen er/sie informiert werden möchte (Pull- statt Push-Prinzip). Dadurch reduziert sich die E-Mail-Flut im eigenen Briefkasten drastisch. Nicht zuletzt machen die geringen Anschaffungs- und Wartungskosten ein Wiki-System so attraktiv für den Einsatz im Verband.
Zahlreiche Wiki-Funktionalitäten und hohe Aktualität
Darüber hinaus verfügen Firmenwikis über besondere Eigenschaften wie zum Beispiel einen benutzerfreundlichen Editor und eine leistungsstarke Suche: Alle Wiki-Seiten und deren Anhänge sind durch eine Volltextsuche auffindbar. Weiterhin kann durch ein elaboriertes Rollen- und Rechte-System die Sichtbarkeit von Bereichen auf kleinere Gruppen eingeschränkt werden. So ist es beispielsweise möglich, einen Bereich für das Präsidium einzurichten, in den andere Nutzer keinen Einblick haben.
Weitere Vorteile bestehen in der hohen Aktualität und guten Auffindbarkeit der benötigten Informationen. Beteiligte und Verantwortliche können direkt mit eingebunden werden, wodurch eine enorme Transparenz über die einzelnen Prozesse geschaffen werden kann. Dies wird z. B. bei der Organisation, Durchführung und Protokollierung von Mitgliederversammlungen deutlich: Alle Informationen – sowohl organisatorischer wie auch inhaltlicher Natur – werden im Wiki aktuell gehalten. So können sich die Teilnehmer schnell auf den aktuellen Informationsstand bringen und müssen nicht nach der letzten und somit gültigen E-Mail suchen, die dann möglicherweise nur einen Teil der Informationen enthält.
Nach der Wahl des Wiki-Systems (Entscheidung für das Programm „Confluence“) fand eine Angebotsabfrage zur Entwicklung, Einführung und Begleitung einer Konzeptumsetzung mit dem bereits ausgewählten Programm statt, aus der die EsPresto AG mit Sitz in Berlin als ausgewählter, verantwortlicher Dienstleister hervorging.
Schnell wurde deutlich, dass das bereits vorausgewählte Programm Confluence zahlreiche der gewünschten Möglichkeiten beinhaltete, es aber notwendig war, eine auf die Wünsche der BAG-SPNV zugeschnittene Aufteilung in Bereiche und Arbeitsinhalte vorzunehmen sowie die von den Confluence-Entwicklern angebotenen zahlreichen Plug-ins zu modifizieren oder sogar anzufordern.
- Im Zentrum der Überlegungen stand dabei die Aufteilung auf die unterschiedlichen Zielgruppen der Nutzer:
- Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Mitgliedsunternehmen, die in der Regel in Arbeitsgruppen fachlich zusammenarbeiten und ebenso Interesse an Recherchen und Suchanfragen zu bestimmten Themen und Sachverhalten haben.
- Die Geschäftsführer der Mitgliedsunternehmen, die mit einem möglichst geringen Zeitaufwand ebenfalls aktuelle Fragestellungen recherchieren wollen, aber ergänzend Unterlagen zu bestimmten Sitzungen, fertige Positionspapiere, Ansprechpartner oder auch nur Materialien zu den nächsten (oder zu bereits vergangenen) Mitgliederversammlungen benötigen.
- Mitglieder des Aufsichtsgremiums „Präsidium“, die inhaltliche Arbeitsvorgaben, Recherchen und Abstimmungen zu Positionierungen in Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle wünschen und dabei möglichst zeitnah über Änderungen und Neuerungen informiert werden wollen, z. B. im rechtlichen Bereich.
- Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle mit dem Wunsch, schnelle Fragen, z. B. durch eine Umfrage unter den Mitgliedern beispielsweise bei Fragekatalogen der Verbandsarbeit im Rahmen der europäischen Abstimmungen und Untersuchungen usw., zu klären.
- Mit einer eigens dafür gebildeten Arbeitsgruppe und den Mitarbeitern der Geschäftsstelle wurde schnell der Aufbau der Plattform geklärt, mit dem Ziel
der Erstellung einer Startseite, die neben aktuellen Informationen („Neues“), Recherche und Suchabfragen, Stichwortwolke, Übersicht und Navigationsmenü die Möglichkeit zum Bloggen für alle Austauschwilligen enthält der Aufnahme eines Kalenders, der mit einem Importtool direkt Terminübertragungen von und ins Outlook ermöglicht der Aufteilung in Bereiche, die die Organisation widerspiegeln der Möglichkeit, virtuell Seiten für z. B. Sitzungen anzulegen, mit Tagesordnung und dazu sortierten Unterlagen in Form von PDF oder Sonstigem.
Nach einer nur wenige Wochen dauernden Testphase wurde das System im August 2011 für alle Mitglieder freigeschaltet. Anstelle eines zentralen Schulungstermins wurde einem anderen Konzept zur Erläuterung für die interessierten Mitglieder der Vorzug gegeben. Mithilfe eines Vortragstools zur Darstellung der wichtigsten Funktionen wurde die Vorstellung in den Arbeitsgruppen- und Gremienterminen an verschiedenen Orten durchgeführt. Insbesondere das daraufhin folgende „Learning bei Doing“ mit der Abstimmung von Positionspapieren und Texten und die damit zusammenhängenden Rückfragen bei den Administratoren machten deutlich, wer wie intensiv bereits mit dem System arbeitet und es wie umfangreich nutzt.
Erste Erfahrungen
In vielen Bereichen hat sich die Zusammenarbeit über das Wiki gut entwickelt. Immer häufiger werden alle Informationen über Treffen und Positionierungen ausschließlich im System abgewickelt. Der E-Mail-Verkehr wurde daraufhin reduziert und es wurde in allen Veranstaltungen immer wieder auf das System und die Inhalte verwiesen. Dennoch gibt es noch immer – nach über einem halben Jahr nach der Einführung – zahlreiche Fragen, die deutlich machen, dass nicht alle Nutzerinnen und Nutzer das System häufig besuchen oder regelmäßig zur Recherche verwenden. Deshalb wurden verschiedene Ideen entwickelt, um auf die Plattform Wiki aufmerksam zu machen:
- Erstellung eines Newsletters (mit E-Mail-Versand an die Mitglieder), der mit wenigen Überschriften auf aktuelle Themen hinweist und direkt im Wiki verlinkt ist, sodass nur dort die Informationen abgerufen werden können
- Bereitstellung von Unterlagen für Arbeitsgruppen und Gremien ausschließlich über das System
- Einladung zu Fachgruppentreffen in den meisten Fällen nicht per E-Mail und damit bewusster Verzicht auf dieses Medium der direkten Ansprache durch E-Mails bei einem Teil der Mitgliederkommunikation
- Regelmäßige Abfrage von weiteren Wünschen und Anforderungen in den Arbeitsgruppensitzungen und Mitgliederversammlungen mit dem Ziel, z. B. Terminverwaltungen zu optimieren oder zeitnahe und schnell über Meinungs- und Themenblogs miteinander zu kommunizieren
- Die Zielsetzung dabei ist, dass die Zusammenarbeit über die neue Plattform primär unkompliziert sein und Spaß machen muss. Eine weitere Überlegung besteht darin, die gesamte grafische Oberfläche einem Relaunch zu unterziehen, der an eine moderne Webseite erinnert. Ebenfalls ist an die Erstellung von „Apps“ gedacht, weitere Ideen sollen folgen.
Zukünftige Herausforderungen
Es ist deutlich geworden, dass die vielen Aufgaben und Anforderungen an die digitale Zusammenarbeit mit und zwischen den Mitgliedern eine der großen Herausforderungen der Verbandsarbeit ist. Ein solches System muss dabei zunächst wachsen und dynamisch mit- und weiterentwickelt werden. Hierbei ist es jedoch zu jedem Zeitpunkt notwendig, dass die Inputs dazu aus der Mitgliedschaft erfolgen, da ansonsten ein dirigistisches Instrument einer zentralen Geschäftsstelle entsteht, mit der Gefahr, dass die interessanten Themen zunehmend nicht mehr abgebildet werden.
Ein gemeinsames Projekt ist in Arbeit: die Erstellung eines BAG-SPNV-Lexikons von und für die Mitglieder, das neben der kurzen Erläuterung von Fachbezeichnungen und Systembegriffen aus der Nahverkehrsbranche und der zugehörigen Rechtswelt einheitliche Definitionen vorgibt sowie Sachzusammenhänge erläutert. Ein kleines „Wikipedia“ von und für die Mitglieder innerhalb des gesamten BAG-Wiki-Systems.
Neben der Erstellung eines Lexikons liegt die Stärke eines Wiki-Systems vor allem auch darin, dass unterschiedliche Themen und Arbeitsszenarien in das Wiki verlagert und entsprechend miteinander verknüpft werden können. Selbst das Qualitätsmanagement in Verbänden kann in einem Wiki abgebildet werden. Durch die Vernetzung und Weiterentwicklung der Inhalte im Wiki wird letztendlich eine Transparenz in den Arbeitsprozessen geschaffen und so die Effizienz
gesteigert.
Resümee
Für den Verband hat sich gezeigt, dass ein Firmenwiki die Kommunikation zwischen den Mitgliedern untereinander und mit der Geschäftsstelle nicht nur vereinfachen, strukturieren und aktualisieren kann, sondern zudem als Instrument für ein systematisches und effizientes Wissensmanagement sehr gut geeignet ist. Die Plattform wächst mit ihren Anforderungen und der Bereitschaft, kreativ und aktuell die Möglichkeiten des Austausches zu nutzen und zu professionalisieren. Dies erfordert zum Teil ein Umdenken, mit dem Umgang an eigenem Wissen jemanden teilhaben zu lassen, aber auch, sich dieses Wissen gezielt abzuholen. Viele Möglichkeiten, in einem Verband mit den Mitgliedern als Team und projekt- bzw. terminbezogen zu arbeiten, kann das Wiki geben, wenn sie aktiv genutzt und organisch erweitert werden.