Wunsch und Wirklichkeit klaffen auseinander / Vertagung der Tarifverhandlung in Hessen
(Wiesbaden) - Ergebnislos ging die erste regionale Verhandlungsrunde der Chemie gestern (27. Januar 2015) zu Ende. Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) Hessen-Thüringen und der Arbeitgeberverband HessenChemie kamen in Bad Homburg zu keiner Einigung für die 94.000 Beschäftigten der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Hessen. Zwischen Forderung und Bezahlbarkeit klafft eine große Lücke.
"Rückblickend war die letzte Entgelterhöhung von 3,7 Prozent zu hoch", begründet Christoph Obladen, Verhandlungsführer der hessischen Arbeitgeberseite, deren Haltung. "Zum Zeitpunkt des letzten Abschlusses 2014 hatten wir Wachstumsprognosen für die Chemieproduktion von zwei Prozent. Derzeit stagniert die Produktion. Das ist zu wenig für einen so hohen Tarifabschluss." In der Folge seien die Lohnstückkosten nach oben geschnellt. "Die Produktion in der klassischen Chemie ist 2014 in Hessen deutlich stärker als im Bundesschnitt gesunken. Die Folge ist ein vergleichsweise starker Umsatzrückgang, der bei kleinen und mittelständischen Unternehmen zu einem Personalabbau führt. Der insgesamt leichte Anstieg der Beschäftigung ist den Einstellungen der großen Unternehmen geschuldet. Es droht eine Erosion des Mittelstandes." Auch deswegen ist es für Obladen wichtig, einen Flächentarifvertrag zu verhandeln, der alle Mitgliedsunternehmen im Blick habe und sich nicht nur an den stärksten Unternehmen orientiere.
"Wir dürfen uns keinen Illusionen hingeben. Auch in diesem Jahr werden Nachfrage und Umsatz schwächeln. Hinzu kommen die Unsicherheiten aufgrund von weltweiten Krisen sowie der Entwicklung des Euros," argumentiert Obladen. "Unter diesen Umständen ist der Verteilungsspielraum sehr gering." Für den Personalleiter bei Heraeus handelt es sich hierbei auch nicht um Schwarzmalerei. "Die von uns aufgezeigte Prognose der letzten Tarifrunde hat sich leider ebenfalls bewahrheitet".
"Angesichts einer gesunkenen Produktivität, einer Inflation im Null-Komma-Bereich und seit Jahren deutlich steigenden Reallöhnen fällt es mir schwer zu erkennen, warum eine kräftige Lohnerhöhung angemessen sein soll." Vielmehr bedrohe es die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig, ärgert sich Obladen und plädiert für eine Rückkehr zu einer produktivitätsorientierten Tarifpolitik.
Die IG BCE fordert eine Tariferhöhung von 4,8 Prozent, eine Entgelterhöhung von 60 Euro für jeden Azubi, bessere Rahmenbedingungen für gute und gesunde Arbeit und eine Weiterentwicklung lebensphasenorientierter Arbeitszeitmodelle. Die Arbeitgeber betonen, dass sie den Mentalitätswandel, der mit dem Tarifvertrag "Lebensarbeitszeit und Demografie" eingeleitet wurde, fortsetzen wollen. Dabei ist Obladen "eine demografiefeste Tarif- und Personalpolitik wichtig, die alle Mitarbeiter und Lebensphasen im Blick hat. Flächendeckende Frühverrentungsmodelle für Ältere wird es mit uns nicht geben, und auch die Altersfreizeiten müssen auf den Prüfstand."
Obladen wird sich nach den regionalen Tarifverhandlungen erneut mit der Gewerkschaft über ihre Forderungen unterhalten. Er vertritt die hessischen Interessen beim Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) in der kleinen Tarifkommission auf Bundesebene. Die erste Bundesrunde wird am 24.02.2015 in Kassel stattfinden. "Die Verhandlungen werden auch hier nicht leichter." Darin ist sich der Verhandlungsführer sicher.
Quelle und Kontaktadresse:
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