Zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung am 03.12.2023: Nur jedes dritte Kind mit Behinderung bekommt Regelkitaplatz / Der Paritätische Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg und Behindertenverbände fordern den Ausbau inklusiver Kindertagesbetreuung im Land
(Stuttgart) - Gemäß UN-Behindertenrechtskonvention hat jedes Kind mit Behinderung einen Anspruch auf einen Platz in einem Regelkindergarten und individuelle Förderung. Doch laut Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme 2023 gibt es nur in 36 Prozent aller Kindertageseinrichtungen in Baden-Württemberg eine integrative Betreuung. Anlässlich des Internationalen Tags der Menschen mit Behinderung (03.12.) fordern der Paritätische Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg und Behindertenverbände den flächendeckenden Ausbau der inklusiven Kindertagesbetreuung im Land. Jede Kita müsse alle Kinder aufnehmen können und eine individuelle frühkindliche Förderung, Bildung und Erziehung ermöglichen. Die Finanzierung dürfe nicht zu einer Erhöhung der Elternbeiträge führen, sondern müsse von den Kommunen getragen werden. Kinder mit Behinderung dürfen bei der Kitaplatzvergabe nicht benachteiligt werden, so die Verbände.
Uta-Micaela Dürig, Vorständin Sozialpolitik des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Baden-Württemberg:
"Für ein gelingendes inklusives Zusammenleben ist es ganz wichtig, dass Kinder mit und ohne Behinderung möglichst von frühester Kindheit an zusammen aufwachsen und gemeinsam eine Kita besuchen. Doch immer noch wird Kindern mit Behinderung der Zugang in einen Regelkindergarten erschwert. Als Gründe hierfür werden oftmals fehlendes und für behinderungsbedingte besondere Bedürfnisse nicht ausreichend qualifiziertes Personal genannt. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, diese Teilhabe sicherzustellen, indem alle Kitas inklusiv und damit barrierefrei und Spielgeräte behindertengerecht sind. Es braucht eine andere Personalausstattung mit multiprofessionellen Teams aus (heil)pädagogischen und medizinischen Fachkräften sowie Integrationshilfen wie auch eine Technik unterstützte Kommunikation. Die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen müssen vom Land definiert und den Kommunen refinanziert werden. Eine finanzielle Beteiligung der Träger an zusätzlichen Kosten ist nicht hinnehmbar, da diese zwangsläufig zu einer Erhöhung der Elternbeiträge führen müsste. Wie können wir dies alles am besten erreichen? Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Mit einer klaren Haltung für ein inklusives Zusammenleben, das die Basis für ein Miteinander auf Augenhöhe schafft."
Antje Strohmeyer-Schniotalla, Leitung inklusive Kindertagesstätte "Am Wallgraben" der Lebenshilfe Stuttgart:
"Inklusive Bildung in Kitas ist ein Kinderrecht! Es ermöglicht allen Kindern Vielfalt zu erleben, voneinander und miteinander lernen zu dürfen und erlaubt allen, einen Platz in der Gesellschaft einzunehmen. Um das gewährleisten zu können, brauchen wir mehr multiprofessionelle Teams und eine allgemeine Pädagogik für alle Kinder, die alle Kinder unterstützt, sich in ihrem jeweiligen Tempo, mit ihrer Umwelt aktiv auseinander zu setzen und dies nicht gesondert voneinander, sondern im Miteinander zu tun."
Christine Rude, Bereichsleitung Kindergärten bei der Stiftung KBZO in Weingarten:
"Das gemeinsame Spielen, miteinander Wachsen und Lernen, die Begegnung von Kindern mit und ohne Behinderung, auch das Zusammentreffen verschiedener Kulturen, Religionen und Nationalitäten, steht im Kindergartenalltag im Mittelpunkt. Die Kinder können und sollen ihren Kindergartenalltag nach ihren individuellen Fähigkeiten aktiv und selbstbestimmt im Sinne der Partizipation mitgestalten. In den kleineren Gruppen ist es bei guter personeller Besetzung möglich, die Kinder individuell in ihrer Entwicklung zu begleiten und gezielt in verschiedenen Entwicklungsbereichen zu fördern und zu unterstützen. Besonderes Augenmerk muss darauf gelegt werden, dass die Kinder adäquate Spielpartner in der jeweiligen Gruppe finden und haben."
Ilka Böhlke und Dr. Martina Pohl, Leitung Frühförderung der Lebenshilfe Lörrach:
"Die Teilhabe am Lern- und Lebensumfeld Kindertagestätte ist für jedes Kind von essentieller Bedeutung für seine gesamte Entwicklung. Immer wieder sehen wir in der Frühförderung Kinder, die nur stundenweise, erst sehr spät im Vorschulalter oder sogar bis zur Einschulung gar nicht am Alltag einer Kindertagesstätte teilhaben können. Der fehlende Kontakt zur Gleichaltrigengruppe und die darin gebotenen Entwicklungsanreize sind durch Erwachsene nicht kompensierbar, die Auswirkungen auf die Sozialisation der Kinder sind erheblich und die Belastungen für die Familien sind enorm. Das ist vollkommen inakzeptabel. Das System der Kinderbetreuung benötigt aus unserer Sicht dringend Unterstützung, um seine wertvolle Aufgabe in Zukunft für alle Kinder mit ihren individuellen und besonderen Bedarfen umsetzen zu können."
Petra Röder, Leitung Inklusive Kitas Regenbogen der Reha-Südwest Regenbogen gGmbH in Mannheim:
"Frühkindliche Bildung ist ein Recht für alle Kinder, unabhängig von ihrer Herkunft oder Kultur, ihrem Alter oder Geschlecht oder einer Behinderung.
Insbesondere für Kinder mit einem umfassenden Assistenzbedarf in allen Lebensbereichen ist der Zugang zu frühkindlicher Bildung in einer Kindertageseinrichtung mit vielfältigen Hürden verbunden. Die Bedeutung von inklusiven Bildungsangeboten ist daher immens und eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung eines Kindes. Kinder können sich hier als Teil der Gemeinschaft erleben, voneinander lernen, entdecken ihre Ressourcen oder werden selbstbewusster. Damit dies gelingt, sind vielfältige Aspekte zu berücksichtigen und Rahmenbedingungen zu schaffen. Das kann von barrierefreiem Bauen einer Kindertageseinrichtung über die Materialausstattung wie bspw. höhenverstellbare Tische, Mobilitäts- und Kommunikationshilfen oder ähnliches gehen. Auch die Fort- und Weiterbildung des multiprofessionellen Teams und die Vernetzung mit Institutionen im Quartier ist dazu notwendig."
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Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband - Landesverband Baden-Württemberg e.V.
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