Verknüpfung von Bewertung und Wichtigkeit
Die Betrachtung der Bewertung von Imagefaktoren oder der Zufriedenheit mit Leistungsbereichen alleine macht ebenso wenig den realen Handlungsbedarf deutlich, wie die alleinige Fokussierung auf die Wichtigkeit. In die Verbesserung von Bereichen zu investieren, mit denen die Mitglieder unzufrieden sind, kann ein Irrtum sein, wenn diese Bereiche den Mitgliedern gar nicht wichtig sind. Ebenso können Investitionen in Sektoren, die eine überdurchschnittliche Zufriedenheit erzielen, den Mitgliedern aber nur unterdurchschnittlich wichtig sind, unnötige Mittel binden, die in anderen Bereichen eine größere Zufriedenheitssteigerung erzielen könnten.
Für Verbände, die unter der Voraussetzung einer Budgetrestriktion durch beschränkte Mitgliedsbeiträge nach einer Maximierung des Mitgliedernutzens trachten müssen, können erst durch die gleichzeitige Betrachtung von Bewertung/ Zufriedenheit und Wichtigkeit entsprechende Prioritäten gebildet werden. Um die Globalzufriedenheit ihrer Mitglieder effizient zu steigern, müssen Verbände gezielt in die Verbesserung der Bereiche investieren, die a) bisher unterdurchschnittlich bewertet werden und b) gleichzeitig jedoch sehr wichtig für die Globalzufriedenheit der Mitglieder sind. Zur Finanzierung dieser Verbesserungen können dann evtl. Mittel aus anderen Bereichen herangezogen werden, bei denen die Zufriedenheit der Mitglieder bei gleichzeitiger unterdurchschnittlicher Wichtigkeit (d. h. geringem Einfluss auf die Globalzufriedenheit) (zu) hoch ist. Im Ergebnis kann dies sogar bedeuten, die Mitgliederzufriedenheit bei gleichzeitigem konstantem oder gar sinkendem Ressourceneinsatz zu steigern.
Für eine sinnvolle Darstellung und Interpretation der Zusammenführung von Bewertung/ Zufriedenheit und Wichtigkeit wird auf das Instrument der Handlungsrelevanz-Matrix zurückgegriffen. In ihr werden für die jeweils betrachteten Leistungsbereiche die Werte für Zufriedenheit und Wichtigkeit in einem zweidimensionalen System eingetragen. Generell gilt:
Dieses zweidimensionale System wird dann durch zwei Linien, die die Mittelwerte der Dimensionen Bewertung/ Zufriedenheit und Wichtigkeit repräsentieren, in ein Vier-Quadrantensystem eingeteilt, so dass die Handlungsrelevanz für die betrachteten Leistungskriterien ersichtlich wird:
3. Der dritte Quadrant unten links beinhaltet Leistungskriterien mit unterdurchschnittlicher Wichtigkeit und unterdurchschnittlicher Bewertung. Dies sind die „akzeptablen“ Nachteile, bei denen Verbesserungen, wenn überhaupt, nur mit geringer Priorität voranzutreiben sind.
Grundsätzlich ist der gegenwärtige Mitteleinsatz im Hinblick auf die Zufriedenheit der Mitglieder immer dann effizient, wenn wichtige Leistungsbestandteile überdurchschnittliche Zufriedenheit und weniger wichtige nur unterdurchschnittliche Zufriedenheit hervorrufen. Im Optimum befinden sich alle Leistungskomponenten auf dem als Idealbereich markierten Sektor in der Diagonalen („Effizienzgerade“).
Der höchste Handlungsbedarf ist bei Leistungsbestandteilen gegeben, die von den Befragten in den vierten Quadranten oben links positioniert wurden (strategische Nachteile). Diese sind äußerst einflussreich bezüglich des Gesamturteils der Mitglieder und werden dabei unterdurchschnittlich bewertet. Da die Wichtigkeit kurz- bis mittelfristig durch die Mitglieder extern vorgegeben ist und allenfalls langfristig verändert werden kann (z. B. durch Kampagnen, Werbung, Öffentlichkeitsarbeit, Sensibilisierung), bleibt für ein erfolgreiches Zufriedenheitsmanagement nur die gezielte Beeinflussung und Verbesserung der Zufriedenheit durch geeignete Maßnahmen.
Bei der Interpretation von irrelevanten Vorteilen ist darauf zu achten, dass es sich bei diesen Leistungen häufig um so genannte Hygienefaktoren handelt. Sie tragen nicht unbedingt zur Steigerung der globalen Zufriedenheit bei, da sie bspw. als Selbstverständlichkeiten angesehen werden. Wenn sie jedoch ein Mindestmaß in der Bewertung unterschreiten, kann dies dennoch zu Unzufriedenheit führen.
Schließlich gilt es bei der Interpretation generell zu berücksichtigen, dass Handlungsrelevanz-Matrizen die einzelnen Leistungskomponenten in ihrer relativen Lage zueinander darstellen und weniger die absoluten Ausprägungen von Zufriedenheit und Wichtigkeit im Vordergrund stehen. Das heißt, dass das Vier-Quadrantensystem jeweils nur einen Ausschnitt aus dem Gesamtspektrum von möglichen Werten bei Zufriedenheit und Wichtigkeit zeigt, deren Originalwerte ja immer zwischen 0 und 100 Punkten bzw. Prozent liegen können (siehe Koordinatenursprung).
Handlungsrelevanz-Matrix: Imagefaktoren
Abbildung 7 macht deutlich, wie die zehn Imagefaktoren aus der Perspektive der Mitglieder im Rahmen des 2. Mitgliederfocus Deutschland 2002 hinsichtlich Bewertung und Wichtigkeit in ein solches Vier-Quadrantensystem platziert wurden. Die zwei Imagefaktoren fachliche Kompetenz und Zuverlässigkeit können demnach global als strategische Image-Vorteile bezeichnet werden. Sie üben einen überdurchschnittlichen Einfluss auf die Globalzufriedenheit der Mitglieder aus und werden auch überdurchschnittlich bewertet. Anders sieht dies dagegen für die Imagefaktoren Mitgliederorientierung, Innovation/ Zukunftsorientierung und Flexibilität aus. Sie sind ebenfalls überdurchschnittlich wichtig für die globale Mitgliederzufriedenheit, werden jedoch hinsichtlich ihrer Bewertung nur unterdurchschnittlich platziert. Damit sind dies – global betrachtet – die strategischen Image-Nachteile. Bei diesen drei Imagefaktoren besteht also aus der Sicht der befragten Mitglieder – global betrachtet – der größte Verbesserungsbedarf, wodurch die Mitgliederzufriedenheit auch am effizientesten gesteigert werden kann.
Abb. 7: Handlungsrelevanz-Matrix: Imagefaktoren
Bei der kombinierten Betrachtung der Zufriedenheit mit den zentralen Leistungsbereichen und deren Einfluss auf die Globalzufriedenheit (Wichtigkeit) erwiesen sich für die beteiligten Verbände global der Leistungsbereich Information als der strategische Leistungs-Vorteil (überdurchschnittliche Bewertung und Wichtigkeit). Als die strategischen Leistungs-Nachteile wurden dagegen die Interessenvertretung/ Verbandspolitik und der Mitgliedsbeitrag identifiziert (unterdurchschnittliche Bewertung bei überdurchschnittlicher Wichtigkeit). Bei diesen beiden Leistungsbereichen besteht also aus der Sicht der befragten Mitglieder global der größte Verbesserungsbedarf auf der Leistungsebene.
Mitgliederbindung
Die hohe Bedeutung der Mitgliederzufriedenheit und die daraus resultierende systematische Analyse der Mitgliederzufriedenheit basieren auf der Überlegung, dass sich bei einer Steigerung der Mitgliederzufriedenheit direkt auch die Loyalität/ Bindung erhöht. Der bereits im 1. Mitgliederfocus Deutschland 2001 nachgewiesene enge Zusammenhang zwischen Mitgliederzufriedenheit und Mitgliederbindung wird auch für 2002 in Abbildung 8 am Beispiel eines wichtigen Indikators für Bindung – der Weiterempfehlungsbereitschaft – erneut deutlich: Bei steigender Globalzufriedenheit nimmt auch der Anteil der Mitglieder mit hoher Weiterempfehlungsbereitschaft (100 oder 75 Punkte) kontinuierlich zu. Der Anteil der Mitglieder, die es eher ablehnen, ihren Verband weiterzuempfehlen (25 oder 0 Punkte), sinkt.
Zufriedene Mitglieder empfehlen ihren Verband also weiter. Die Grundregel, dass das Zufriedenheitsmanagement, d. h. die effiziente Steigerung der Zufriedenheit unter den Bestandsmitgliedern, die kostengünstigste Form der Neu-Mitgliederakquise ist, wird hierdurch erneut belegt: Überzeugte Mitglieder gehören über die steigende Weiterempfehlungsbereitschaft automatisch zu den wichtigsten und kostengünstigsten Multiplikatoren für die Neu-Mitgliedergewinnung.
Abb. 8: Zusammenhang Zufriedenheit und Bindung: Bsp. Weiterempfehlungsbereitschaft
Dieser Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und Bindung gilt allerdings nicht global für alle Mitglieder. Erfahrungsgemäß gibt es in Verbänden auch immer atypische Gruppen: diejenigen, die trotz überdurchschnittlicher Globalzufriedenheit nur eine unterdurchschnittliche Bindung aufweisen, und umgekehrt solche, die trotz einer unterdurchschnittlichen Globalzufriedenheit durch eine überdurchschnittliche Bindung zu charakterisieren sind.
Wie sich dieses Bild im Rahmen des 2. Mitgliederfocus Deutschland 2002 darstellt, legt Abbildung 9 dar. Hier wurden die Dimensionen Globalzufriedenheit und Bindung so zusammengeführt, dass homogene Mitgliedergruppen über die Verbandsgrenzen hinweg identifiziert werden konnten. Homogenität bedeutet in diesem Zusammenhang, dass jede Gruppe sich durch eine für sie typische Kombination von Ausprägungen in den beiden Dimensionen Globalzufriedenheit und Mitgliederbindung beschreiben lässt. In die Gruppenbildung gingen die Globalzufriedenheit und der gewichtete Mitgliederbindungsindex als Dimensionen ein.