Zinsbesteuerung in der EU: Politik der gläsernen Taschen
(Köln) - Mogeln bei den Zinseinkünften wird künftig schwerer zumindest innerhalb der Europäischen Union. Kontrollmitteilungen über Landesgrenzen hinweg zeigen jedem Finanzbeamten sofort, wer wo wie viel Zinsen kassiert hat. Mehr als zehn Jahre haben Europas Finanzminister über eine gemeinsame Zinsbesteuerung in der EU gestritten. Bis dann im Frühsommer dieses Jahres ein Kompromiss gefunden wurde, wie in Zukunft über die nationalen Grenzen hinweg die Erträge aus Kapitalanlagen besteuert werden sollen.
Bisher ist es nach dem Gesetz so, dass ein Deutscher, der seine Ersparnisse nach Luxemburg bringt und dort vom Fiskus nicht zur Kasse gebeten wird, seine Zinsen zum hiesigen Satz nachversteuern muss. Dieses Gesetz wird aber oft vergessen: Experten schätzen, dass deutsche Kapitalanleger allein in Luxemburg bis zu 100 Milliarden Euro deponiert haben, damit der deutsche Fiskus keinen Wind davon bekommt.
Bei der komplizierten Frage, wie denn im Ausland anfallende Zins- bzw. Kapitalerträge zu besteuern sind, gibt es prinzipiell zwei Ansätze:
1. Wohnsitzland-Prinzip
Hier werden alle natürlichen Personen mit ihrem gesamten, weltweit erzielten Einkommen in der Heimat zur Steuer veranlagt. Weil die Steuerpflichtigen wissen, dass in diesem Fall ausländische Erträge ebenso hoch besteuert werden wie inländische, ist es für den ehrlichen Kapitalanleger uninteressant, nur aus steuerlichen Motiven sein Geld im Ausland anzulegen.
Beim Wohnsitzland-Prinzip unterliegen die weltweiten Zinserträge meist der heimischen Einkommensteuer-Progression. Sind sie niedrig, müssen aufgrund von Freibeträgen oft gar keine Steuern gezahlt werden. Anderenfalls kann es aber teuer werden.
2. Quellenland-Prinzip
Dieser Ansatz sieht vor, dass natürliche Personen und Unternehmen dort steuerpflichtig sind, wo das Einkommen entsteht. Herrschen im In- und Ausland unterschiedliche Steuersätze wie es in der EU der Fall ist und weiterhin sein wird , kann es sinnvoll sein, Kapital zu verlagern.
Dieses Verfahren hat einen großen Vorteil: Es ist unbürokratisch und effizient. Da anfallende Kapitalerträge automatisch zunächst an der Quelle ihres Entstehens besteuert werden, gibt es keinerlei Hinterziehungsmöglichkeiten. Und es entfällt die Notwendigkeit zu einem grenzüberschreitenden Informationsaustausch bis hin zu Kontrollmitteilungen von Land zu Land.
Die Sache hat allerdings einen Haken: Dem Staat, in dem der Steuerpflichtige lebt und dessen Leistungen er in Anspruch nimmt, entgeht das Steueraufkommen. Das Hochsteuerland Deutschland beispielsweise, dessen Bürger dann ihr Erspartes in Länder mit niedriger Zinsbesteuerung transferieren würden, blickt so in die Röhre.
Auch andere Länder sehen diese Gefahr und wollen vom Quellenland-Prinzip nichts wissen. Deshalb wird ab dem Jahr 2005 in zwölf der 15 EU-Mitgliedstaaten ein automatischer Informationsaustausch über die an Nicht-Gebietsansässige ausgezahlten Kapitalerträge eingeführt. Er stellt sicher, dass das heimische Wohnsitz-Finanzamt in jedem Fall über die im europäischen Ausland erzielten Zinseinnahmen Kenntnis erlangt. Das heißt: In Europa erhält der Fiskus Einblick in alle ausländischen Kapitalerträge des Anlegers dieser hat dann gläserne Taschen.
Damit wird die Grundlage zur Durchsetzung des Wohnsitzland-Prinzips geschaffen.
Luxemburg, Österreich und Belgien haben bis zum Ende der langwierigen Verhandlungen erfolgreich ihr Bankgeheimnis verteidigt und eine Übergangslösung erwirkt. Sie dürfen zeitlich gestaffelt für Steuerausländer eine Quellensteuer erheben. Diese beträgt 2004 zunächst 15 Prozent und wird 2007 auf 20 Prozent und ab 2010 auf 35 Prozent angehoben. Von den so erzielten Quellensteuereinnahmen werden exakt drei Viertel an den EU-Wohnsitzstaat überwiesen, sodass nur das restliche Viertel beim Quellensteuerstaat verbleibt. Die drei Ausreißer sind erst dann zu automatischen Kontrollmitteilungen verpflichtet, wenn die EU mit der Schweiz, Andorra, San Marino, Monaco und Liechtenstein entsprechende Abkommen unterzeichnet hat.
Die Schweiz, die nicht verpflichtet ist, die EU-Zinssteuerrichtlinie zu übernehmen, hat sich bereits nach langen Verhandlungen diesem Kompromiss angeschlossen und erhebt analog zu den drei genannten EU-Staaten eine sukzessiv steigende Quellensteuer für Ausländer.
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