Zunahme von Befangenheitsanträgen gegen Gerichtssachverständige / Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger e.V. (BVS) weist auf die Zunahme von prozesstaktischen Befangenheitsanträgen von Rechtsanwälten gegen Gerichtssachverständige hin
(Bamberg/Berlin) - Die Tätigkeit von Sachverständigen ist zur Beurteilung von Fällen vor Gericht für die Richter und die Prozessbeteiligten von großer Bedeutung. Bei weit über 50 Prozent der Gerichtsverhandlungen in Deutschland werden Sachverständigengutachten eingesetzt. Technische Fragestellungen zu beantworten, die Ermittlung der Werte von Immobilien, die Feststellung von Schadensursachen bei Verkehrsunfällen oder allein die Klärung der Frage, warum beim Friseur die Dauerwelle verunglückt ist und ob nun trotzdem dafür zu bezahlen ist, sind das sprichwörtliche tägliche Brot von Gerichtssachverständigen.
Dabei müssen die Gutachten auf fachlich hohem Niveau, unabhängig und neutral, vollkommen losgelöst von den widerstreitenden Interessen der Prozessparteien erstattet werden. Ist dabei das Ergebnis des Gutachtens nicht im Sinne des Klagebegehrens der einen oder der Vorstellung der beklagten Prozesspartei, wird gegenüber dem Gerichtssachverständigen recht schnell der Vorwurf seiner Befangenheit erhoben. Auch wenn nur in sehr seltenen Fällen Befangenheit von Gerichtssachverständigen vorliegt, muss das Gericht einen entsprechenden Antrag im Prozess immer prüfen.
Roland R. Vogel, Präsident des BVS, erklärt: "Derartige Ablehnungsanträge gegen Gerichtssachverständige werden zunehmend auch aus prozesstaktischen Gründen von Rechtsanwälten eingesetzt. Sie hoffen, mit einem weiteren Gutachten durch einen anderen Sachverständigen die Erfolgsaussichten für ihren Mandanten zu verbessern."
Der Vorsitzende der BVS-Vertretung in Bayern, Wolfgang Wulfes, appelliert an die Sachverständigen, sich durch derartige im Interesse ihrer Mandantschaft unternommene Ablehnungsversuche seitens der Prozessanwälte nicht aus der Ruhe bringen oder sogar provozieren zu lassen. Es gehöre zu den Pflichten eines Rechtsanwaltes, als Interessenvertreter seiner Partei auch die Frage nach dem Vorliegen von möglichen Befangenheitsgründen beim Gerichtsachverständigen zu stellen.
"Fränkischer Sachverständigentag" in Bamberg in Planung
Das Thema "Befangenheitsanträge gegen Gerichtssachverständige" wurde im Rahmen einer in Bamberg durchgeführten Fortbildungsveranstaltung für bayerische Sachverständige behandelt. Dass der BVS mit der Tagung einen Nerv der Zeit getroffen hat, zeigt das große Interesse: Rund 150 von den fränkischen Industrie- und Handelskammern sowie von den Handwerkskammern öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige besuchten die Fortbildung. Unter den Referenten waren der Vizepräsident des Oberlandesgerichts Bamberg, Dr. Ernst Tschanett und der Präsident des Landgerichts Bayreuth, Manfred Werth sowie Professor Jürgen Ulrich, Vorsitzender Richter am Landgericht Dortmund.
Der Geschäftsführer des BVS, Rechtsanwalt Wolfgang Jacobs, kündigt die Fortsetzung solcher Tagungen in Bamberg an und sagt: "Vielleicht lässt sich ja in Zusammenarbeit mit allen acht fränkischen Bestellungskörperschaften daraus ein Fränkischer Sachverständigentag entwickeln."
Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger e.V. (BVS)
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