Zahlen kindlicher Gewaltopfer nach der Polizeilichen Kriminalstatistik 2018: Entwicklungen für einen verbesserten Kinderschutz bleiben erneut aus
(Berlin) - Die Deutsche Kinderhilfe - Die ständige Kindervertretung e.V. stellte heute gemeinsam mit Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes, Kathinka Beckmann, Professorin für klassische und neue Arbeitsfelder der Pädagogik der Frühen Kindheit an der Hochschule Koblenz und Johannes-Wilhelm Rörig, Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik 2018 zu kindlichen Gewaltopfern vor.
Im Jahr 2018 sind 136 Kinder gewaltsam zu Tode gekommen. Fast 80 Prozent von ihnen waren zum Zeitpunkt des Todes jünger als sechs Jahre. Darüber hinaus kam es in 98 Fällen zu einem Tötungsversuch. Bei den Zahlen zu Misshandlungen ist ein leichter Rückgang von 4.247 auf 4.180 betroffene Kinder zu verzeichnen.
Im Bereich sexuelle Gewalt sind die Delikte des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach den §§ 176, 176a und 176b um 6,43 Prozent gestiegen. Insgesamt waren 14.606 Kinder von sexueller Gewalt betroffen. Das sind 40 Fälle pro Tag, von denen wir Kenntnis erlangen.
Die in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Zahlen zur Herstellung, zum Besitz und zur Verbreitung sogenannten kinderpornografischen Materials sind von 6.512 auf 7.449 gestiegen. Das ist ein Anstieg von 14,39 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
"Die meisten Delikte gegen Kinder - Misshandlungen, sexuelle Übergriffe oder sexueller Missbrauch - passieren zwar hinter verschlossenen Türen, doch oft in Familien oder sozialen Gruppen mitten unter uns, oft jahrelang", erklärt Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes. "Daher sind wir alle gefragt, wachsam zu sein und nicht wegzuschauen. Jeder, der auf strafbare Handlungen aufmerksam wird, sollte nicht zögern und Strafanzeige erstatten, um das Leid der Kinder zu beenden. Wer wegschaut, macht sich mitschuldig!" Rainer Becker, Vorstandsvorsitzender der ständigen Kindervertretung, benennt den Grundstein allen Kinderschutzes: "Wenn wir Kinderschutz ernst nehmen wollen, muss zunächst jeder einzelne seine Haltung kritisch hinterfragen. Erst wenn wir realisieren, dass Gewalt gegen Kinder jeden Tag und direkt vor unseren Augen geschieht, können wir uns dazu befähigen, dieser Gewalt entgegenzutreten. Für den Kinderschutz bedeutet dies, genauer hinzusehen und hinzuhören, sensibel zu sein für potenzielle Gefährdungslagen von Kindern sowie einen angemessenen, altersgerechten Umgang mit Kindern zu pflegen. Generell sind Kinder zu beteiligen und vollumfänglich als Träger eigener Rechte anzuerkennen. Dafür braucht es Engagement und Beharrlichkeit."
Daneben beklagt Kathinka Beckmann, Professorin für klassische und neue Arbeitsfelder der Pädagogik der Frühen Kindheit an der Hochschule Koblenz, die Situation in der Kinder- und Jugendhilfe: "Zu wenig Fachkräfte bei steigenden Fallzahlen, keine ausreichende Qualifizierung der Mitarbeitenden, eine mangelnde finanzielle Ausstattung. Die Hauptakteure im Kinderschutz - die Allgemeinen Sozialen Dienste der Jugendämter - unterliegen defizitären strukturellen Rahmenbedingungen." Sie mahnt daher in aller Deutlichkeit: "Wer in der Jugendhilfe spart, die Jugendämter nicht angemessen mit ausreichend - und ausreichend qualifiziertem - Personal ausstattet, der begeht institutionelle Kindeswohlgefährdung."
Mit Blick auf die Zahlen im Bereich der sexuellen Gewalt gegen Kinder stellt der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, fest: "Zu sexueller Gewalt gegen Mädchen und Jungen spricht die PKS auch für das Jahr 2018 eine erschütternd deutliche Sprache. Ein weiterhin hohes Niveau der angezeigten Fälle beim Kindesmissbrauch, eine starke Steigerung der Fälle bei den Missbrauchsabbildungen. Das darf niemanden in der Politik kalt lassen. Die Bekämpfung von sexueller Gewalt gegen Minderjährige muss viel konsequenter angegangen werden. Die Ermittlungsmöglichkeiten müssen weiter geschärft werden. Die IP-Adresse führt zum Täter, weshalb wir in Deutschland dringend eine EU-rechtskonforme Vorratsdatenspeicherung brauchen. Nach den Missbrauchsfällen von Lügde und Staufen appelliere ich dringlich an alle Landesregierungen, Landesmissbrauchsbeauftragte einzurichten, ressortübergreifende Bestands- und Defizitanalysen zum Kinderschutz durchzuführen und konkrete Maßnahmen mit Zeitplan und Preisschild zu vereinbaren. Die hohe Zahl der Missbrauchsfälle darf von keinem Bundesland hingenommen werden. Die Landesregierungen halten den Schlüssel für besseren Schutz und bessere Hilfen in der Hand."
Quelle und Kontaktadresse:
Deutsche Kinderhilfe e.V.
Rainer Becker, geschäftsführender Vorstandsvorsitzender
Schiffbauerdamm 40, 10117 Berlin
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