Zukunft der GKV-Finanzarchitektur - Stellt das GKV-VEG die Weichen richtig?
(Berlin) - Die ersten Weichen für eine längst überfällige Reform des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleiches (Morbi-RSA) sind gestellt. Mit dem Entwurf des GKV-Versichertenentlastungsgesetzes, (GKV-VEG) ist festgeschrieben, dass die Rücklagen der Kassen erst nach einer Reform des Morbi-RSA abgeschmolzen werden können. Ungeachtet der Kritik an der geplanten Abschmelzung erhält die Politik von Seiten der Ersatzkassen, Betriebs- und Innungskrankenkassen, die zusammen 60,4 Prozent bzw. 42,3 Millionen Versicherte in der GKV betreuen, eine breite Zustimmung für die geplante Reform des Morbi-RSA.
"Das ist nur richtig und konsequent, denn schließlich sind die Finanzreserven zwischen den gesetzlichen Krankenkassen auf Grund der Verzerrungen des Morbi-RSA äußerst unterschiedlich verteilt. Seit einigen Jahren erhalten alleine die Ortskrankenkassen weit mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds, als sie für die Finanzierung der GKV-Pflichtleistungen ihrer Versicherten benötigen, während die Deckungsbeiträge vor allem bei Ersatz- Betriebs-, Innungskrankenkassen immer weiter ins Minus rutschen", sagt Franz Knieps, Vorstand des BKK Dachverbandes.
Schon jetzt liegen zwischen dem höchsten und niedrigsten Deckungsbeitrag innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) 2,5 Milliarden Euro. Bleibt alles beim Alten, wird sich die Schere zwischen Unter- und Überdeckung nach Berechnungen des BKK Dachverbandes bis zum Ende dieser Legislaturperiode auf rund 4,5 Milliarden erhöhen.
Ziel der Finanzreform muss es sein, einen fairen Wettbewerb unter den Kassen möglich zu machen, damit das GKV-System insgesamt auf eine stabile finanzielle Basis gestellt wird. Bleibt eine Reform aus, sind weitere Kassenfusionen und mögliche Insolvenzen keineswegs ausgeschlossen. Eine Gefahr für Kassenvielfalt und Versorgung.
"Auch die Manipulationen in der obligatorischen Anschlussversicherung (oAV), wie im GKV-VEG vorgesehen, müssen angegangen und dürfen nicht verwässert werden. Es ist begrüßenswert, dass mit der im Kabinettsentwurf des GKV-VEG vorgesehenen Überprüfung der obligatorischen Anschlussversicherung Manipulationen aktiv entgegengewirkt wird. Es kann nicht sein, dass Krankenkassen fiktive Mitgliedschaften aufrechterhalten, um Zuweisungen aus dem RSA zu beziehen, obwohl sich diese Personen längst nicht mehr in Deutschland aufhalten und keine Leistungen mehr bekommen", erklärt Jürgen Hohnl, Geschäftsführer der Interessenvertretung der Innungskrankenkassen. Des Weiteren fordert er: "Es muss sichergestellt werden, dass das Verfahren der Bereinigung bei bundes- sowie landesunmittelbaren Krankenkassen nach einheitlichen Regeln erfolgt."
In Hinblick auf die Reform des Morbi-RSA ist die Erwartungshaltung bei den Ersatzkassen, Betriebs- und Innungskrankenkassen sehr hoch.
"Es ist gut, dass der Gesetzgeber die Absicht hat, den Morbi-RSA anzupacken. Konkret müssen die Kriterien für die Finanzverteilung aus dem Gesundheitsfonds weiterentwickelt werden, angefangen bei der Vermeidung von Über- und Unterdeckungen bestimmter Versichertengruppen, z.B. für multimorbide Versicherte, über die Wiedereinführung eines Hochrisikopools zum Ausgleich besonders teurer Krankheiten bis hin zur Berücksichtigung exogener Faktoren", so Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek).
Mit einer RSA-Reform müssen gleichzeitig auch verbindliche Kodierrichtlinien eingeführt werden, um Manipulationen bei der Erfassung ambulanter Diagnosen zu vermeiden. Die Aufnahme dieser Regelung in das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) werten vdek, BKK-Dachverband sowie der IKK e.V. entsprechend positiv. Im Übrigen würde die Aufnahme aller Krankheiten in den Ausgleich die Manipulationsanfälligkeit des Morbi-RSA noch einmal deutlich erhöhen. Eine Einflussnahme der Kassen auf die Kodierung muss ausgeschlossen werden. Deshalb muss der Gesetzgeber die Arzt-Software durch eine neutrale Stelle zertifizieren und regelmäßig überprüfen lassen.
Die Zeit ist knapp: Eine RSA-Reform muss jetzt schnell auf den parlamentarischen Weg gebracht werden, damit die Krankenkassen bereits im Herbst 2019 klare und verlässliche Grundlagen für ihre Haushaltsplanungen 2020 haben.
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