Pressemitteilung | Deutsche Aktuarvereinigung e.V. (DAV)

Zur Jahrestagung der Deutschen Aktuarvereinigung

(Berlin) - Die Jahrestagung 2007 der Deutschen Aktuarvereinigung findet vom 25. – 27. April in Berlin statt. Mehr als 1.100 der derzeit rund 2.750 Mitglieder der DAV nehmen an der Jahrestagung teil. Ein Beweis für das große Interesse, das die Aktuare ihrer Organisation entgegen bringen. Die Teilnehmer beschäftigen sich in verschiedenen Veranstaltungen insbesondere mit folgenden Themen:


VVG-Reform: Risiken für die Versicherungsunternehmen steigen

Die Reform des Versicherungsvertragsrechts befindet sich zurzeit im Deutschen Bundestag auf der Zielgeraden. Die DAV steht dieser Reform grundsätzlich positiv gegenüber. Der Gesetzentwurf aktualisiert und modernisiert das VVG und ist insgesamt geeignet, das erfolgreiche Geschäftsmodell der Deutschen Lebensversicherung zu erhalten und zukunftssicher zu machen. Ausdrücklich erkennt die DAV an, dass im Vorfeld der Beratungen die wichtigsten Kritikpunkte auch der DAV bei den Regelungen zur Überschussbeteiligung und zu den Rückkaufswerten Berücksichtigung gefunden haben.

Für die Lebensversicherung wird die Realisierung des Gesetzentwurfs gravierende Änderungen bringen. Insgesamt werden die Risiken größer. Bei den abschließenden Beratungen wird es darum gehen, einige der im Gesetzentwurf enthaltenen Formulierungen im Verordnungswege weiter zu präzisieren. Nur so kann für alle Beteiligten die notwendige Rechtssicherheit geschaffen werden:

- Regelungen zu den Rückkaufswerten

Der Gesetzentwurf sieht grundsätzlich vor, dass Rückkaufswerte eines Lebensversicherungsvertrags schon bei Vertragsabschluss für die gesamte Laufzeit betragsmäßig festgelegt werden müssen, und zwar unabhängig von künftigen Kapitalmarktentwicklungen. Für Versicherungsunternehmen, die im Interesse ihrer Kunden die höheren Renditechancen langfristiger Kapitalanlagen nutzen und damit bei Zinsanstiegen vorübergehende Kursverluste ihrer festverzinslichen Wertpapiere hinnehmen müssen, besteht daher das Risiko, im Rückkaufsfall mehr als den Wert der die Versicherungsverpflichtung bedeckenden Kapitalanlagen auszahlen zu müssen – natürlich zum Nachteil der im Bestand verbleibenden Kunden. Der Regierungsentwurf sieht zwar vor, dass die Versicherungsunternehmen die Rückkaufswerte herabsetzen können, wenn die Belange der Versicherten gefährdet sind, weil das Versicherungsunternehmen sich in finanziellen Schwierigkeiten befindet bzw. insolvent werden könnte. Aus Sicht der DAV sind die Belange der Versicherten jedoch nicht erst dann gefährdet, wenn ein Versicherungsunternehmen am Rande des Ruins steht, vielmehr muss der Gefährdungstatbestand schon dann angenommen werden, wenn sich infolge der Kapitalmarktverhältnisse Kunden durch Kündigung Vorteile zu Lasten des Gesamtbestandes verschaffen können. Das ist immer dann der Fall, wenn die Zinsen am Kapitalmarkt deutlich steigen. Nach Ansicht der DAV muss das Versicherungsunternehmen schon in einer solchen Situation die Möglichkeit haben, die Rückkaufswerte herab zu setzen. Um den Kunden die Furcht zu nehmen, in einem solchen Fall willkürlichen Entscheidungen eines Versicherungsunternehmens ausgesetzt zu sein, schlägt die DAV eine allgemein gültige Anpassungsformel vor, die in einer Rechtsverordnung verbindlich vorgegeben werden könnte.

Neben der grundsätzlichen Einführung garantierter Rückkaufswerte für nicht fondsgebundene Lebensversicherungen sieht der Gesetzentwurf eine Anhebung der Rückkaufswerte in den ersten Vertragsjahren vor, die sich aus der Verpflichtung ergibt, die dem Kunden angelasteten Abschlusskosten auf wenigsten 5 Jahre zu verteilen. Diese Regelung ist aus Sicht der DAV für künftiges Neugeschäft zu begrüßen. Die angestrebte rückwirkende Bestandswirksamkeit für die vor dem 1. Januar 2008 abgeschlossenen Verträge hält die DAV jedoch für sehr problematisch. Würde dies tatsächlich umgesetzt, so hätten die Unternehmen zu Lasten ihres Rohüberschusses ihre Reserven um durchschnittlich 2 Prozent zu erhöhen, so dass bei den derzeitigen Kapitalmarktverhältnissen die nicht kündigenden Kunden für ein oder zwei Jahre keine Überschussbeteiligung bekommen würden. Bei einzelnen Lebensversicherungsunternehmen könnten sogar Bilanzverluste auftreten.

- Beteiligung an den Bewertungsreserven

Der Gesetzentwurf berücksichtigt in Übereinstimmung mit der Urteilsbegründung des Verfassungsgerichts, dass die Sicherung der langfristigen Erfüllbarkeit der Verpflichtungen des Unternehmens gegenüber den Versicherungsnehmern Vorrang vor der Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven hat. Auch hier ist eine Konkretisierung dringend erforderlich. Entsprechend der derzeitigen Aufsichtspraxis muss erreicht werden, dass auch nach dem von der BaFin entwickelten Stressfall die finanzielle Sicherheit des Versicherungsunternehmens immer noch gewährleistet ist. Die hierfür erforderlichen Bewertungsreserven dürfen deshalb nicht ausgeschüttet werden.

Bewertungsreserven auf Rentenpapieren können nur durch Zinsrückgänge zustande kommen. In einer solchen Situation können sich Kunden durch Kündigung zu Lasten der nicht kündigenden Kunden Vorteile verschaffen, unter Umständen sogar die Erfüllbarkeit der Garantieverpflichtungen im verbleibenden Bestand gefährden. Deshalb sollten die Reserven auf Rentenpapieren von der Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven zumindest dann ausgenommen werden, wenn sie auf einem Zinsniveau beruhen, dass bereits unterhalb des mittleren Garantiezinses des Bestandes, zur Zeit etwa 3,5 Prozent p.a., liegt.


Solvency II – Arbeiten an EU-einheitlichem, risikobasiertem Aufsichtssystem schreiten fort

Das derzeitige Aufsichtssystem Solvency I stammt in seinen Hauptkomponenten noch aus den siebziger Jahren. Mit der Schaffung des Binnenmarkts und der Deregulierung des Versicherungsmarkts hat sich die Versicherungswelt seither grundlegend verändert, so dass es notwendig ist, ein neues risikobasiertes Aufsichtssystem einzuführen. Mit Solvency II sollen neue Solvabilitätsvorschriften für die finanzielle Ausstattung von Versicherungsunternehmen festgelegt werden. Neben quantitativen sollen dabei auch qualitative Aspekte Berücksichtigung finden. Wie bei Basel II, dem Aufsichtssystem für Banken, gibt es auch bei Solvency II ein 3-Säulenmodell:

Säule I – Kapitalanforderungen im Standardmodell sowie an interne Modelle
Säule II – Risikomanagementsystem und aufsichtsrechtliche Überprüfungen
Säule III – Offenlegungsvorschriften

Die Arbeiten am Solvency II-Projekt werden von der EU-Kommission koordiniert. Im mit „CEIOPS“ abgekürzten Zusammenschluss aller europäischen Aufsichtsbehörden laufen derzeit die Vorarbeiten zu einem ersten Vorschlag für die Rahmenrichtlinie zu Solvency II auf Hochtouren. Die EU-Kommission plant die Veröffentlichung dieser Rahmenrichtlinie bereits für Mitte 2007. Der Beginn des Umsetzungsprozesses der Richtlinie wird für 2010 erwartet, so dass sie in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten 2011 in Kraft treten könnte.

Um die Auswirkungen des neuen Solvenzregimes auf die Unternehmen frühzeitig studieren zu können, wurde seit 2005 eine Reihe von „Quantitative Impact Studies“ (QIS) durchgeführt. Dabei haben die Ergebnisse insbesondere der zweiten Studie (QIS 2) gezeigt, dass gerade kleinere Unternehmen noch erhebliche Schwierigkeiten mit den Anforderungen von Solvency II haben. Von April bis Juni 2007 wird QIS 3 durchgeführt. Dann werden zusätzlich die neuen Eigenkapitaldefinitionen und die Kapitalanforderungen für Versicherungsgruppen getestet.

Mit Solvency II wird den Aktuaren eine nochmals wichtigere Rolle in der Finanzsteuerung von Versicherungsunternehmen zuwachsen. Zu den Aufgaben der „actuarial function“, die nach Auffassung der EU-Kommission von jedem Versicherungsunternehmen einzurichten sein wird, gehören
- die Koordinierung der Berechnung der technischen Rückstellungen,
- die Sicherstellung der Angemessenheit von Methoden, Modellen und Annahmen,
- die Beurteilung der Qualität und Quantität der bei der Berechnung der technischen Rückstellungen verwendeten Daten,
- der Vergleich des Best Estimate mit den tatsächlichen Erfahrungswerten und
- die Information des Vorstands zur Angemessenheit und Zuverlässigkeit der Berechnung der technischen Rückstellungen.

Die DAV setzt sich dafür ein, dass in Deutschland bei der nächsten Novellierung des Versicherungsaufsichtsgesetzes auch für die Schaden- und Unfallversicherung das Konzept des „Verantwortlichen Aktuars“ mit den oben beschriebenen Aufgaben bei der Schadenreservierung eingeführt wird.


Garantiefonds: DAV warnt Verbraucher

Die Bundesregierung hat mit Beginn des Jahres 2007 in Deutschland Investmentfonds zugelassen, bei denen die anbietende Kapitalanlagegesellschaft gegenüber dem Kunden eine „Werterhaltungsgarantie“ zusichern darf. Die Deutsche Aktuarvereinigung warnt diejenigen Verbraucher, die sich für solche Garantiefonds interessieren, vor zum Teil unrealistischen Renditeerwartungen und erheblichen Sicherheitsmängeln dieser Produkte. Die wichtigsten Schwachpunkte:


- Renditeerwartungen berücksichtigen Garantiekosten nicht ausreichend

Eine große deutsche Kapitalanlage stellt in Beispielrechnungen für ihr Riesterprodukt bei einer durchschnittlichen Aktienperformance von 8 Prozent p.a. eine Gesamtperformance von 7,62 Prozent auf die Eigenbeiträge in Aussicht. Untersuchungen, die die DAV an der Technischen Universität Karlsruhe in Auftrag gegeben hat, zeigen jedoch auf der Basis von Simulationsrechnungen, dass bei einer angenommenen Aktienvolatilität von 20 Prozent und einer durchschnittlichen Aktien- performance von 8 Prozent bei dem betreffenden Produkt nur in 31 Prozent aller Fälle eine Kundenrendite von mehr als 5 Prozent erreicht wird, während in immerhin 19 Prozent aller Fälle die Kundenrendite sogar unter 1 Prozent p.a. fällt.


- Eigenmittel erst erforderlich, wenn sie bereits benötigt werden

Bei den Garantiefonds müssen erst dann zusätzliche Eigenmittel eingebracht werden, wenn diese bereits benötigt werden. Dies widerspricht einem grundlegenden Prinzip des deutschen Gesellschaftsrechts für Kapitalgesellschaften, wonach es keine Nachschussverpflichtung der Eigentümer gibt, wenn das der Gesellschaft zur Verfügung gestellte Eigenkapital verbraucht ist. Damit ist der Weg zum Konkursrichter unabwendbar, falls die Eigentümer solcher Fonds nicht freiwillig Kapital nachschießen.


- Zinsrückgang nicht als Risikofaktor berücksichtigt

Das Risiko eines möglichen Zinsrückgangs mit einem entsprechenden Wertanstieg der Garantie bleibt bei den Garantiefonds vollständig unberücksichtigt. Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, dass für Garantiefonds im Vergleich zu neu abgeschlossenen Lebensversicherungen ein ca. 20 Prozent niedrigeres Reserveniveau bei gleichzeitigem Verzicht auf ständig bereit zu haltende Sicherheitsmittel für ausreichend gehalten wird.

Besonders gravierend wirken sich die unzureichenden Eigenmittelanforderungen dann aus, wenn sich die Garantien nicht nur auf einmalige Einzahlungen und relativ kurzfristige Anlagehorizonte beziehen, sondern sich auf die für die Altersversorgung typischen Anlagefristen von mehreren Jahrzehnten und auf erst in der Zukunft liegende regelmäßige Einzahlungen erstrecken, die in einer bei Vertragsabschluss vollkommen ungewissen Zinsumgebung erfolgen.

Norbert Heinen, Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Aktuarvereinigung, warnt in diesem Zusammenhang vor Etikettenschwindel: „Wo Garantie drauf steht, muss auch Garantie drin sein.“ Dies sei bei solchen Fondsprodukten nicht immer der Fall, und natürlich auch nicht bei fondsgebundenen Lebensversicherungsprodukten, in die derartige Fonds eingebunden seien. Gerade weil es bei neuartigen Garantieprodukten sowohl in der Fonds- wie in der Versicherungsbranche viele aus Kundensicht sinnvolle Gestaltungsideen gebe, dürfe die finanzielle Absicherung der Garantien nicht allein unternehmensinternen Regeln unterworfen sein. Den Schaden hätten im Ernstfall die Kunden zu tragen.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutsche Aktuarvereinigung e.V. (DAV) Pressestelle Hohenstaufenring 47-51, 50674 Köln Telefon: (0221) 9125540, Telefax: (0221) 91255444

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