Verbändereport AUSGABE 7 / 2010

Besteuerung nach Belieben?

Logo Verbaendereport

Dieser Tage begegnete mir ein völlig verzweifelter Verbandsgeschäftsführer – erstaunlich genug, denn diese Verbandsprofis sind ja eigentlich eher hart im Nehmen. Der Anlass für diese ungewöhnliche Gemütslage: Der Geschäftsführer hatte soeben ein Rundschreiben seines Dachverbandes erhalten, aus dem hervorging, dass es bei der Umsatzbesteuerung von Mitgliedsverbänden nun völlig anders sei als bisher angenommen, und diese Veränderung sei der Rechtsprechung des EuGH und insbesondere des Finanzgerichts München geschuldet.

Gerade dieses bajuwarische Gericht habe in aller Deutlichkeit gesagt: Die bisherige Unterscheidung in „echte“, nicht der Umsatzsteuer unterliegende Mitgliedsbeiträge und „unechte“ Mitgliedsbeiträge (umsatzsteuerpflichtig) sei nun endgültig passé und daher werde der Dachverband seine Mitgliedsbeiträge ab sofort mit Ausweis der Mehrwertsteuer berechnen. Und noch etwas verwirrte den Geschäftsführer zusätzlich: Sein Steuerberater habe gesagt, dass der eigene Verband gegenüber den Verbandsmitgliedern hinsichtlich der Mitgliedsbeiträge zur Umsatzsteuer „optieren“ könne. Also Besteuerung quasi nach Belieben?

Es ist völlig verständlich, dass der Verbandskollege angesichts widersprüchlichster Aussagen steuerlicher Autoritäten nun nicht mehr recht weiß, wem er was glauben soll. Versuchen wir daher, etwas mehr Licht ins steuerliche Dunkel zu bringen! Das Kernproblem besteht darin, dass viele der genannten steuerlichen Äußerungen unter einer mangelnden Differenzierung leiden oder zumindest die Differenzierungen für den steuerlichen Laien nicht hinreichend deutlich werden. So kann das Münchner Urteil für den dort entschiedenen Einzelfall aufgrund des dort gegebenen Lebenssachverhalts durchaus im -Ergebnis richtig sein. Gefährlich wird die Sache aber immer dann, wenn ein Gericht mit Hinblick auf den konkret gegebenen Sachverhalt allgemeine Grundsätze formuliert, die über das Ziel hinausschießen. Und das ist in dem Münchner Urteil ganz offenbar geschehen. Mit anderen Worten: Das -Gericht -hatte offensichtlich keine Ahnung, wie unterschiedlich die Aufgabenbereiche und Tätigkeitsfelder von Verbänden im täglichen Leben sein können. Man kann die Verbände eben -umsatzsteuerlich nicht einfach über einen Kamm scheren, -sondern muss konkret danach schauen, was der jeweilige Verband seinen Mitgliedern jeweils „anbietet“ und wofür diese ihren Beitrag zahlen.

Und damit sind wir umsatzsteuerlich schon mitten im Problem: Die weithin bekannte Unterscheidung in „ideelle Tätigkeiten“ und „wirtschaftliche Geschäftsbetriebe“ ist für umsatzsteuerliche Zwecke völlig irrelevant. Das Umsatzsteuerrecht hat nämlich seine eigenen Begrifflichkeiten und seine eigene Systematik. Wer diese Besonderheit des Umsatzsteuerrechts nicht beachtet, kommt mit großer Wahrscheinlichkeit zu falschen Ergebnissen.

Für Verbände ist der wichtigste Ausgangspunkt für die umsatzsteuerliche Betrachtung, dass Vereine verschiedene umsatzsteuerliche Sphären haben können, nämlich eine nichtunternehmerische und eine unternehmerische Sphäre. Diese Unterscheidung ist schon seit Langem in der Rechtsprechung von BFH und EuGH anerkannt. Die genannten beiden Sphären haben mit den ertragsteuerlichen Sphären (z. B. ideeller Bereich, Vermögensverwaltung, wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb oder Zweckbetrieb) nichts zu tun.

Unser Verbandsgeschäftsführer muss sich daher zuallererst einmal Gedanken machen, ob sein Verband oder sein Dachverband überhaupt eine unternehmerische Sphäre haben. Wenn nicht, dann fallen die Mitgliedsbeiträge von vorneherein nicht unter die Umsatzbesteuerung. Dann gibt es auch keine Option zur Umsatzsteuer! Wer dann trotzdem Umsatzsteuer auf Mitgliedsbeiträge ausweist, tut dies rechtsfehlerhaft mit der Folge, dass er die vereinnahmte Umsatzsteuer zwar an das Finanzamt abführen muss, den Vorsteuerabzug aber nicht in Anspruch nehmen kann. Verbände, die nur eine nichtunternehmerische Sphäre haben, sind dadurch gekennzeichnet, dass sie gegenüber ihren Mitgliedern keine konkrete, dem jeweiligen Mitglied individuell zukommende Leistung erbringen oder eine solche auch nur anbieten. Solche Fälle sind gar nicht selten, z. B. bei gemeinnützigen Verbänden, die sich für den Schutz der Umwelt einsetzen, oder bei Berufsverbänden, die sich auf das parlamentarische Lobbying beschränken.

Allerdings hat es die Entwicklung der letzten Jahrzehnte mit sich gebracht, dass viele Verbände ihren Mitgliedern zusätzlich konkrete Dienstleistungen anbieten oder sich sogar zum reinen Dienstleister entwickelt haben. Weit verbreitet sind heute Mischformen, die einerseits allgemeine, übergeordnete Interessen ihrer Mitglieder nach außen wahrnehmen, andererseits aber den Mitgliedern ein Recht auf bestimmte individuell in Anspruch nehmbare Leistungen anbieten. Solche Verbände verfügen damit über eine nichtunternehmerische und zusätzlich über eine unternehmerische Sphäre. Das hat der EuGH in seinem „VNLTO-Urteil“ vom Februar 2009 nochmals deutlich herausgestellt: Die Wahrnehmung allgemeiner Mitgliedsinteressen sei nicht umsatzsteuerbar, weil der Verein in solchen Fällen gegenüber seinen Mitgliedern weder eine Lieferung noch eine sonstige Leistung erbringe.

Wenn die Mitglieder für eine Leistung des Verbandes oder ihr Recht auf Leistung kein gesondertes Entgelt bezahlen, sondern nur einen einheitlichen Mitgliedsbeitrag, so liegt die Annahme nahe, dass zumindest ein Teil des Mitgliedsbeitrages Entgeltcharakter hat und dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen ist. Der einheitliche Mitgliedsbeitrag muss dann für umsatzsteuerliche Zwecke in einen umsatzsteuerbaren Entgeltsanteil und einen nicht der Umsatzbesteuerung unterliegenden Zahlungsanteil aufgeteilt werden. Ob man diese Bestandteile dann noch als „echte“ oder „unechte“ Beiträge bezeichnen will, ist lediglich eine letztlich unerhebliche Frage der Terminologie. In der umsatzsteuerlichen Terminologie kommt es nur darauf an, ob eine Zahlung ein umsatzsteuerliches „Entgelt“ darstellt oder nicht.

Was ist dem geplagten Verbandskollegen nun zu raten? Er muss ganz einfach prüfen, ob sein Dachverband gegenüber seinem Mitgliedsverband eine umsatzsteuerpflichtige Lieferung oder sonstige umsatzsteuerpflichtige Leistung erbringt oder zumindest einen Anspruch auf solche Lieferung oder -Leistung einräumt. Ist dies in vollem Umfang der Fall, so ist der Ausweis der Umsatzsteuer auf den Mitgliedsbeitrag des Dachverbandes richtig. Damit ist aber noch nicht automatisch gesagt, dass der Mitgliedsverband seinerseits diese Umsatzsteuer vom Finanzamt erstattet erhält. Denn dazu wäre erforderlich, dass der Mitgliedsverband seinerseits Unternehmer im Sinne des UStG ist. Und dies hängt wiederum davon ab, ob der Mitgliedsverband gegenüber seinen Mitgliedern umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringt. Das wäre dann gesondert zu prüfen!

Als Fazit lässt sich sagen: Man muss sich leider jeden Einzelfall – entsprechend der Satzungslage und dem tatsächlichen Verhalten des betreffenden Verbandes – gesondert ansehen, ob und inwieweit Umsatzsteuer auf Mitgliedsbeiträge zu berechnen und als Vorsteuer abzugsfähig ist. Diese Prüfung kann im Einzelfall schwierig sein, ist aber unumgänglich. Dem Verbandskollegen ist daher eine einzelfallbezogene Rechtsprüfung ans Herz zu legen.

Artikel teilen:
Autor/in

Winfried Eggers

erlernte das „Steuerhandwerk” als Regierungsrat in der Verwaltung in NRW. Er war danach neun Jahre Finanzrichter beim Finanzgericht Köln. Bis Mitte 1998 war er in der Steuerabteilung des BDI tätig. Seither ist Dr. Eggers niedergelassener Anwalt mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Steuerrecht für Verbände und Organisationen in Köln.

Das könnte Sie auch interessieren: