Zwei Jahre Verbraucherinformationsgesetz: Deutsche Umwelthilfe fordert grundlegende Revision
(Berlin) - Erfahrungen mit dem Verbraucherinformationsgesetz bestätigen DUH-Kritik bei der Verabschiedung 2007. Statt Transparenz gegenüber den Bürgern schützt das Gesetz das Wirtschafts- und Geheimhaltungsinteresse der Unternehmen. Verbraucherschutzorganisation erwartet "Schönfärberei" im bevorstehenden Erfahrungsbericht der Bundesregierung.
Das vor zwei Jahren in Kraft getretene Verbraucherinformationsgesetz (VIG) hat die vom damaligen Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) geweckten Hoffnungen nicht erfüllt - im Gegenteil: Von einem "Durchbruch hin zu mehr Information und Markttransparenz", wie vom heutigen bayerischen Ministerpräsidenten seinerzeit versprochen, kann keine Rede sein. Stattdessen wird Wirtschafts- und Geheimhaltungsinteressen von Unternehmen beim Vollzug des Gesetzes weiterhin und regelmäßig Vorrang gegeben - vor dem Bedürfnis der Verbraucherinnen und Verbraucher nach zügiger und vollständiger Information. Das ist das Fazit eines Erfahrungsberichts der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH), den DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch und die Rechtsanwältin und Leiterin Klimaschutz und Energiewende der DUH, Cornelia Ziehm, heute (28. April 2010) der Presse vorstellten.
"Was die damalige Bundesregierung euphorisch als ´Meilenstein für den Verbraucherschutz´ feierte, hat sich im Behördenalltag faktisch als Informationsverhinderungsgesetz erwiesen", sagte Resch. Bürgerinnen und Bürger, die beispielsweise bei Lebensmittelskandalen schnelle und präzise Aufklärung verlangten, würden regelmäßig hingehalten, Fristen würden nicht eingehalten, Verantwortliche nicht genannt und teils abschreckende Gebühren erhoben, selbst wenn die von Antragstellern eingeforderten Informationen gar nicht geliefert werden.
Für mehr Transparenz und einen tatsächlich effektiveren Verbraucherschutz fordert die DUH nun von der Bundesregierung eine grundlegende Revision des VIG. Nach Informationen der DUH will die Regierung das Gesetz in ihrem zum 1. Mai fälligen Erfahrungsbericht anscheinend als Erfolg feiern. "Wir fürchten, dass Schönfärberei statt einer klaren Benennung der Defizite den Bericht bestimmen. Mit der Realität, die die DUH zum Beispiel bei ihrem Versuch erlebt hat, über die Kontamination von Getränken in Kartonverpackungen mit Druckchemikalien aufzuklären, hätte das nichts zu tun. Wir brauchen ein neues Verbraucherinformationsgesetz", sagte Resch.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung sei offenbar entschlossen, auf Grundlage des seit zwei Jahren geltenden VIG eine Politik fortzusetzen, die dem Geheimhaltungsinteresse der Wirtschaft systematisch Vorrang gibt - vor den Informations- und Transparenzinteressen von Verbrauchern und Öffentlichkeit. Sie bewege sich damit exakt in einer Tradition, die eigentlich mit dem VIG endgültig hätte begraben werden sollen. Resch erinnerte als Beispiel an jahrelange vergebliche Versuche der DUH - zunächst auf Grundlage einer Vorläuferregelung des VIG, dann auf Basis des damals neuen Gesetzes - konkrete Angaben über die Belastung von Obst- und Gemüsesäften in Getränkekartons mit der Chemikalie ITX zu erlangen. Die Daten waren schließlich erst nach einer Serie von Gerichtsurteilen bis hin zum Bundesverwaltungsgericht und dann auch nur nach weiteren Verzögerungen herausgegeben worden. Da waren die kontaminierten Getränke längst durch die Kehlen der Konsumenten entsorgt.
Die DUH und andere Verbraucherschutzorganisationen hatten während des Gesetzgebungsverfahrens in den Jahren 2006 und 2007 vor dem Hintergrund diverser Lebensmittel- und Gammelfleischskandale eindringlich ein VIG eingefordert, das mit der Geheimhaltungstradition bricht und den Informationsrechten betroffener Bürger gegenüber den Interessen von Wirtschaftsunternehmen deutlich mehr Gewicht verleiht. "Zwei Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes haben sich unsere Befürchtungen leider bestätigt. Das VIG ist Symbolpolitik, es schafft im Alltag keine Transparenz. Der Verwaltung ermöglicht es ein Festhalten am tradierten Amts- und Aktengeheimnis, Ross und Reiter werden so gut wie nie genannt", erklärte Ziehm, die Autorin des DUH-Erfahrungsberichts zum VIG.
Mit "zehn Forderungen für mehr Transparenz" legte Ziehm die Vorstellungen der DUH für eine grundlegende Revision des VIG vor. In dem Eckpunktekatalog enthalten ist unter anderem eine enge Definition des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses; eine gesetzliche Klarstellung, dass amtliche Mess-, Analyse- und Kontrollergebnisse keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind; eine Begründungspflicht für Unternehmen im Hinblick auf das Vorliegen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie ein Informationsanspruch auch bei Vorliegen eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses bei Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe. Schließlich müssen die Behörden nach Überzeugung der DUH bei bestimmten Lebensmittelskandalen zur aktiven Information der Verbraucherinnen und Verbraucher verpflichtet werden.
Das Hintergrundpapier "Zwei Jahre VIG - ein DUH-Erfahrungsbericht finden Sie unter
http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=2288.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutsche Umwelthilfe e.V.
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Telefon: (07732) 99950, Telefax: (07732) 999577
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