Verbändereport AUSGABE 2 / 2011

Agieren statt konsumieren

Das dialogisierte Verbandsmagazin als zentrales Instrumentarium im Member-Relationship-Management (MRM)

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Nach wie vor sind die eigenen Zeitschriften für die Mehrzahl der Verbände das wichtigste Kommunikationsmittel: die Nabelschnur zu ihren Mitgliedern, den Multiplikatoren und der interessierten Öffentlichkeit. Zudem gelten die meist hochwertig produzierten Druckerzeugnisse in- und extern als die „Visitenkarte“ der Organisation. Wer aber eine Visitenkarte überreicht, stellt sich in der Regel nicht nur dar, sondern wünscht eine Fortführung des Kontakts. Wie können Verbandsmagazine dialogisch aufbereitet werden?

Es gibt sie nicht – die typische Verbandszeitschrift! Ebenso wenig, wie es eine einzigartige Tageszeitung oder das ideale Wochenmagazin gibt. Vieles hängt von der Aufgabenstellung ab und die ist nahezu so vielfältig wie die Philosophien und Ausrichtungen der Verbände selbst.

Dreh- und Angelpunkt eines Magazins müssen aber die Leser sein, ihre Ziele und Erwartungen geben das Konzept vor. Die Bandbreite reicht deshalb vom Magazin als unterhaltsame und gehaltvolle Fachzeitschrift über einen Newsletter, der als konzentrierter Informationsdienst gilt, bis zu einer Zeitung mit primär internen Nachrichten.1)

Bei rund 14.000 Verbänden in Deutschland, die Publikationen in einer monatlichen Gesamtauflage von nahezu 300 –
500 Millionen verantworten, gibt es trotz aller Unterschiede einen kleinsten gemeinsamen Nenner: Jede Veröffentlichung dient der Information. Und die muss heute möglichst kurz UND unterhaltsam präsentiert werden.

Will man das Magazin jedoch als Teil des MRM-Systems nutzen, kommt noch ein weiterer Anspruch hinzu: die Eröffnung und Führung eines Dialoges mit dem Leser.

Doch bevor wir eine Interaktion starten können, müssen wir zunächst den Leser faszinieren, anregen, am besten: emotionalisieren. Meist fällt es nicht schwer, die richtigen Inhalte für die Ausgaben zu finden. Schwieriger ist schon, sie in eine spannende Geschichte zu verpacken, diese dann auf die Zielgruppe auszurichten ( Stichwort: storytelling on strategy) und das Ganze in ein Layout einzubinden, das die Story und das Lesevergnügen unterstützt.

Das heutige Leseverhalten der Adressaten, das durch das Internet geprägt ist, zwingt uns zu noch größerer Konsequenz und Vielfalt: Der Overload an Informationen verändert nicht nur die Rezeption, sondern auch das Denken der Angesprochenen.2) Unsere Botschaften müssen deshalb mediengerechter aufbereitet werden. Galt bisher: Gutes Bild schlägt guten Text. Gilt jetzt jedoch: Bewegtbild schlägt Standbild, wenn wir unsere Inhalte zum Dialog ins Internet verlängern.

Das Web 2.0 mit seinen vielfältigen Erscheinungsformen hat übrigens auch einen weiteren wichtigen Aspekt der Magazine gefördert: die direkte Interaktion. Die Leser wollen nicht nur die vorgestellten Informationen passiv absorbieren, sondern ggf. aktiv mitgestalten. Die große Zahl der einschlägigen Blogs und eine Vielzahl der Online-Mitmach-Wettbewerbe zeigen uns die Richtung: Die wirklich Interessierten und Engagierten wollen bewegende Themen diskutieren, sich einbringen, ihre Meinung kundtun und andere hören. Das Internet unterstützt diese mündigen und aktionsorientierten Mitglieder. Und bindet sie dadurch an ihren Verband.

Verbandszeitschriften, unabhängig davon, ob sie on- oder offline verbreitet werden, sollten diese Chance zur Interaktion nutzen und Dialogmöglichkeiten anbieten. Hierdurch wird das ins Internet verlängerte Magazin automatisch zum wichtigsten Eckpfeiler des MRMs. Denn MRM funktioniert nur, wenn es gelingt, mit den Menschen in einen inneren oder besser noch äußeren Dialog einzutreten. Dieser Dialog umfasst dabei die Interaktionen zwischen dem Verband und seinen Mitgliedern, aber auch zwischen den Mitgliedern selbst.

Das dialogisierte Magazin – agieren statt konsumieren

Es ist eine Frage der strategischen Aufstellung und der Integration in das MRM, wer den Dialog eröffnet und führt. Besonders prädestiniert dafür sind natürlich der Herausgeber, der Chefredakteur oder leitende Mitarbeiter der Redaktion. Diesen kommt per Fachkompetenz eine besonders hohe Glaubwürdigkeit und Akzeptanz zu. Je nach Ausrichtung und Intention können weitere Mitarbeiter des Verbandes in den Dialog eintreten, um ihr Wissen den interessierten Mitgliedern auf unterschiedlichem Wege zur Verfügung zu stellen. Auf diese Weise erfährt eine Community oder ein Blog, aber auch das Magazin selbst eine besonders hohe Relevanz.

Viele Verbände zögern noch, in einen solchen Dialog einzutreten. Die Gründe liegen auf der Hand. Einerseits sind es die Kosten für die Mitarbeiterschulung, die interne Technik und Administration, dann die Datenschutzproblematik und die technische Handhabung durch die Mitglieder, andererseits ist in der Diskussion immer die Gefahr der Unkontrollierbarkeit von Themen, Argumenten und Intensität virulent. 3)

De facto ist jedoch die Kontrolle darüber schon lange verloren gegangen. Verbände müssen sich der Diskussion stellen, wollen sie nicht in der Ecke des „funktionalen Dilettantismus“ verharren oder gedrängt werden. Was profitorientierte Unternehmen schon lange realisieren, können auch Verbände in abgewandelter Form nutzen und aktiv kommunizieren.

Man weiß ja auch, dass „jeder zweite Leser aktiv auf Dialogangebote in Kundenmagazinen reagiert“. Und als entscheidendes Argument: „Wer als Verband erfolgreich sein will, muss erklären, vermitteln, diskutieren.“ 4)

Ein dialogisiertes Magazin, das Teil eines ganzheitlichen MRM ist, stellt an dessen „Schöpfer“ ganz andere Herausforderungen als ein Monologmedium. Es gilt den Leser nicht mehr als passiven Konsumenten zu sehen, sondern als aktiven Teilnehmer und Gesprächspartner auf Augenhöhe. Der auf diese Weise emotionalisierte Leser wird zur Mitgestaltung aufgerufen und in Entscheidungen eingebunden. Ein zielorientierter konstruktiv-kritischer Austausch ist dabei ausdrücklich erwünscht.

Journalisten werden Moderatoren

Die Redaktion gibt folglich einen Teil der Souveränität ab, aus Journalisten werden Moderatoren, die kundenorientiert denken und handeln. Welche Belohnung winkt für solch eine Neuausrichtung? Untersuchungen zeigen, dass angebotene Interaktionsmöglichkeiten die Beschäftigungszeit mit dem Magazin und die Aufbewahrungsdauer signifikant erhöhen. 5)

Ein erfolgreicher Dialog beginnt bereits beim Magazintitel. Seine Gestaltung und seine Themennennung zeigen schon auf, ob hier ein Monolog oder ein Diskurs gewünscht wird. Neue Drucktechniken erlauben textliche und bildliche Individualisierungen, um die Publikationen maßgeschneidert auf die Mitglieder wirken zu lassen. Von der Personalisierung mit dem Namen des Empfängers bis zu spezifischen Abbildungen, die eine Wiedererkennung der Interessen bewirken.

Zielgruppengenaue Seiten, die auf die Interessen des Lesers ausgestaltet sind oder auf regionale und/oder berufsspezifische Fragestellungen einzahlen, erhöhen die Aufmerksamkeit und generieren zusätzlichen Response. Über Podcasts, kleinere E-Magazine und Newsletter können weitere Inhalte aufbereitet werden. Flankierende Mailings oder E-Mails runden die MRM-Kommunikation ab. Frequenz, Botschaften, Kanal und Zielgruppe werden durch eine Datenbank mit den relevanten Mitgliederinformationen gesteuert.

Eindeutige, auffallende Wort-Bild-Marken und Key Visuals, die einen Aufruf zum Dialog transportieren, sind fester Bestandteil des Magazin-Layouts. Sie signalisieren: Hier wird Interaktion belohnt! Entweder durch Bekanntheit und Wertschätzung in der Community, Wissensvorsprung und Privilegierung oder konkrete Vorteile, die im Magazin vorgestellt werden. Einladungen zu Closed User Groups zeichnen Mitglieder zusätzlich aus. 6)

Selbstverständlich werden über alle vonseiten der Mitglieder gewünschten Kommunikationskanäle relevante Informationen bereitgestellt. Im ersten Schritt werden dazu die individuell präferierten Medien abgefragt. Danach können Kommunikationsinhalte für E-Mail, E-Newsletter und Mailings einerseits und für Online-Plattformen wie Blogs, Foren und/oder Communities andererseits aufbereitet werden. Schließlich sollte noch geprüft werden, inwiefern Twitter, Facebook, YouTube, flickr und einige wichtige PR-Portale integriert werden sollten. 7)

Ziel muss es sein, einen geschlossenen MRM-Kreislauf zu erreichen, der häufig auch als Closed Loop bezeichnet wird. Dabei geht es um die Messbarkeit von Aktion und Reaktion und um eine laufende Optimierung der Maßnahmen. Gemeinsam mit den gewonnenen Erkenntnissen über die Leser weisen sie den weiteren Weg für die strategische Entwicklung des MRMs, in der das Magazin als Dialogauslöser integriert ist.

„Verbandszeitschriften werden auch in Zukunft als zentraler Baustein der Mitgliederkommunikation eine entscheidende Rolle spielen. Elektronische Medien können optimale Ergänzungen sein.“ 8) Gerade ein dialogisiertes Magazin kann zur notwendigen tragenden Säule im MRM werden.

Profitorientierte Kundenzeitschriften haben vorgemacht, wie Kunden durch eine umfassende Betreuung zu binden sind und gleichzeitig der Umsatz erhöht werden kann. Verbände sollen und können ihre Mitglieder aim und um das Magazin so ansprechen, dass sich durch den geführten Dialog die Intensität der Beziehung verstärkt und damit die Relevanz des Verbandes für seine Mitglieder nachhaltiger erlebbar wird.

Quellen

1) Hasselhorst, Christa, „ Artenreiches Biotop“ in: werben & verkaufen, Nr. 16. vom 20.4.2001, S. 68

2) Carr, Nicholas, „ Wer bin ich, wenn ich online bin ...“, 1/2010, S. 27 ff

3) Bender, Jens, Habermann, Florian, Dr., „Verband 2.0 —Studie zum Einsatz von Web-2.0-Technologien in Verbänden“, in: Verbändereport 7/2010, S. 8 ff

4) Zeese, Jan, „Verbandszeitschriften heute“ in: Verbändereport 6/2009, S. 7

5) Brown, Milward, „APA Advantage Study —2005“

6) Kramer, Thomas, Kreutzer, Ralf. T. „Das dialogisierte Magazin“ in: Schwarz, Torsten Hrsg., „Leitfaden Dialog Marketing“, 2008, S. 206 ff

7) Scott, David M. „Die neuen Marketing und PR-Regeln im Web 2.0“, 1/2009, S. 85 ff

8) Zeese, Jan, „Millionenauflagen ohne öffentliche Wirkung?“ in: Verbändereport 2/2007, S. 14

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