Zum Scheitern der Wegekostenrichtlinie im Ministerrat: Status quo ist besser als ein schlechter Kompromiss
(Frankfurt am Main) Nach hartem Ringen konnte sich der EU-Verkehrsministerrat nicht auf die Verabschiedung einer neuen Wegekostenrichtlinie verständigen. Die seit 1999 gültige Direktive bleibt weiter in Kraft. Diese gestattet den EU-Mitgliedsstaaten lediglich die Anlastung der Bau-, Unterhaltungs- und Ausbaukosten an die Straßennutzer. Mit der neuen Wegekostenrichtlinie sollten nicht zuletzt weitläufigen Manipulationsmöglichkeiten an der Wegekostenhöhe Tür und Tor geöffnet werden. U. a. sah der Entwurf vor, externe Kosten, vor allem Staukosten anlasten zu können, ohne verbindliche Berechnungsvorschriften bereits jetzt mit vorzulegen. In den sensiblen Regionen der Alpen und Pyrenäen sollte darüber hinaus ein Ökozuschlag von bis zu 50 Prozent erhoben werden dürfen, um alternative Verkehrsträger ausbauen zu können. Dagegen wäre dem Haupttransitland der Europäischen Union, der Bundesrepublik Deutschland, die Anlastung der echten Baukosten von Bundesautobahnen weitgehend verwehrt worden. Autobahnen, die älter als 15 Jahre sind im Kompromisspapier 25 Jahre sollten nicht mehr den Nutzern angelastet werden dürfen. Damit wäre die Lkw-Mautgebühr in Deutschland praktisch halbiert worden, während anderen Transitländern mit Ökozuschlägen und Zuschlägen für sensible Regionen die Lizenz zum Abzocken des Transitverkehrs erteilt worden wäre. Nicht zuletzt musste der Europäische Gerichtshof schon zweimal gegen die Republik Österreich Recht sprechen, die im Rahmen der geltenden Wegekostenrichtlinie vornehmlich Transitdiskriminierung betrieb, aber weniger die Deckung der Wegekosten im Auge hatte.
Der BGL spricht sich für die Anlastung der Wegekosten an die Nutzer aus und ist gegen eine Zuführung der dadurch zusätzlich erhobenen Einnahmen in den allgemeinen Staatshaushalt. Es dürfe nicht europäisch sanktioniert werden, dass der Straßengüterverkehr immer höher belastet werde, ohne dass die Mittel in einem Investitionskreislauf auch tatsächlich in die Infrastruktur zurückfließen. Eine Quersubventionierung mit Schienenprojekten komme allenfalls dort in Betracht, wo Umstiegsmöglichkeiten zwischen den Verkehrsträgern geschaffen würden. Darüber hinausgehend sei der Aufbau und Erhalt der Schieneninfrastruktur zunächst Aufgabe des Staates in der Daseinsvorsorge und damit durch den allgemeinen Steuerzahler zu finanzieren, wenn schon die Schienennutzer keine kostendeckenden Schieneninfrastrukturentgelte aufbringen könnten.
Alles in allem bewertet der BGL die Nichteinigung des Verkehrsministerrats als beste aller schlechten Möglichkeiten. Die alte, jetzt weitergeltende Wegekostenrichtlinie sei nachbesserungsbedürftig, weil sie wichtige Fragen bei der Umfinanzierung der Infrastruktur von der Steuerfinanzierung auf Nutzerentgelte noch offen lasse. Die im Ministerrat diskutierten Kompromisslinien bewirkten allerdings eine weitere Verschlechterung der heutigen Situation und ließen vor allen Dingen die notwendige Planungssicherheit für das Straßenverkehrsgewerbe vermissen.
Der BGL wertet die zukünftigen Einigungsmöglichkeiten sehr skeptisch, weil ab 1. Mai 2004 die EU-Beitrittsländer nicht nur an den Ministerratssitzungen teilnehmen, sondern auch ihre Stimmgewichte einbringen. Der Interessenkonflikt zwischen den sogenannten peripheren Ländern, die weit von den bevölkerungsreichen Verbrauchszentren entfernt liegen, und den Haupttransitländern, wird dann noch deutlicher aufbrechen. Gerade die neuen EU-Mitglieder können im Interesse der Integration ihrer Wirtschaft keine drastische Verteuerung der Transportkosten zulassen, weil sie damit ihre wirtschaftlichen und geografischen Nachteile verschärfen würden. Die Träume der sogenannten Transitländer, am internationalen Verkehr kräftig zu verdienen, werden keine hinreichenden Mehrheiten mehr finden. Es besteht sogar die Gefahr, so BGL-Präsident Hermann Grewer, dass in Zukunft nicht nur im verkehrspolitischem Bereich Stillstand angesagt ist, weil nicht mehr Mehrheiten in der erweiterten EU, sondern Sperrminoritäten das politische Handeln bestimmen könnten.
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