Durch die Finanz- und Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre haben Fragen nach der Glaubwürdigkeit unternehmerischen Handelns eine noch größere Bedeutung bekommen. Korruptionsskandale, Umweltschäden oder Arbeitsunfälle in der Dritten Welt sind Beispiele von Themen, die alltäglich in den Medien erscheinen. Sie erhöhen den Druck auf Unternehmen, die Übereinstimmung ihres Verhaltens mit Gesetzen und Verhaltensnormen zu demonstrieren. Diese gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen beschäftigt Wirtschaft und Verbraucher, Politik, Medien und Zivilgesellschaft in gleichem Maße. Und wie positionieren sich die Wirtschaftsverbände zu CSR?
Der Begriff der Corporate Social Responsibility (CSR) wird dabei als Schlagwort für eine Vielzahl von unterschiedlichen Konzepten genutzt. Durch intensive Medienberichterstattung, Kongresse, Fachzeitschriften, Internetforen, Initiativen und Netzwerke gewinnt das Thema CSR im Jahre 2013 weiter rasant an Bedeutung.
Auch Verbänden wird die Frage gestellt, ob sie sich Gesetzen, Normen und ethischen Ansprüchen entsprechend verhalten und wie ihr Beitrag zur Gesellschaft ist. Mehrere große deutsche Wirtschaftsverbände z. B. beschäftigen mittlerweile eigene Compliance Manager.
In diesem Artikel wird der spezielle Fall der Positionierung von Wirtschaftsverbänden zum Thema CSR untersucht, ein Thema, das in der wissenschaftlichen Forschung bislang nur am Rande behandelt wurde.
Dabei wird u. a. gefragt:
- Haben Wirtschaftsverbände das Thema CSR für sich und ihre Mitglieder entdeckt?
- In welchen Branchen sind sie besonders aktiv?
- Welche Maßnahmen werden am häufigsten ergriffen?
- Wird aktive Öffentlichkeitsarbeit zu den CSR-Aktivitäten betrieben?
Wirtschaftsverbände in Deutschland
Wirtschaftsverbände haben in der deutschen Nachkriegsgeschichte eine wichtige Rolle als Bindeglied zwischen Unternehmen, Arbeitnehmern, Politik und Gesellschaft gespielt. In den letzten 20 Jahren hat die Bedeutung dieser Vermittlerrolle jedoch im Zuge von Globalisierung, Europäisierung und gesellschaftlichen Veränderungen abgenommen.
Als Zusammenschlüsse von Unternehmen sind Wirtschaftsverbände zunächst nicht handelndes Subjekt zum Thema CSR. Unmittelbar betroffen sind vielmehr das unternehmerische Handeln und das gesellschaftliche Engagement ihrer Mitgliedsfirmen. Wirtschaftsverbände könnten jedoch eine wichtige Rolle einnehmen, z. B. intern als Ratgeber ihrer mittelständischen Mitglieder, um Aktivitäten effizienzsteigernd zu bündeln oder um die Verhaltensnormen ihres Wirtschaftszweiges in der Öffentlichkeit positiv darzustellen.
Spitzenorganisation der industriellen Wirtschaftsverbände ist der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der für seine Mitglieder wirtschaftspolitische Interessenvertretung gegenüber Regierung und Parlament in Berlin und Brüssel übernimmt.
Abzugrenzen von Wirtschaftsverbänden sind Arbeitgeberverbände, Industrie- und Handelskammern (IHK) und Handwerkskammern mit den jeweiligen Spitzenverbänden BDA, DIHK und ZDH.
Gerade das deutsche Modell einer ausdifferenzierten, mittelständisch strukturierten Wirtschaft verlangt nach einer funktionierenden Interessenvertretung. Anders als Großunternehmen können kleine und mittlere Betriebe sich schwer politisch durchsetzen. Komplexe Aushandlungsprozesse mit Einzelnen funktionieren nicht – Wirtschaftsverbände werden also im Interesse der Volkswirtschaft auch zukünftig gebraucht.
Die Aufgaben von (Wirtschafts-)Verbänden lassen sich vereinfacht in zwei Kategorien einteilen: (siehe Abbildung 1) nach innen orientiert: Meinungsbildung, Information, Veranstaltungen, technische Normung, Fortbildung, nach außen orientiert: Artikulation der gemeinsamen Interessen durch Lobbyarbeit, externe Kommunikation, Marketing.
Empirisch ergibt sich, dass viele Verbände ein Schwergewicht auf die internen Dienstleistungen legen und weniger Zeit, Geld und Arbeit für externe Kommunikation verwenden.
Corporate Social Responsibility
Corporate Social Responsibility ist „ein Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale, ökonomische und ökologische Belange über ihre rechtlichen Pflichten und wirtschaftlichen Notwendigkeiten hinaus in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren“2.
Nachhaltiges Wirtschaften war schon in der Antike und im Mittelalter ein bekanntes Konzept; die neuere Diskussion begann in den 1950er-Jahren in den USA und in den 80er-Jahren in Europa. In Deutschland waren typische CSR-Themen wie „Umwelt“, „Mitarbeiter“ und „Soziales“ zu diesem Zeitpunkt in Teilen schon gesetzlich geregelt.
Warum aber wird im CSR-Konzept von Unternehmen verlangt, freiwillig mehr für die Gesellschaft zu tun als das, was ihnen gesetzlich vorgeschrieben ist? Ist es nicht ihre alleinige Aufgabe, Geld zu verdienen – mit den Worten von Milton Friedman: „The social responsibility of business is to increase its profits”?3
Die Forderung nach CSR-Aktivitäten von Unternehmen liegt in den gesellschaftlichen Erwartungen an ihre Verantwortung begründet. Aus wirtschafts-ethischer Sicht kann die Notwendigkeit von CSR damit begründet werden, dass es gesellschaftlich nicht mehr akzeptierte Effekte unternehmerischen Handelns gibt (wie z. B. Umweltverschmutzung oder Ausnutzung von Marktmacht), die weder durch Marktmechanismen noch durch staatliche Regeln verhindert werden können.
Der Ausweg soll (in Grenzen) die Möglichkeit sein, dass Unternehmen in Selbstverantwortung gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, welche durch Transparenz öffentlicher Kontrolle unterliegt.4 Umfassende CSR-Konzepte sollen also Ungerechtigkeiten und Marktversagen heilen.
Gesellschaftliche Erwartungen an Unternehmen (siehe Abbildung 2)
Ökonomische Verantwortung: Erzielung von Gewinnen zur Befriedigung der Kapitalgeber
Rechtliche Verantwortung: Befolgen von Gesetzen, Vorschriften und Normen
Ethische Verantwortung: Einhalten von gesellschaftlich anerkannten Werten
Philanthropische Verantwortung: freiwillige wohltätige Leistungen in der Gesellschaft
Gründe für CSR-Maßnahmen aus Unternehmenssicht
Warum betreiben nun Unternehmer oder angestellte Manager CSR-Aktivitäten? Die persönliche Motivation wird eine andere sein als die wirtschaftsethische Begründung.
Es kann unterschieden werden zwischen dem „moral case“ und dem „business case“.5
Im ersten Fall wird davon ausgegangen, dass (häufig Eigentümer-)Unternehmer, ohne kommerzielle Interessen, aus ethischen Gründen tätig werden.
Im „business case“ hingegen wird unterstellt, dass wirtschaftliche Interessen des Unternehmens im Vordergrund stehen.
CSR-Instrumente und ihre Umsetzung (siehe Abbildung 3)
Das Konzept der CSR lässt sich in zwei Bestandteile gliedern6:
Corporate Compliance befasst sich mit den betrieblichen Abläufen und beinhaltet neben der ökonomischen Verantwortung das Einhalten von Normen, z. B. gesetzliche Vorschriften, Management-Standards (z. B. Qualitätsmanagement), freiwillige Verhaltenskodizes wie Kartellrechtsrichtlinien oder Vereinbarungen zum Umweltschutz.
Corporate Citizenship betrifft das nicht direkt mit dem betrieblichen Ablauf in Verbindung stehende, freiwillige bürgerschaftliche Engagement von Unternehmen. Zusammengefasst sollen die Aktivitäten ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit (Sustainability) ergeben.
Für viele mittelständische Unternehmen ist es lang geübte Tradition, sich im lokalen Umfeld als „good corporate citizen“ zu verhalten. Größere Unternehmen wie Aktiengesellschaften, die sehr viel mehr im Fokus von Investoren und kritischer Öffentlichkeit stehen, haben z. T. professionelle Systeme und Konzepte inklusive externer Berichterstattung installiert.
Es gibt erste unverbindliche Regelwerke zu CSR: die OECD-Leitsätze, der UN Global Compact und die Norm ISO 26000.
Die Europäische Union hat 2011 eine umstrittene, die bisherige Freiwilligkeit infrage stellende CSR-Strategie vorgestellt.
Die Bundesregierung hat ihrerseits vielfältige Initiativen zum Thema CSR ergriffen.7
In Deutschland gibt es mittlerweile eine fast unübersehbare Vielfalt von Initiativen und Netzwerken, die sich mit dem Thema CSR befassen und denen sich Unternehmen anschließen können.8
Kritik an CSR wird wegen der Möglichkeit geäußert, dass Unternehmen die CSR-Maßnahmen nur symbolisch betreiben könnten, um sich ein besseres Image und bessere Absatzchancen zu verschaffen, das sog. „greenwashing“.
Öffentlichkeitsarbeit: Bedeutung für Wirtschaftsverbände und für CSR
CSR wird häufig im Zusammenhang mit Maßnahmen von Public Relations (PR) gesehen. Vielfach wird Unternehmen dabei unterstellt, CSR-Maßnahmen in erster Linie zu ergreifen, um sich wirtschaftliche Wettbewerbsvorteile zu sichern.
Nach dem Motto „Tue Gutes und rede darüber“ wird andererseits aber auch als legitim anerkannt, wenn Transparenz gegenüber Kunden, Mitarbeitern und der Öffentlichkeit bezüglich der Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung geschaffen wird. Viele Spender wiederum handeln aus ethischer oder religiöser Überzeugung und wollen gerade vermeiden, dass ihr Engagement bekannt wird.
Verbänden wird wenig Professionalität in der PR-Arbeit nachgesagt, was erstens in dem „strukturellen Dilemma“ begründet sei, dass sie divergierende Mitgliederinteressen nicht mediengerecht zuspitzen könnten9, zweitens organisatorisch nicht gut genug aufgestellt seien10 und drittens ihre Kommunikationsarbeit nicht auf die moderne Mediengesellschaft, sondern die eigenen Mitglieder bzw. abgegrenzte Zielgruppen in Politik und Verwaltung abstellten.11 Andererseits wird in der Beschreibung von Zielen und Aufgaben von Wirtschaftsverbänden die „Förderung des Branchenimages“ häufig als wichtig bezeichnet.
Die Priorisierung der PR hängt zwar von der Branche ab, aber externe Kommunikation gehört zu den Kern-Aufgaben aller Wirtschaftsverbände, sei es, um kurzfristig Image und Absatzchancen der Mitgliedsfirmen zu fördern oder um in der gesellschaftlichen Debatte Interessen und Legitimität der Branche zu unterstützen.
Wirtschaftsverbände vertreten gruppenspezifische Interessen, daher wird die Glaubwürdigkeit ihrer PR-Maßnahmen zwar als niedriger angesehen als diejenige von gemeinwohlorientierten Non-Profit-Organisationen (NPO), aber höher als diejenige von Unternehmen, welche individuelle, kommerzielle Interessen vertreten.
Positionierung von Wirtschaftsverbänden zum Thema CSR in Deutschland Positionierung der vier Spitzenverbände
Die übergreifende Forderung der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft (BDI, BDA, DIHK, ZDH), die auch von der Bundesregierung geteilt wird, ist, dass CSR weiterhin eine freiwillige Aktivität bleiben müsse. Aufgabe der Wirtschaft könne es nicht sein, Versäumnisse des Staates nachzuholen. Zuviel Regulierung würde sogar das Engagement der Unternehmen drosseln.
Vorschläge der EU-Kommission von 2011 werden wie folgt beurteilt:
Die geforderte Pflicht zur Transparenz wird abgelehnt, da ebenso wie das Engagement selbst auch die Information darüber freiwillig bleiben müsse.
Grundanforderungen an Verhaltenskodizes werden abgelehnt, weil die Branchen und ihre Bedürfnisse zu unterschiedlich seien.
Eine Verpflichtung auf internationale Leitsätze wird wiederum wegen der Unvereinbarkeit mit der Freiwilligkeit von CSR-Aktivitäten abgelehnt.
CSR-Aktivitäten dürften auch nicht Voraussetzung für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen sein.
Der BDI sieht die gesellschaftliche Akzeptanz des Unternehmertums als eine besondere Herausforderung der Zukunft; die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung durch Unternehmen unter dem Stichwort CSR wird daher nachdrücklich unterstützt. Ohne gesellschaftliche Akzeptanz sei das Unternehmertum auf Dauer zum Scheitern verurteilt.
Die Spitzenverbände unterhalten gemeinsam die umfangreiche Informations-Plattform csr-germany.de.
Quantitative Untersuchung anhand der BDI-Mitglieder
Die 42 Mitgliedsverbände (sowie – wo direkt ersichtlich – ihre Unterverbände) des BDI wurden in einer mehrstufigen Analyse auf ihre Aktivitäten zum Thema CSR untersucht.
Die Aktivitäten werden in fünf Untersuchungskategorien eingeteilt (siehe Abbildung 4):
- Politische Arbeit
- Öffentlichkeitsarbeit
- Mitgliederinformation
- Instrumente für Mitglieder
- Eigene Projekte
- Ergebnisse
Die untersuchten Wirtschaftsverbände sind entweder sehr aktiv oder fast passiv, ein Mittelfeld ist kaum vorhanden (siehe Abbildung 5):
- 14 Wirtschaftsverbände sind in vier (4) oder fünf (10) Kategorien aktiv
- Sechs Verbände sind in zwei (6) oder drei (0) Kategorien aktiv
- 21 Wirtschaftsverbände sind gar nicht (13) oder nur in einer (8) Kategorie aktiv
- Von den Wirtschaftsverbänden mit Aktivitäten in nur einer Kategorie hatten sieben von acht Verbänden für ihre Mitglieder Verhaltenskodizes entwickelt.
Die Aktivitäten der Wirtschaftsverbände werden relativ gleichverteilt auf die fünf Kategorien durchgeführt, mit einer leichten Untergewichtung bei den eigenen Projekten (14) und einer leichten Übergewichtung bei der Entwicklung von gemeinsamen Instrumenten (21), (siehe Abbildung 6).
Von den 21 Wirtschaftsverbänden, die Instrumente für ihre Mitglieder entwickeln, haben 17 einen Verhaltenskodex entwickelt. Diese „Codes of Conduct“ sind die am häufigsten vorkommende CSR-Aktivität der untersuchten Wirtschaftsverbände.
Beispiele für CSR-Aktivitäten von Wirtschaftsverbänden in den fünf definierten Kategorien Politische Arbeit
Die Kontakte zu politischen Entscheidungsträgern in Regierung, Parlament, EU-Behörden und anderen staatlichen Stellen gehören zu den Kernfunktionen von Wirtschaftsverbänden.
Die Wirtschaftsverbände bedienen sich für die Artikulation ihrer politischen Interessen verschiedener Instrumente; neben politischen Gesprächen und Medienarbeit werden Veranstaltungen und Kooperationen mit NPOs und CSR-Netzwerken durchgeführt. VDMA und ZVEI z. B. betreiben aktive Pressearbeit zum Thema CSR.
Gesamttextil sieht die Aufgabe der Verbände beim Thema CSR „… in der Teilnahme an der gesellschaftspolitischen Diskussion. Der Verband will den Dialog mit den unterschiedlichen Stakeholdern und der Politik zu diesem Thema führen und dabei auch zu einem guten Image beitragen.“
Für den HDE ist das Hauptargument gegen jeglichen „CSR-Zwang“, dass einzelnen Marktakteuren die Chance genommen werde, sich durch besondere CSR-Aktivitäten beim Kunden zu profilieren.
Öffentlichkeitsarbeit
Die Förderung des Branchenimages wird in der Selbstdarstellung vieler Wirtschaftsverbände als eine ihrer Kernaufgaben beschrieben.
Im Jahr 2012 wurde eine Vielzahl von neuen Initiativen gestartet, z. B. plante die Wirtschaftsvereinigung Zucker eine Werbe- und PR-Kampagne, die neben den klassischen Ernährungsthemen auch „auf den Beitrag der Rüben- und Zucker-erzeugung zur ökologischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeit“ verweisen soll.
Die BVE gibt auf ihrer Website neben einigen Statements zum Verhältnis zwischen Ernährungsindustrie und Welt-ernährung auch zahlreiche Beispiele für CSR-Aktivitäten in ihren Mitgliedsverbänden bzw. -unternehmen.
Der VDMA bietet Broschüren zum Thema CSR an, stellt zahlreiche Beispiele für CSR-Aktivitäten seiner mittelständischen Mitgliedsunternehmen vor und formuliert: „CSR verbessert das Image eines Unternehmens und seiner Produkte und schafft damit einen Wettbewerbsvorteil.“
Der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft BTW informiert umfassend über Aktivitäten seiner Mitgliedsfirmen, -verbände und der gesamten Reisebranche zum Thema Nachhaltigkeit und verweist auf Internetseiten, Geschäftsberichte und, wo schon vorhanden, Nachhaltigkeitsberichte der verschiedenen Akteure.
Mitgliederinformation
Die Selektion, Bündelung und Weitergabe von Informationen an die Mitgliedsunternehmen ist ebenfalls eine der Grundfunktionen von Wirtschaftsverbänden. Auf verschiedensten Kanälen unterrichten Wirtschaftsverbände ihre Mitglieder über relevante Aspekte von CSR.
Der Verband Gesamttextil formuliert: „Gleichzeitig nehmen die Verbände die Funktion als Kommunikationsplattform wahr, zum einen für Best-Practice-Beispiele der Industrie, zum anderen als
Ideen- und Ratgeber für Unternehmen, die sich im Bereich CSR engagieren möchten, denn Erfahrungsaustausch fördert die unternehmerische Verantwortung.“
Der Zentrale Immobilien Ausschuss ZIA veröffentlicht auf seiner Internetseite eine Sammlung von relevanten Publikationen zum Thema „Immobilien und Nachhaltigkeit“.
Im Jahr 2012 fanden verschiedene Branchenkongresse statt, die das Thema CSR ausführlich behandelten: Der ITB-Kongress widmete anlässlich der Internationalen Tourismus-Börse ein ganzes Kongress-Segment mit fünf Vorträgen und vier Panel-Diskussionen dem Thema CSR – mitgestaltet von einer Vielzahl von Vertretern der Branchenverbände.
Das forum-anders-reisen e.V. hat einen Leitfaden „CSR-Reporting im Tourismus“ entwickelt. Er stellt eine praxisorientierte Handreichung für die Mitglieder dar, die ihre CSR-Aktivitäten professionell dokumentieren wollen.
Entwicklung von Instrumenten für Mitglieder
Häufigstes Beispiel für CSR-Instrumente, die von (oder in) Wirtschaftsverbänden für die Mitglieder entwickelt werden, sind in dieser Untersuchung „Codes of Conduct“ oder Verhaltenskodizes. In den meisten Fällen ist der Beitritt zum Kodex vom Wirtschaftsverband empfohlen, bleibt aber freiwillig.
Die Kodizes beziehen sich überwiegend auf allgemeine (z. B. Kartellrecht, Korruption) oder branchenspezifische (z. B. Gesetze in den Lieferantenländern, Werbebeschränkungen für Zigaretten oder Alkohol) Corporate-Compliance-Tatbestände.
Aber auch für Corporate-Citizenship-Aspekte gibt es eine Reihe von allgemeinen (z. B. faires Verhalten) und speziellen (z. B. Fischfangquoten, Konzepte gegen Spielsucht, nachhaltigen Kakaoanbau) Vereinbarungen in den Verbänden.
Dabei sind die Grenzen zwischen Compliance und Citizenship teilweise fließend und auch die Übergänge von gesetzlichen Vorschriften zu freiwilligen Mehrleistungen müssen genau betrachtet werden.
Beispiele
Der Zentrale Immobilien Ausschuss ZIA formuliert für die von ihm organisierte Immobilienwirtschaft einen Nachhaltigkeitskodex, welcher den Mitgliedern zur Annahme als Selbstverpflichtung empfohlen wird.
Der Süßwarenverband BDSI im BVE verabschiedete im März 2012 eine Zielvereinbarung für seine Mitglieder, in welcher der zukünftige Anteil nachhaltig erzeugten Kakaos in den in Deutschland verkauften Süßwaren festgelegt wurde.
Der Kunststoffverband GKV hat für seine Mitglieder einen Kodex erarbeitet, der sowohl Compliance-Anforderungen enthält als auch Aussagen zur gesellschaftlichen und sozialen Verantwortung von Unternehmen. Gerade mittelständischen Mitgliedsunternehmen soll so eine Hilfestellung gegeben werden, gleichzeitig Haftungsrisiken zu minimieren und ethisches Verhalten zu demonstrieren.
Eigene Projekte
Wirtschaftsverbände betreiben im Auftrag ihrer Mitgliedsfirmen auch CSR-Projekte im eigenen Namen.
Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger VDZ gründete 2008 die „Deutschlandstiftung“ zur Sprach-Integration von Migranten.
Spenden werden häufig anlässlich von Mitgliederversammlungen oder Kongressen geleistet. Beispiele liefern der Bundesverband Energie und Wasserwirtschaft BDEW und der Baumarktverband BHB, der Bäume pflanzen lässt.
Der Verband der Deutschen Tapetenindustrie e.V. bietet sozialen Einrichtungen wie Altenheimen und Kindergärten kostenlos Material für die Renovierung ihrer Räumlichkeiten.
Viele Wirtschaftsverbände unterwerfen auch ihre eigenen Aktivitäten dem allgemeinen, für die Mitglieder erarbeiteten Branchen-Kodex bzw. einem eigenen Verbands-Kodex, z. B. der ZIA und der Bundesarbeitgeberverband Chemie.
Wenn für eine ganze Branche Vereinbarungen und Kooperationen mit Dritten zu schließen sind, kann dies stellvertretend für die betroffenen Unternehmen und dadurch besonders effizient der Wirtschaftsverband übernehmen.
So hat der Deutsche Kaffeeverband e.V. im eigenen Namen mit der GIZ Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH und anderen Partnern Vereinbarungen zu Sozial-, Wirtschafts- und Umweltstandards im Kaffeesektor entwickelt.
Bewertung und Interpretation
Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass sich in der untersuchten Stichprobe die Wirtschaftsverbände entweder sehr aktiv oder fast komplett passiv verhalten. Die aktiven Wirtschaftsverbände zeigen eine beeindruckende Breite und Tiefe von Aktivitäten zum Thema CSR, z. B. in der Reise-, Immobilien- oder Chemiebranche. Sie weisen ein breites Spektrum von Aktivitäten auf und unterstützen ihre Mitglieder sowohl durch Informations- und Koordinierungsmaßnahmen in der Innenbeziehung als auch durch eine aktive Kommunikationsarbeit mit den Stakeholdern.
Am häufigsten werden Verhaltenskodizes eingesetzt.
Wirtschaftsverbände aus Branchen mit sozialer Relevanz, welche besonderes öffentliches Interesse anziehen (z. B. Klima, Ernährung, Arbeitsbedingungen in der Dritten Welt, Umwelt) weisen besonders viele CSR-Aktivitäten auf, aber auch Verbände mit vielen mittelständischen Mitgliedsfirmen sind aktiv.
Mögliche Gründe für fehlendes CSR-Engagement (siehe Abbildung 7)
- Wenn Wirtschaftsverbände keine oder wenig Aktivitäten zum Thema CSR zeigen, kann das verschiedene Gründe haben:
- Mitgliedsfirmen nutzen CSR-Aktivitäten als Wettbewerbsfaktor, Verband muss sich zurückhalten
- Es soll im Gegenteil der Eindruck von strategischen CSR-Aktionen nach der „business case“-Logik vermieden
- werden
- Das Thema wird als (noch) irrelevant angesehen
- Fehlende Ressourcen
- Die möglichen Gründe für ein CSR-Engagement von Wirtschaftsverbänden sind vielfältig: (siehe Abbildung 8)
- Interne Servicefunktionen für die Mitgliedsfirmen: z. B. Beratung, Erstellung von Kodizes, Professionalisierung von sozialen Projekten, Anstoßen von Bewusstseinswandel in der Branche
- Externe Einflussnahme: z. B. Lobbyarbeit, PR, langfristige Legitimation der Branche, Entwicklung von branchenspezifischen Maßnahmen
- Aus weiteren Gründen wie der besonderen Vermittlungsfunktion der Verbände zwischen Wirtschaft und Zivilgesellschaft, aus interner Motivation der handelnden Personen oder auch wegen der höheren Effizienz von Corporate-Citizenship-Maßnahmen aus Sicht der Begünstigten
- Aktive Public-Relations-Arbeit ist vielen Wirtschaftsverbänden im Zusammenhang mit CSR-Aktivitäten wichtig und sie sehen sie als eine Möglichkeit, ihren Stakeholdern die Branche positiv zu präsentieren.
- Für viele Wirtschaftsverbände besteht aber noch Handlungsbedarf in der Außen-
- darstellung ihrer Mitgliedsfirmen und der gesamten Branche.
Die Bedeutung von CSR wird in Zukunft zunehmen.
Es ist offen, ob die Forderung nach Freiwilligkeit aufrechtzuerhalten ist und ob nicht z. B. Selbstverpflichtungen oder Zertifizierung an ihre Stelle treten. Es wird argumentiert, die mangelnde Vergleichbarkeit von CSR-Konzepten und die damit verbundene Möglichkeit zum „Greenwashing“ lieferten der EU-Kommission Argumente dafür, die Freiwilligkeit anzugreifen. Hier ist eine aktivere Positionierung der Spitzenverbände sowie allgemein der Wirtschaftsverbände auch in der Öffentlichkeit zu erwarten.
Das Thema CSR wäre eine gute Gelegenheit für Wirtschaftsverbände, ihre weiterhin große Bedeutung für die Mitgliedsunternehmen zu unterstreichen.