Die „Kunst der guten Organisationsführung“, Corporate Governance, erlangte nicht nur in der Privatwirtschaft eine hohe Bedeutung in der Diskussion, sondern findet auch in Verbänden Nachahmer und Adapteure. Inwieweit Corporate Governance jedoch tatsächlich Einzug gehalten hat, welche Methoden übernommen und umgesetzt sind, erfragte eine Studie der Beratungsgesellschaft KPMG gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Public Management der Universität Potsdam. Verbändereport stellt die wesentlichen Ergebnisse vor.
Unter „Corporate Governance“ verstehen die Autoren sowohl obligatorische wie auch freiwillige Maßnahmen, die der effektiven Zielerreichung der Organisationen dienen, schließlich vorrangig als Non-Profit-Governance und damit klar abgegrenzt vom klassischen „Management“. Erfolgreiche Corporate Governance gewährleiste verantwortliche, qualifizierte, langfristige und transparente Führung der Organisationen. Sie unterstehe dem Anspruch, sowohl in der Organisation selbst wie auch für deren Mitglieder, Eigentümer und Vorstände hohe Wirtschaftlichkeit mit moralischen Standards zu vereinen. Gerade, da sich die „Rahmenbedingungen für Nonprofit-Organisationen gravierend verändern“, in Zeiten spärlich sprudelnder öffentlicher Kassen und zunehmender Konkurrenz auf erwerbswirtschaftlicher Seite, erlange – so die Autoren der Studie – die Beschäftigung mit Corporate Governance größere Wichtigkeit im Wettbewerb um Glaubwürdigkeit und Effizienz.
Die Studie, zu der insgesamt 89 NPO verschiedener Rechtsformen in Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt wurden, erfasst den Ist-Stand der Umsetzung von Corporate-Governance-Leitlinien in nicht gewinnorientierten Organisationen. „Sowohl Verbände wie auch verbandsähnliche Organisationen und klassische Nicht-Regierungs-Organisationen sind unter dem Begriff NPO im Rahmen der Studie subsumiert“, stellt Christian Graf von Hardenberg, Partner bei KPMG, die breite Basis heraus. „Einen Schwerpunkt der Untersuchung bildet die Einbindung von Ehrenamtlichen in die Leitungsstrukturen von Organisationen, die bei fast allen Befragten gelebte Praxis ist“, so Dr. Patricia Siebart vom Lehrstuhl für Public Management der Universität Potsdam. „Insbesondere Fragestellungen nach den Strukturen und Steuerungsprozessen, deren Kriterien sowie den vorgeschalteten Leitungskonzepten bilden den Hintergrund der Befragung.“ Abschließend ist festzustellen, dass durchaus noch Handlungsbedarf gegeben ist, dieser sich jedoch vorrangig auf die Einführung von Risiko- und Qualitätsmanagementsystemen, finanzielle und sonstige Anreizsysteme, Zielvereinbarungen und Personalentwicklungs-instrumente sowie die Verkleinerung von Leitungsgremien konzentriert.
Teilnehmer der Studie
Von den 89 kontaktierten Organisationen standen im Befragungszeitraum insgesamt 63 in Deutschland, 15 in Österreich und 11 in der Schweiz für persönliche Interviews zur Verfügung; das entspricht einer Rücklaufquote von knapp 50 Prozent und liegt damit oberhalb der sonst eher dürftigen Datenbasis vergleichbarer sektorspezifischer Befragungen. Mit knapp 70 Prozent ordnet sich ein Großteil der Befragten dem Bereich „Gesundheit und Soziales/Hilfsorganisationen“ zu, wohingegen andere Arbeitsschwerpunkte wie „Sport und Freizeit“, „Bürger und Verbraucher“, „Umwelt und Naturschutz“, „Kultur“ und „Kirche/ähnliche Organisationen“ mit durchschnittlich etwa 13 Prozent weit geringer vertreten sind (Abb. 1). Über drei Viertel aller Befragten sind als Verein organisiert, 14 Prozent agieren in Form einer Stiftung und 8 Prozent als Kapitalgesellschaft oder vergleichbare Rechtsformen (gGmbH).
Im Mittel beschäftigen die Organisationen 55 hauptamtliche Mitarbeiter (bzw. halten 43 Vollzeitstellen vor); drei der befragten Organisationen gaben an, keinerlei hauptamtliche Verwaltung zu besitzen, eine Organisation gab an, insgesamt 5.730 Mitarbeiter zu beschäftigen. Durchschnittlich generieren alle NPO der Stichprobe einen Umsatz in Höhe von knapp 37 Millionen Euro – in einer Spanne von 30.000 Euro Jahresumsatz bis maximal 2,1 Mrd. Euro. Es ist nicht verwunderlich, dass die Einnahmenstruktur stark an die Arbeitsbereiche gekoppelt ist: Von denjenigen Organisationen, die nicht im Bereich „Gesundheit und Soziales“ aktiv sind, gaben überdurchschnittlich viele an (mehr als 60 Prozent), keinerlei öffentliche Zuwendungen zu erhalten, während dieser Anteil bei Organisationen im Bereich „Gesundheit und Soziales“ mit knapp über einem Fünftel sehr dem Durchschnitt entspricht (siehe Abb. 2).
Hauptamt und Ehrenamt
Die Besonderheit vor allem verbandlicher Organisationen in Abgrenzung zu privatwirtschaftlichen Unternehmungen bildet die Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamt. Neben der strukturellen Notwendigkeit, das Ehren- und Hauptamt gleichermaßen einzubinden und auf die Zielsetzung der NPO gewissermaßen zu „vereinen“, gelten überwiegend auch die Sicherung von Legitimität und die Akzeptanz von Mitbestimmungsrechten als Hauptgrund. Ein Großteil der befragten Teilnehmer der Studie erklärt die Einbindung hingegen weniger aus repräsentativer Absicht heraus als vielmehr durch eine effektive Einbindung von Fachwissen und schließlich mit dem Faktor „Image-bildung“ nach außen. Weniger als die Hälfte der befragten Geschäftsführer gibt an, dass diese Finanzierungsgesichtspunkte eine wichtige Rolle dabei spielen (siehe Abb. 3).
Hauptamtliche Vertreter sind in nahezu allen befragten Organisationen in Gremien der überwachenden Ebene eingebunden; über 80 Prozent aller Hauptamtler sind Mitglied eines Überwa-chsungsgremiums und immerhin mehr als ein Zehntel mit Stimmberechtigung. „Offensichtlich wird nur in einem Fünftel der befragten Organisationen der in Aktiengesellschaften üblichen Trennung von Geschäftsführungs- und Überwachungsaufgaben entsprochen“, stellen die Autoren fest.
Langfristige strategische wie auch kurzfristige operative Entscheidungen werden gemeinsam durch das Haupt- und Ehrenamt getroffen, wohingegen die Initiative in beiden Fällen vom Hauptamt ausgeht. Langfristige Entscheidungen werden in mehr als drei Viertel aller Fälle maßgeblich durch das Ehrenamt beeinflusst; hingegen ist für operative Entscheidungen in vier Fünftel der befragten Organisationen das Hauptamt maßgeblich (Abb. 4).
Wahl und Auswahl der Mitglieder auf Leitungsebene
Was dem Ehrenamt die Wahl, ist dem Hauptamt die Ernennung: Weit mehr als drei Viertel aller Befragten gaben an, die Vertreter des Hauptamtes zu ernennen, häufig durch eine Vorauswahl „gesiebt“ (knapp 40 Prozent der Fälle). Zu gleichem Anteil werden Vertreter des Ehrenamtes durch Wahl bestimmt, nachdem in knapp 20 Prozent aller befragten Organisationen eine Vorauswahl stattgefunden hat. Ein Drittel aller Organisationen gab an, ehrenamtliche Mitglieder auf Leitungs-ebene zu benennen, wenige durch Kooptation einzubinden.
Klares Hauptaugenmerk bei den Kriterien liegt auf der zur Verfügung stehenden Fachkompetenz der Wahl-Amtler genauso wie bei zu ernennenden Ehrenamtlern. Weniger Wichtigkeit genießen Kriterien wie „Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe“, auch die Möglichkeit des Ressourcenzugangs durch vermittelnde Einbindung des Ehrenamtes wird als eher unwichtig eingeschätzt (Abb. 5). Erstaunlich ist, dass etwa 40 Prozent der befragten Geschäftsführer Verbesserungspotenziale bei allen oder einigen ehrenamtlichen Mitgliedern auf Leitungsebene ausmachen, besonders „hinsichtlich ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten, obwohl in mehr als 80 Prozent der Fälle gerade Fachkompetenz als das entscheidende Kriterium für die Auswahl der Mitglieder benannt wurde“, halten die Autoren der Studie fest (siehe Abb. 6).
Herausgehobene Bedeutung im Rahmen „guter Organisationsführung“ genießt eine korporative Überwachungsfunktion, oftmals durch aufsichtsratsähnliche Gremien wahrgenommen. Bereits angemerkt wurde, dass eine klassische Trennung nicht ausgemacht werden kann, wohl aber ist die Frage nach den jeweiligen Funktionen möglich: Nach Meinung der befragten Geschäftsführer ist die Leistung der Überwachsungsgremien zufriedenstellend, zuweilen gut. Hingegen fällt in der Tiefenbetrachtung auf, dass klassische Funktionen wie beispielsweise Qualitätssicherung von immerhin knapp einem Sechstel als unzureichend bemängelt werden (Abb. 7). Ähnliches Verbesserungspotenzial existiert auf dem Feld der finanziellen Sicherung, wohingegen Repräsentationsleistungen eine überdurchschnittlich hohe Bewertung genießen.
Effektivitätszuwachs
Gerade im Bereich nicht gewinnorientierten Wirkens ist die Effektivitätsmessung nicht allein an finanziellen oder betriebswirtschaftlichen, das heißt schließlich auch einfach messbaren Kennzahlen vorzunehmen. Neben „harten“ Werten wie Jahresabschluss oder Mitgliederzahl sind auch „weiche“ Faktoren wie Image und Zufriedenheit mitzuberücksichtigen. Die mit Abstand vier wichtigsten Faktoren können eine solche Balance abbilden: Jeweils knapp 90 Prozent der befragten Geschäftsführer halten „Imageentwicklung“ der Organisation sowie die „Dienstleistungsqualität“ als Kriterien zur Messung der Effektivität eigener Arbeit für wichtig. Beides gefolgt mit jeweils knapp 70 Prozent von der Beachtung des Jahresergebnisses und der Mitarbeiterzufriedenheit (Abb. 8). „Überraschend ist, dass der Spendenentwicklung nur eine geringe Bedeutung zugemessen wird, denn das Spendenaufkommen könnte als Maß für das Vertrauen verstanden werden, das der Organisation entgegengebracht wird. Hierfür ist nicht entscheidend, welche Bedeutung Spenden bisher im Finanzierungsportfolio der Organisation haben. Dennoch besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Anteil der Spenden an der Gesamtfinanzierung und der Bedeutung, die diesen als Effektivitätskriterium beigemessen wird“, verdeutlichen die Autoren den Zusammenhang von Spendenaufkommen und Spendenfinanzierung. Ein ähnlicher Zusammenhang lässt sich für die globale Mitgliederzufriedenheit zeigen: Tendenziell nimmt die Wertigkeit dieses Faktors mit steigender Mitgliederzahl zu.
Inwieweit werden diese Kriterien jedoch genutzt, um die eigene Arbeit tatsächlich zu bewerten? Um dies klären zu können, fragt die Studie nach der realen Veränderung dieser Werte in den letzten fünf Jahren bzw. setzt diese in einen Benchmark zueinander. Mehr als die Hälfte der befragten Organisationen haben in den zurückliegenden Jahren eine Steigerung des Dienstleistungsumfanges oder – wirtschaftlicher gesprochen – des Marktanteils verzeichnet. Gleichzeitig geben knapp zwei Drittel der befragten Geschäftsführer an, im selben Zeitraum die Dienstleistungsqualität verbessert zu haben. Auf der anderen Seite erheben knapp 20 Prozent keine Daten zu Mitglieder- oder Mitarbeiterzufriedenheit (Abb. 9).
Es sei, so Graf von Hardenberg, „wenig überraschend, dass die staatlichen Zuwendungen die am stärksten rückläufige Tendenz aufweisen“. Finanziell schlägt sich diese Einnahmenminderung jedoch wenig auf die Jahresergebnisse bzw. Rücklagen nieder (Abb. 10). „Mehr als jeweils 40 Prozent der befragten Organisationen gaben an, dass sie das Jahresergebnis bzw. Rücklagen in den letzten fünf Jahren steigern konnten. Dieses Bild relativiert sich jedoch, wenn die absolute finanzielle Situation der Organisationen betrachtet wird: Nur etwa die Hälfte der Organisationen gab an, freie Rücklagen bilden zu können, während die andere Hälfte hierzu nicht in der Lage ist und entweder ausgeglichene Ergebnisse oder Defizite erwirtschaftet“, weist Dr. Siebart auf die Gemengelage hin.
Instrumente des Leitungsprozesses
Bekennung zu Kriterien und deren stete Überprüfung sind Aufgaben des Leitungsprozesses. Die Studie verzichtet auf eine komplette Abbildung dieser Prozesse und erfragt hilfsweise die eingesetzten Instrumente, verwendete Führungs- und Anreizsysteme, um Rückschlüsse auf die Organisationsleitung zu ermöglichen. Wesenhaft für NPO ist die primäre Orientierung an nichtmonetären Indikatoren, auch wenn diese in zweiter Linie notwendig sind, um eine hinreichende finanzielle Basis zur Erreichung der strategischen Ziele bilden zu können. Mit mehr als 90 Prozent aller befragten Geschäftsführer gibt eine überwältigende Mehrheit an, über ausformulierte Mission-Statements oder Leitbilder zu verfügen, und mit etwa 60 Prozent orientiert sich immerhin noch mehr als die Hälfte an sogenannten Corporate Values; eher geringe Verbreitung finden Methoden des Managementsystems wie die Balanced Scorecard oder andere strategische Planungsinstrumente. Bei den nicht reineweg strategischen Managementinstrumenten spielen „harte“ Faktoren wie Budgetierung mit nahezu 90 Prozent Zustimmung und die Ausfertigung einer Kosten-Leistungs-Rechnung wesentliche Rollen (Abb. 12 und 13). Maßgeblich für die Durchdringung der Organisationsziele in alle Ebenen der Mitarbeiter hinein sind Führungs-Anreizsysteme wie beispielsweise Zielvereinbarungen. Knapp zwei Drittel aller Geschäftsführer geben an, diese Instrumente bereits umgesetzt zu haben, und ein relativ großer Anteil von knapp 17 Prozent plant dies (Abb. 14).
Eine besonders umfängliche Ausprägung genießt in allen befragten Organisationen das Berichtswesen, sowohl bezüglich finanzieller wie auch nicht-mone-tärer Faktoren. Besonders auch im Wesen des Vereins liegt eine Erklärung – bei der Mitgliederversammlung – hierfür ebenso jedoch auch in der austarierten Konstellation von Geschäftsführung und Vorstand, von Haupt- und Ehrenamt.
Transparenzgebot
Die Kodizes der Corporate Governance enthalten allesamt Forderungen nach Transparenz vor allem gegenüber Mitgliedern und Anteilseignern im weiteren Sinne (Stakeholder). Eine maßgebliche Rolle spielt hierzu die Veröffentlichung von Daten für die verschiedenen Gruppen. Zwar existieren Unterschiede, gerade mit zunehmender Größe der Organisationen, jedoch lassen sich klare Trends erkennen: Am häufigsten erfolgt eine Bekanntmachung in Form von Jahresabschlüssen, gefolgt von Leistungsdaten sowie finanziellen Kennzahlen. Umfassend sind Mitglieder und Mitarbeiter informiert, Zuwendungsgeber rangieren an dritter Stelle (Abb. 15). Eine Veröffentlichung dieser Daten bzw. deren Verbreitung erfolgt überwiegend vermittels des Internetauftritts, eigener Zeitschriften, regelmäßiger Presseinformationen sowie gegenüber den Mitgliederversammlungen durch Jahres- und Rechenschaftsberichte.
Fazit
„Einige große Verbände haben eigene Corporate-Governance-Kodizes entwickelt. Dabei lehnen sie sich stark an den Deutschen Corporate Governance Kodex an und sehen eine Trennung von Geschäftsführung und Kontrolle vor. Dies hat zur Folge, dass ehrenamtliche Mitglieder der Leitungsorgane stärker auf die Wahrnehmung einer Kontrollfunktion festgelegt werden als bisher und dass insbesondere Modelle, die auf einer starken Kooperation von Geschäftsführer und Leitungsgremium aufbauten, auf den Prüfstand gestellt werden. Auch wird – so scheint es – stärker auf die fachliche Kompetenz der ehrenamtlichen Mitglieder abgestellt, während andere Aspekte – wie die Erfüllung repräsentativer Funktionen – zurücktreten“, skizzieren die Autoren die Zukunftserwartungen auf dem Non-Profit-Sektor. Welche konkreten Maßnahmen sind jedoch geplant?
Eine Änderung der Leitungsstruktur ist in 28 Prozent aller Fälle für die nähere Zukunft geplant. Häufig handelt es sich um eine Verkleinerung der Leitungsgremien. „Diese Entwicklung steht in einem deutlichen Widerspruch zu den Veränderungen in den letzten fünf Jahren, wo Leitungsorgane eher vergrößert als verkleinert wurden“, kommentiert von Hardenberg das Ergebnis. Gleichsam spielen aber auch die Einführung neuer Organe, die stärkere Einbindung Hauptamtlicher, eine klarere Trennung von Haupt- und Ehrenamt und eine stärkere Trennung von Überwachung und Geschäftsführung in die Überlegungen hinein. Von Hardenberg: „Die Erwartung, dass Ehrenamtliche verstärkt auf Überwachungsfunktionen beschränkt würden, bestätigte sich in der durchgeführten Umfrage nicht: Die Trennung von Haupt- und Ehrenamt korrelierte nicht mit der Trennung von Geschäftsführung und Überwachung, wie es dann zu erwarten gewesen wäre.“
Insgesamt macht die Studie deutlich, dass der Diskussion um Corporate Governance kein unreflektiertes Übernehmen in den NPO folgte und gleichsam vernünftige Schritte zur Anpassung der inneren Strukturierung beschritten werden. (TR)