„Zukunft keine Ingenieursleistung, sondern eine Erzählung“
(Berlin) – „Die aktuellen Krisen führen zu Stress und psychischer Überforderung. Vor allem junge Menschen stellen ihre Zukunft in Frage, leiden an Ängsten und depressiven Verstimmungen. Dies bereitet uns Sorgen“, sagte Gebhard Hentschel, Bundesvorsitzender der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) zu Beginn des DPtV-LunchTalk 2024. Mehr als 900 Teilnehmer*innen folgten online der Veranstaltung zum Thema „Orientierung in unsicheren Zeiten“, die von Elisabeth Dallüge (DPtV-Bundesvorstand) moderiert wurde.
Zukunft keine Ingenieurleistung, sondern Erzählung
„Aufbruch beginnt dort, wo man sich selbst überrascht“, betonte Soziologe Prof. Dr. Stefan Selke (Hochschule Furtwangen) in seinem Vortrag über Zukunfts-Narrative. „Zukunft ist keine Ingenieursleistung, sondern beginnt mit dem Erzählen. Wir haben gelernt, schlaue Pläne zu machen. Aber wir müssen auch eine starke emotionale Verbindung zu diesen Plänen entwickeln.“ Ein Fallstrick sei die Verwechslung eines wirklichen Aufbruchs mit Anpassung: „Es macht Menschen resignativ, wenn Zukunft eine Mogelpackung von Bekanntem ist.“
Resilienz ist ein kollektives Projekt
Resilienzforscherin Dipl.-Psych. Dr. Donya Gilan (Uniklinik Mainz) betonte: „Resilienz ist nicht die individuelle Pflicht, ständig flexibel zu bleiben, sondern eher ein kollektives Projekt. Die Erfahrung einer Krise soll zur langfristigen Stärkung führen, nicht zur einfachen Rückkehr zum vorherigen Zustand.“ Wichtig sei dabei Kultivierung von institutionellem Vertrauen, das Zusammenkommen als Gemeinschaft und die Präsentation von Resilienz-Vorbildern. „Die Unterstützung geflüchteter Ukrainer und die Organisation von Wohnraum durch Freiwillige war ein gutes Beispiel kollektiver Solidarität“, ergänzte Gilan.
Neuerungen kommen zu spät in Schule an
Reichlich Kritik am Bildungssystem kam in der Diskussionsrunde auf: „Die Klickwelten von Jugendlichen basieren zu großem Teil auf negativen Inhalten. Aber das Thema Medienkompetenz kommt in den Schulen noch zu wenig vor“, bemängelte Dr. Gilan. Prof. Selke stimmte zu: „Wir bleiben bei einem Werkzeug-Begriff des 19. Jahrhunderts, dass man etwas nutzt und wieder weglegt. Das reicht etwa bei Künstlicher Intelligenz nicht. Neuerungen kommen viel zu spät in unserem Bildungssystem an. Dabei betrifft es die Menschen, die die meiste Zukunft noch vor sich haben!“
Quelle und Kontaktadresse:
DPtV e.V. - Deutsche PsychotherapeutenVereinigung, Hans Stromsdörfer, Pressesprecher(in), Am Karlsbad 15, 10785 Berlin, Telefon: 030 235009-0, Fax: 030 235009-44