Zeitungen bleiben auf Erfolgskurs Anzeigengeschäft zufriedenstellend / relativ stabile Auflagen / schwierige Lage in Ostdeutschland / Verleger kritisieren Bundesregierung und warnen vor Eingriffen aus Brüssel
(Berlin) - Die deutschen Zeitungen bleiben auf Erfolgskurs. "Mit einer großen Reichweite, hohen Auflagen und in der Werbung unumstritten als Nummer eins gehen die Zeitungen ins nächste Jahrtausend", erklärte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), Volker Schulze, bei der Jahrespressekonferenz des Verbandes am 14. September 1999 in Berlin. Die Zeitungen seien gut gerüstet, um ihre starke Position im immer härter umkämpften Markt zu festigen. Voraussetzung dafür seien die Bereitschaft und Kraft der Verlage, in allen Bereichen - Redaktion, Technik, Marketing, Beteiligung an neuen Medien - zu investieren. Die Stimmung in der Branche bezeichnete Schulze als optimistisch, jedoch nicht euphorisch. Die guten Branchendaten dürften nicht darüber hinweg täuschen, dass es sich um Durchschnittswerte handele. Für viele der 355 Zeitungsverlage in Deutschland werde es immer schwieriger, sich am Markt zu behaupten. Gerade in Ostdeutschland sei die Situation der Zeitungen aufgrund der Wirtschaftslage und der damit verbundenen Arbeitslosigkeit schwierig. Harte Kritik übte der BDZV an der Bundesregierung, die mit dem 630-Mark-Gesetz und dem Gesetz zur Scheinselbstständigkeit die Branche in eine schwierige Lage gebracht habe. Beide Gesetze müssten unverzüglich geändert werden.
Trotz der nach wie vor nicht befriedrigenden Konjunktur haben die Umfänge der geschalteten Anzeigen in Tageszeitungen im ersten Halbjahr 1999 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 3,3 Prozent zugenommen. Vor allem die Stellenanzeigen (+22,3 Prozent) und der Bereich Kfz (+9,2 Prozent) sowie überregionale Anzeigen (+6,6 Prozent) hätten stark zugelegt, führte der Geschäftsführer der Zeitungs Marketing Gesellschaft (ZMG), Hans-Dieter Gärtner, aus. Wenig erfreulich sei dagegen der Rückgang bei den lokalen Geschäftsanzeigen (-4,2 Prozent) und bei den Immobilienanzeigen (-3 Prozent).
Die Vertreter von BDZV und ZMG hoben hervor, dass es immer noch ein erhebliches Gefälle zwischen dem Zeitungsmarkt in West- und Ostdeutschland gebe. So seien die Anzeigenumfänge im Westen um 3,4 Prozent, im Osten hingegen nur um 1,2 Prozent gewachsen. Noch stärker seien die Unterschiede beim Zeitungsverkauf. Das Zeitungsabonnement in Ostdeutschland werde noch immer unter Preis angeboten und liege mit durchschnittlich 26 Mark bei etwa 75 Prozent des Westniveaus (33 Mark).
Entwicklung der Zeitungsauflagen
Angesichts der Medienexpansion und eines allgemein veränderten Freizeitverhaltens der Bürger ist die Entwicklung der Zeitungsauflagen recht stabil. Die Auflage aller Zeitungen (Tages-, Wochen- und Sonntagszeitungen) lag im zweiten Quartal 1999 bei 31,1 Millionen Exemplaren. Dies sind 500.000 Exemplare (1,6 Prozent) weniger als im Vorjahreszeitraum. Während in den westlichen Bundesländern 1,4 Prozent weniger Zeitungen als im Vorjahr verkauft wurden, gab es in Ostdeutschland einen Rückgang von 3 Prozent. Die überregionalen Zeitungen legten im zweiten Quartal zu (+1,6 Prozent); die lokalen Tageszeitungen (-1,4 Prozent), Wochenzeitungen (-0,4 Prozent) und Sonntagszeitungen (-0,8 Prozent) hatten leichte Einbußen. Die Kaufzeitungen verbuchten einen Rückgang von 3,9 Prozent. Die Gesamtauflage der Zeitungen in Deutschland (31,1 Millionen) gliedert sich folgendermaßen: Lokale/regionale Abozeitungen (17,1 Millionen), überregionale Zeitungen (1,7 Millionen), Kaufzeitungen (5,8 Millionen), Sonntagszeitungen (4,5 Millionen), Wochenzeitungen (2 Millionen).
Was die Kostenentwicklung für das laufende Jahr betrifft, gibt es vor allem im Bereich Personal hohe Belastungen für die Verlage. Die Tariferhöhung in der Druckindustrie und für die Zeitungsredakteure fiel - wie in anderen Branchen auch - deutlich höher aus als 1998: Die Tarifvertragsparteien vereinbarten jeweils eine Steigerung der Löhne und Gehälter um 3,3 Prozent. Dazu kommen die finanziellen Belastungen durch die Gesetze zur sogenannten Scheinselbstständigkeit und den 630-Mark-Jobs.
Umsätze 1998
Ihren Gesamtumsatz aus Anzeigen/Beilagen und Zeitungsvertrieb konnten die Verlage 1998 im Vergleich zum Vorjahr um 4,4 Prozent von 18,68 Milliarden auf 19,50 Milliarden Mark steigern. Die Vertriebsumsätze wuchsen um 3,14 Prozent, das Anzeigen- und Beilagengeschäft legte um 5,12 Prozent zu. Der Gesamtwerbeumsatz aller Zeitungsgattungen belief sich 1998 auf 12,5 Milliarden Mark, davon entfielen 11,48 Milliarden Mark auf die Tageszeitungen, die mit einem Umsatzplus von 5,6 Prozent wieder an das Wachstum früherer Jahre anknüpften. 1996 kamen sie sogar auf ein Minus von 0,4 Prozent (10,7 Milliarden Mark) und konnten 1997 ein leichtes Plus von 1,8 Prozent (10,9 Millionen Mark) verbuchen. Die Wochen- und Sonntagszeitungen kamen 1998 auf ein Umsatzplus von 3,2 Prozent (480 Millionen Mark). Die Zeitungs-Supplements mussten 1998 ein Minus von 14,7 Prozent hinnehmen und kamen auf einen Anzeigenumsatz von insgesamt 180 Millionen Mark. 63 Prozent des Gesamtumsatzes der Tageszeitungen stammen aus Werbeerlösen; 37 Prozent entfallen auf Vertriebsumsätze.
Kosten und Erlöse
Der Umsatzsteigerung in Höhe von 4,4 Prozent im Jahr 1998 stand eine Kostensteigerung von 3,69 Prozent gegenüber. Den größten Zuwachs gab es in den Bereichen Redaktion (3,84 Prozent) und Anzeigen (5,8 Prozent) sowie Verwaltung (7,5 Prozent). Den größten Anteil an den Gesamtkosten hat die technische Herstellung der Zeitungen (28 Prozent). Zweitgrößter Kostenblock sind die Redaktionen mit 22 Prozent, gefolgt vom Vertrieb mit 20 Prozent, den Anzeigen (13 Prozent) und der Verwaltung (9 Prozent).
630-Mark-Gesetz belastet Verlage
Massive Kritik übte der BDZV an der Bundesregierung. Die Verlage seien durch die Folgen des 630-Mark-Gesetzes schwer betroffen. Etwa 20.000 Zeitungszusteller hätten gekündigt, weil sich das Austragen von Zeitungen im Nebenjob nicht mehr lohne, erklärte Volker Schulze. Mit einem unverhältnismäßig hohen Werbeaufwand suchten die Zeitungshäuser nach Zustellern. Seit Monaten müssten Tag für Tag regelrechte logistische Notprogramme entwickelt werden, um die Zeitungen rechtzeitig zum Leser zu bringen. "Das muss jetzt ein Ende haben, das Gesetz muss geändert werden", so Schulze. Es sei aberwitzig, dass die politisch Verantwortlichen wider besseres Wissen dieses Gesetz verabschiedet hätten, um es dann wenige Monate später schon wieder auf den Prüfstand zu stellen. Dabei sei allen an der Gesetzgebung Beteiligten von Anfang an klar gewesen, dass es gerade im Bereich der Zeitungszustellung keinerlei Missbrauch gegeben habe. Der BDZV hob hervor, dass die laufende Anzeigenkampagne der Zeitungen unter dem Titel "Das 630-Mark-Gesetz und seine Folgen" offensiv fortgesetzt werde.
Zum Gesetz zur Scheinselbstständigkeit führte Schulze aus, dass die geplanten Änderungsempfehlungen der sogenannten "Dieterich-Kommission" zwar ein Schritt in die richtige Richtung seien. Konsequenter wäre es, wenn das ganze Gesetz zurückgenommen würde.
Werbeverbote sind Denkverbote
Als "Kriegserklärung an den mündigen Bürger und Angriff auf die Freiheit der Kommunikation" bezeichnete der BDZV die auf europäischer Ebene bereits durchgesetzten und weiterhin geplanten Verbote und Restriktionen von Werbung. Werbeverbote seien Denkverbote. Werbefreiheit sei die Freiheit zu informieren und damit auch ein besonderer Ausdruck von Pressefreiheit. Produkte, die legal hergestellt und legal verkauft werden, müssten auch legal beworben werden dürfen. Das bereits verabschiedete Tabakwerbeverbot wirke wie "blanker Hohn und Heuchelei", da die Europäische Union bekanntlich in jedem Jahr Milliardensummen an Subventionen für den Tabakanbau freigebe. Es sei skandalös, dass offen über weitere Zensurmaßnahmen in Brüssel und Straßburg diskutiert werde. Werbung für alkoholische Getränke, Autos, Kinderspielzeug, pharmazeutische Produkte, Süßigkeiten seien mittlerweile das Ziel der Zensoren. Ausdrücklich begrüßte der BDZV, dass die Bundesregierung beim Thema "Werbeverbote" voll und ganz die Haltung der Zeitungsverleger wie der gesamten Kommunikationsbranche unterstützt und wegen des Tabakwerbeverbots den Europäischen Gerichtshof angerufen hat.
Quelle und Kontaktadresse:
BDZV