Zwei Jahre Rücknahmepflicht von Elektroaltgeräten: Deutsche Umwelthilfe kritisiert massive Rechtsverstöße bei Apple, Hagebau, Kaufland und Co.
(Radolfzell) - Hunderttausende Tonnen Elektroschrott landen im Restmüll oder vergiften die Umwelt in Afrika, weil Landes- und Bundespolitik EU-Vorschriften und nationale Gesetze nicht durchsetzen. Testbesuche der DUH zur korrekten Umsetzung der Rücknahmepflicht von Elektroaltgeräten bei stationären Händlern ergaben systematische Gesetzesverstöße bei mehr als der Hälfte der untersuchten 52 Geschäfte. DUH fordert konsequenten Vollzug durch die Bundesländer und Verhängung von Bußgeldern bei Verstößen. Nichtumsetzung gesetzlicher Pflichten ist mitverantwortlich für die Nichterreichung verbindlicher Sammelquoten . Boykott des Handels zur Rücknahme von Elektrogeräten befördert den illegalen Export nach Afrika und dortige katastrophale Entsorgungspraktiken, wie der neue Film "Welcome to Sodom - dein Smartphone ist schon hier" aufdeckt. DUH wird gegen festgestellte Verstöße des Handels rechtlich vorgehen
Seit dem 24.7.2016 verpflichtet das Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen zur kostenfreien Rücknahme von Elektroaltgeräten und zur Information über deren Rückgabemöglichkeiten. Allerdings boykottieren nach wie vor große Teile des Handels die Rücknahmeverpflichtung und setzen Regelungen überhaupt nicht oder nur ungenügend um. Dies zeigen Testbesuche der Deutschen Umwelthilfe (DUH) im ersten Halbjahr 2018 in insgesamt 52 Filialen großer Handelsketten. Bei rund einem Drittel der stationären Händler konnten Elektrokleingeräte nicht oder nur nach mehrmaligem Insistieren abgegeben werden. Unter anderem schnitten Filialen namhafter Unternehmen wie Apple, Hellweg, Sconto, Poco, Hagebau und Hornbach besonders schlecht ab. Aber auch Unternehmen, die korrekt gesetzliche Mindeststandards umsetzen, erschweren die Rückgabe durch umständliche Anfragen beim Kundendienst oder versteckte Informationen.
Die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation fordert die Handelsunternehmen auf, die Gesetzesverstöße sofort zu beenden und Verbraucher aktiv und verständlich darüber aufzuklären, wie sie ihre alten Elektrogeräte zurückgeben können. Auch muss die Rückgabe einfach und verbraucherfreundlich gestaltet sein. Gesetzliches Ziel ist es, bis 2019 mindestens 65 Prozent der Elektroaltgeräte für eine umweltgerechte Behandlung zu sammeln. Die Zahlen der Stiftung Elektro Altgeräte Register zeigen, dass voraussichtlich nicht einmal die gesetzliche Sammelquote für Elektroaltgeräte von 45 Prozent für das Jahr 2016 erreicht wurde. Die DUH wird die Rücknahmepflicht im Handel weiterhin kontrollieren und gegen Gesetzesverstöße vorgehen.
"Viele Verbraucher wissen bis heute nicht, unter welchen Voraussetzungen und bei welchen Händlern sie ausgediente Elektroaltgeräte abgeben können. Noch immer hält sich fast die Hälfte der Händler nicht an die gesetzlichen Informationspflichten und ungeschulte Mitarbeiter erschweren die Rückgabe alter Elektrogeräte, anstatt Verbraucher dabei zu unterstützen. Dieser Zustand ist völlig inakzeptabel. Der Boykott des Handels zur Rücknahme von Elektrogeräten ist mitverantwortlich für die Nichterreichung gesetzlicher Sammelquoten. Stattdessen landen wert- und schadstoffhaltige Elektrogeräte im Restmüll, in der Umwelt oder sie werden im schlimmsten Fall ins Ausland exportiert", kritisiert der DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.
In Filialen von Hagebau, Kaufland, Möbel Höffner, Poco, Sconto, Toys "R" Us und bei vielen weiteren Händlern konnten keine schriftlichen Informationen zur Rücknahmepraxis gefunden werden. In den Filialen von Roller Möbel und Saturn hielten die Mitarbeiter Energiesparlampen nicht für Elektroaltgeräte oder meinten, sie könnten im Hausmüll entsorgt werden.
Bei 16 stationären Händlern konnten Elektrokleingeräte nicht oder nur nach mehrmaliger Nachfrage abgegeben werden. So hieß es bei Roller Möbel, Holz Possling und SB Möbel Boss unrechtmäßig, dass eine Rückgabe nur möglich sei, wenn auch ein Neugerät gekauft wird. Die Annahme von Großgeräten wurde in acht Fällen rechtswidrig verweigert. Karstadt, SB Möbel Boss, Sconto und Euronics XXL verlangten bei Lieferung eines neuen Geräts unzulässigerweise Transport- oder Entsorgungskosten für die Mitnahme des Altgeräts. Bei rund einem Drittel der besuchten Filialen wurde die Abgabe von Energiesparlampen und LEDs unrechtmäßig verweigert, obwohl bei diesen eine Sammlung aufgrund enthaltener Schadstoffe besonders wichtig ist. Darunter waren Filialen von Apple, Cyberport, Roller Möbel, Spiele Max, Toys "R" Us und Sconto.
Aufgrund der besorgniserregenden Zustände im Einzelhandel fordert Resch die Bundesländer dazu auf, endlich Kontrollen durchzuführen und bei Verstößen konsequent Bußgelder zu verhängen. "Das Missachten gesetzlicher Pflichten wird durch das völlige Fehlen behördlicher Kontrollen salonfähig gemacht. Die für den Vollzug verantwortlichen Bundesländer und unteren Behörden müssen Umweltgesetze endlich ernst nehmen und Verstöße bestrafen, sonst nimmt sie keiner mehr ernst. Solange die für die Kontrolle des Elektrogesetzes zuständigen Landesbehörden untätig bleiben, wird die DUH die Einhaltung notfalls auf dem Rechtsweg durchsetzen", so Resch.
"Dass eine verbraucherfreundliche Information und Rücknahme von Elektroaltgeräten problemlos und ohne wirtschaftliche Nachteile umsetzbar ist, belegen die sehr guten Testergebnisse bei einigen Filialen von toom und Obi. Sie zeichneten sich durch eine reibungslose Rücknahme, geschulte Mitarbeiter und die Bereitstellung aller wesentlichen Informationen aus", erklärt der stellvertretende DUH-Leiter für Kreislaufwirtschaft Philipp Sommer.
Bei Bauhaus, Ikea, Möbel Höffner, Conrad, Globus, Real, Medimax, Toom und Hornbach wird separat auf die Abgabe von alten Energiesparlampen und LED-Lampen hingewiesen. Das ist wichtig, da viele Verbraucher nicht wissen, dass es sich dabei ebenfalls um Elektroaltgeräte handelt.
"In Deutschland werden mittlerweile knapp zwei Millionen Tonnen Elektrogeräte pro Jahr in Verkehr gebracht. 2016 wurden aber nur etwa 700.000 Tonnen ordnungsgemäß erfasst und recycelt. Dies liegt unter anderem an den nicht ausreichenden Rücknahmebemühungen der Vertreiber. Diese haben in 2016 nur rund 70.000 Tonnen Elektroschrott zurückgenommen. In der Konsequenz befördert die Verweigerungshaltung des Handels zur ordnungsgemäßen Rücknahme von Elektroaltgeräten auch deren illegalen Export nach Afrika, wo die Produkte unter unmenschlichen Bedingungen ausgeschlachtet werden. Grob geschätzt werden mindestens 400.000 Tonnen Elektroschrott illegal exportiert", sagt Sommer.
Welche katastrophalen Folgen die illegale Entsorgung von Elektroschrott im Ausland hat, zeigt der Dokumentarfilm "Welcome to Sodom - dein Smartphone ist schon hier", der am 2. August 2018 in die deutschen Kinos kommt. "Der Film offenbart auf eindrucksvolle Weise die Folgen des illegalen Exports von Elektrogeräten und die Auswüchse unserer Wegwerfgesellschaft. An diesen katastrophalen Zuständen in Afrika trägt der deutsche Handel eine Mitschuld, wenn er die Rücknahme von Elektrogeräten für eine ordnungsgemäße Entsorgung gezielt erschwert und verhindert", kritisiert Sommer.
Hintergrund:
Seit dem 24.7.2016 können Verbraucher alte Elektrogeräte kostenlos bei Händlern zurückgeben, die Elektrogeräte auf einer Fläche von mindestens 400 Quadratmetern verkaufen - bei Onlinehändlern gilt die Versand- und Lagerfläche. Die Zahlen der Stiftung Elektro-Altgeräte Register zeigen, dass die gesetzliche Sammelquote für Elektroaltgeräte von 45 Prozent für das Jahr 2016 voraussichtlich nicht erreicht wird. Dies liegt unter anderem an den nicht ausreichenden Rücknahmebemühungen des Handels. Insgesamt fallen in Deutschland etwa 1,7 Millionen Tonnen Elektroschrott pro Jahr an.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH)
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
Fritz-Reichle-Ring 4, 78315 Radolfzell
Telefon: (07732) 99950, Fax: (07732) 999577
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