Kontakte, Kontakte, Kontakte … und immer an die Mitglieder und an die Zukunft des eigenen Verbandes, der eigenen Organisation denken ...
Ende April trafen sich rund 170 Geschäftsführer und Hauptgeschäftsführer deutscher Verbände und Organisationen in Düsseldorf. Sie alle folgten der Einladung zum 15. Deutschen Verbändekongress, der in diesem Jahr unter dem Motto „Auf dem Prüfstand: Die Zukunftsfähigkeit des Modells Verband“ stand. Der Durst nach Informationen, Erfahrungsaustausch und jeder Menge Know-how-Transfer war groß. Mehr als 40 Fachvorträge, 15 Schwerpunkte, internationale und nationale Speaker sowie die Verleihung des DGVM INNOVATION AWARDS „Verband des Jahres 2016“ boten den Rahmen eines Kongresses, der Antworten auf entscheidende Zukunftsfragen gab. Selbst heikelste Fragen oder Problemstellungen wurden angepackt und diskutiert. Experten berichteten über Trends und Entwicklungen, auf die sich Verbandsmanager demnächst einstellen müssen. Und gerade weil die eine oder andere Organisation im Umbruch ist und neue Leitplanken definieren möchte, herrschte große Offenheit und Vertrauen unter den Teilnehmern. Sie sind mit einem großen Informationsvorsprung in ihre Organisationen zurückgekehrt. Denn das Entscheidende ist jetzt: nicht nur die Zukunft antizipieren, sondern die Zukunft gestalten.
Trotz aller Technisierung und Digitalisierung hat der persönliche Austausch einen hohen Stellenwert – mehr denn je. Zwar kann man seinen Kollegen auch anrufen, ihm ein Problem schildern und Fragen stellen: „Wie hast du das im letzten Jahr gelöst? Ich habe jetzt eine ähnliche Herausforderung.“ Aber der effizienteste Weg ist – so die einhellige Meinung – immer noch das persönliche Treffen, bei man sich unter vier Augen oder in größerer Runde trifft, sich mit Offenheit und Informationsaustausch begegnet.
Aus den zahlreichen Themen, die Verbandsgeschäftsführer derzeit beschäftigen, ragen zwei große Zukunftsthemen heraus. Erstens: Changemanagement – wie funktioniert es erfolgreich? Und zweitens: Technologisierung/Digitalisierung – wie viel Social Media will oder verträgt mein Mitglied? Diese beiden Themen bestimmten das Zweiergespräch, aber auch die Workshops und die Vorträge. Logisch und verständlich vorgebracht und diskutiert – vor dem Hintergrund, dass einige Verbände neue Wege gehen wollen oder gehen müssen, um zukunftsfähig zu bleiben.
Best practice mit Transparenz und Offenheit
Mit Transparenz und erstaunlicher Offenheit berichtete beispielsweise Holger Busch vom Turnaround seines Verbandes Druck und Medien Bayern e.V. (VDMB). Klar, seine Offenheit erklärt sich, hatte der Hauptgeschäftsführer doch den neuen, erfolgreichen Weg seines Verbands in das Rennen um den diesjährigen DGVM INNOVATION AWARD geschickt und gewonnen. Aber seine Geschichte – oder besser gesagt, die des Verbandes – ist so einzigartig wie beispielhaft. Trotz schlechtester Rahmenbedingungen – jeder Verband ist direkt oder indirekt von der Branche, die er vertritt, abhängig – gelang es Busch, wieder neue Mitglieder zu gewinnen. Ein unglaublicher Erfolg, nachdem der Verband seit 2007 von 435 auf rund 300 Mitglieder zusammengeschrumpft war. Drei der entscheidenden Lehren seines Changemanagements: 1. Nicht topdown handeln, sondern bottom up. Heißt, die eigene Mannschaft in den Prozess mit einbeziehen und mitnehmen. „Nur wenn es hakt, muss man eine Entscheidung treffen“, weiß der Hauptgeschäftsführer. 2. Ausgehend von einer ausführlichen Mitgliederbefragung und Ermittlung des Status quo ist ein ganzheitlicher Strategieprozess möglich – das Mitglied steht dabei im Mittelpunkt. 3. Eine Veränderungskultur im Verband implementieren, weiterentwickeln und dabei nie nachlassen. Diesen Erkenntnissen pflichtete auch Claus Philippi bei. „Es braucht im Verband grundsätzlich eine positiv geprägte Wandlungsbereitschaft“, sagt der Berater und Partner der B‘VM. „Positive Energie ist für den Erfolg bei Changeprozessen äußerst wichtig.“ Um erfolgreich den Prozess zu gestalten, bedarf es nach Philippis Erfahrung bei massiven internen wie externen Veränderungen unbedingt einer aktiven Informationspolitik. „Sonst werden die Mitarbeiter nicht mitgenommen.“
Von anderen lernen
Natürlich sind Anregungen von anderen Verbänden hilfreich. „Veranstaltungen wie dieser Kongress und Seminare sind bei diesem Vorhaben hilfreich und man sollte sie nutzen“, erklärt Holger Busch. Von anderen lernen ist die Triebfeder aller Verbandsfunktionäre. Auch Ulf Kelterborn weiß das. Der Hauptgeschäftsführer der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen und des Bundesverbandes für Kunststoffverpackungen und Folien nimmt genau deshalb an dem Kongress teil: „Die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen wie auch die Veränderungsprozesse der Wirtschaft beschleunigen sich immer mehr. Das hat unweigerlich auch Auswirkungen auf die Arbeit von Wirtschaftsverbänden. Die Anpassung an die Bedürfnisse der Mitglieder muss damit genauer hinterfragt werden. Der Verbändekongress zeigt auf plakative und äußerst informative Art und Weise, wo Verbände zukünftig ansetzen müssen, um die Erwartungen ihrer Mitglieder auch in Zukunft noch weiter erfüllen zu können. Dass die Thematik insgesamt sehr komplex ist, wurde auf dem Kongress deutlich. Es ist den Veranstaltern trotzdem gelungen, die Chancen und Risiken der Veränderungsprozesse in Verbänden aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln darzulegen. Darüber hinaus fand ich auch den Austausch mit Kollegen im Rahmen des Kongresses äußerst spannend.“
Technisierung und Digitalisierung – Chance und Herausforderung
Noch recht große Unsicherheit verspüren Verbandsmanager im Umgang mit der Technisierung. Die digitale Revolution nagt an der Mitgliedertreue, weckt Bedürfnisse und Erwartungen bei Mitgliedern, die ein Verband nicht so ohne Weiteres erfüllen kann – schon gar nicht so nebenbei. Wie viel Social Media, wie viel Facebook, Twitter & Co soll es, respektive darf es denn sein? Und wie kann ich als Verband in dieser digitalen Welt stattfinden? Entscheidend ist die Zielgruppe, also die Mitglieder, und in zweiter Linie die Öffentlichkeit. Die Kommunikation verändert sich, beziehungsweise hat sich längst verändert. Die einen wollen mit den neuen medialen Möglichkeiten nur bedingt umgehen, andere nutzen die Chancen mehrfach am Tag. So wie der Geschäftsführer des Deutschen Franchise Verbandes. Hier Twitter, dort Facebook – für Torben Brodersen gehören die sozialen Dienste zum Tagesgeschäft in der Kommunikation. Sie sind wichtiger Bestandteil seiner Verbandskommunikation.
Die Hauptfrage, der sich Verbände stellen sollten: Wie wird eine Organisation mit ihrem Social-Media-Engagement tatsächlich wahrnehmbar? Welche Ziele sollen erreicht werden? Soll informiert werden? Sollen die Online-Aktivitäten neue Mitglieder generieren? Internetaffine Nutzer und eine lebendige Social-Media-Kultur sind vorteilhaft. Social-Media-Beraterin Vivian Pein nennt mindestens drei Punkte, die das Geheimnis professionellen Social-Media-Engagements ausmachen: 1. Strategie und Ziel – unbedingt vor dem Start festlegen und dabei auch Mittel und Ressourcen beachten. 2. Inhalte – dauerhafte Relevanz ist notwendig, etwa mit Themen, die die Zielgruppe wirklich interessieren. Persönlichkeiten, mit denen sich die Zielgruppe identifiziert, sind dabei von Vorteil. Wie auch Dialoge auf Augenhöhe und die emotionale Bindung durch Entertainment und Zeitgeist. 3. Plattformen – welche Plattformen nutzt die Zielgruppe? Genau dort sollte der Verband wahrnehmbar sein. Experten glauben sogar, dass eigene Homepages und eigene Apps innerhalb der medialen Relevanz an Bedeutung verlieren. Deswegen sind Plattformen so wichtig. Hier finden Mitglieder nicht nur den Verband, die Informationen, ihr Netzwerk, sondern auch das Branchengeflüster, das seine Bedeutung durch die emotionalen Inhalte findet – gebündelt und ungefiltert.
Auf die Kernkompetenzen besinnen
Das wandelt den Status des Mitglieds vom Sympathisanten zum Fan. Fans sind nicht nur treu, sie sind die besten Multiplikatoren, die einen Verband immer wieder weiterempfehlen und sich für die Organisation einsetzen. Sie sind hochzufrieden und überdurchschnittlich emotional gebunden. Das Fan-Prinzip basiert auf Fokussierung. Ein Verband, das haben die mit dem Innovation Award 2016 ausgezeichneten Verbände deutlich demonstriert, ist gut beraten, sich auf seine Kernkompetenz und sein Kernelement zu besinnen. Laut einer Umfrage haben 69 Prozent der Mitglieder das Gefühl, zu viel zu bekommen, nur 11 Prozent vermissen etwas. Im Umkehrschluss heißt das: nicht alle Themen besetzen. Aber die Leistungen, die der Verband anbietet, dürfen mit Emotionalität und Leidenschaft präsentiert werden.
Dieser Geist von Leidenschaft und Begeisterung war auf dem Verbändekongress jederzeit präsent. Geschäftsführer steckten die Köpfe zusammen, löcherten unermüdlich ihre Sparringspartner. Sie inhalierten Praxisbeispiele, Stimmung und Meinungen der Kongress-Community und Lösungen, die auf Fragen nach einer noch stärkeren Identifikation der eigenen Mitglieder Antworten gaben. Für sie hat sich der Verbändekongress als Informationsquelle und Wegweiser mehr als gelohnt.
Fazit
Der Verbände Kongress 2016 war geprägt von einem „Wir“-Gefühl und dem Motto: Die Zukunft antizipieren und sie aktiv gestalten.