Pressemitteilung | Deutscher Mieterbund e.V. (DMB)

Wohnungsmangel in Deutschland immer größer / Wohnkosten auf Rekordniveau - Energiewende verteuert Mieten zusätzlich

(Berlin) - "Der Wohnungsmangel, insbesondere in Großstädten, Ballungszentren und Universitätsstädten, macht sich immer deutlicher bemerkbar. Die Wohnkosten bewegen sich auf Rekordniveau, und jetzt droht im Zuge der Energiewende eine weitere drastische Verteuerung der Mieten", warnte der Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB), Dr. Franz-Georg Rips, auf einer Pressekonferenz der Mieterorganisation in Hamburg. "Die Bundesregierung muss jetzt handeln und gegensteuern. Wir brauchen gesetzliche Vorgaben, insbesondere zur Begrenzung der Neuvertragsmieten, und eine Regelung, die die Kosten nach einer energetischen Modernisierung gerecht verteilt."
In einem am Mittwoch vorgelegten Bericht der Bundesregierung über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland heißt es:
• Noch nie sind so wenige Wohnungen, insbesondere Mietwohnungen, gebaut worden wie in den letzten drei Jahren.
• Der Bestand an Sozialwohnungen ist in Deutschland zwischen 2002 und 2010 um ein Drittel auf 1,6 Millionen geschrumpft.
• In Großstädten, Ballungszentren und Universitätsstädten sind die Mieten schon 2011 um bis zu 10 Prozent gestiegen.
• Durchschnittlich ein Drittel ihrer Konsumausgaben müssen Mieter für die Wohnung und Betriebskosten ausgeben, einkommensschwächere Haushalte mehr als 45 Prozent.
• Bis zum Jahr 2020 werden zusätzlich 3 Millionen altengerechte Wohnungen benötigt.
"Die Bundesregierung kann jetzt vor den Problemen auf den Wohnungsmärkten nicht länger die Augen verschließen. Es reicht aber nicht aus, die Realitäten in Deutschland in umfassenden Berichten aufzulisten. Mieterinnen und Mieter haben Anspruch darauf, dass Lösungen für ihre Probleme gefunden werden", erklärte Mieterbund-Präsident Rips.

Wohnungsmangel immer größer
In den letzten vier Jahren haben die Wohnungsneubauzahlen einen Tiefstand in Deutschland erreicht. Zwischen 168.000 und 186.000 Wohnungen wurden jährlich noch neu gebaut, davon schätzungsweise nur ein Drittel Mietwohnungen, überwiegend im hohen Preissegment. Schon heute fehlen nach einer Untersuchung des Pestel-Instituts mehr als 100.000 Mietwohnungen in den 10 Großstädten Deutschlands. Bis zum Jahr 2017 wird der Fehlbestand auf 825.000 Mietwohnungen anwachsen, wenn weiterhin nur 60.000 bis 70.000 Mietwohnungen jährlich neu gebaut werden.
"Wenn wir in Großstädten, Universitätsstädten und Ballungszentren nicht auf eine neue Wohnungsnot zusteuern wollen, müssen die Fertigstellungen im Mietwohnungsbereich verdoppelt werden. Hierzu brauchen wir verbesserte steuerliche Rahmenbedingungen und eine verstärkte Wohnungsbauförderung in Deutschland", forderte der Mieterbund-Präsident.

Sozialer Wohnungsbau unverzichtbar - Wohnungsbestände der öffentlichen Hand sichern
Die Zahl der preiswerten Wohnungen in Deutschland geht immer stärker zurück. So hat sich zwischen den Jahren 2002 und 2010 die Zahl der Sozialwohnungen nach Angaben der Bundesregierung um ein Drittel verringert. Jährlich werden es 100.000 weniger, weil Preis- oder Belegungsbindungen auslaufen. Ende 2010 gab es nur noch 1,6 Millionen Sozialwohnungen in Deutschland. Dem stehen fast 6 Millionen Haushalte gegenüber, die dem Grunde nach berechtigt wären, eine Sozialwohnung zu beziehen.
"Wir brauchen jährlich mehr als 100.000 neue Sozialwohnungen, um den derzeitigen Schwund zu stoppen und das jetzige Niveau zu halten. Dazu müssten 40.000 Sozialwohnungen neu gebaut werden und im Übrigen Belegungsbindungen aufgekauft oder Preisbindungen durch öffentliche Förderung von Modernisierungsmaßnahmen eingehandelt werden", forderte Rips.

Der soziale Wohnungsbau ist seit der Föderalismusreform 2007 Sache der Bundesländer. Der Bund zahlt bis 2013 jährlich 518 Millionen Euro, so genannte Kompensationszahlungen. Ob und in welchem Umfang diese Zahlungen fortgesetzt werden, ist derzeit offen.
"Statt über die Sinnhaftigkeit und Fortführung von Kompensationszahlungen zu diskutieren, sollte über die Verstetigung und Anhebung der Zahlungen, über eine Fortsetzung der Zweckbindung für die Länder und über neue und zusätzliche Fördermittel speziell für den Neubau von preiswerten Wohnungen gesprochen werden. Bund und Länder sind hier gleichermaßen gefordert", erklärte der Mieterbund-Präsident.

Für einen ausreichenden Bestand an bezahlbaren Wohnungen sorgen auch genossenschaftliche und vor allem kommunale Wohnungsunternehmen. Deshalb lehnt der Deutsche Mieterbund den Verkauf von Wohnungen der öffentlichen Hände an renditeorientierte Unternehmen und Finanzinvestoren strikt ab.
"Mit dem Verkauf an Dritte wird ein Pfand aus der Hand gegeben, Einfluss auf den Wohnungsmarkt zu nehmen", erklärte Rips.

Wohnkostenbelastung auf Rekordniveau
Niedrigere Neubauzahlen, immer weniger preiswerte Wohnungen und eine starke Nachfrage, insbesondere in den Städten, treiben die Mieten und damit die Wohnkosten in die Höhe. Mieterinnen und Mieter müssen im Durchschnitt 34,1 Prozent ihrer Konsumausgaben für Miete und Energie zahlen. Bei einkommensschwächeren Haushalten bis zu einem Einkommen von etwa 1.300 Euro liegt diese Wohnkostenbelastung bei rund 45 Prozent.

Die wachsende Zahl der Haushalte wird die aktuellen Probleme weiter verschärfen. Nach dem Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland stieg die Zahl der Haushalte von 2002 bis 2010 von 38,7 Millionen auf 40,3 Millionen und wird weiter steigen. Erst im Jahr 2025 wird mit prognostizierten 41,1 Millionen Haushalten ein Höhepunkt erreicht.
"Solange können wir nicht warten. Wir brauchen jetzt Regelungen, die schnell wirken und den Wohnungsnachfragern in den Städten helfen", erklärte der Mieterbund-Präsident.

Mietenanstieg stoppen
"Die Neuvertragsmieten müssen gesetzlich begrenzt werden. Sie sollten die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um 10 Prozent übersteigen dürfen", forderte Mieterbund-Präsident Rips.
Die bisherigen Mieterhöhungsregelungen gelten nur für bestehende Mietverhältnisse. Beim Abschluss eines neuen Mietvertrages dagegen kann der Vermieter die Miete in nahezu beliebiger Höhe festsetzen. Das führt dazu, dass insbesondere in Großstädten, Ballungszentren und Universitätsstädten diese so genannte Neuvertragsmiete um 20 bis 30 Prozent über der Miete in bestehenden Mietverhältnissen liegt.

Leidtragende dieser Mietpreise sind zunächst die etwa 10 Prozent der Mieterhaushalte, die jährlich die Wohnung wechseln bzw. aus beruflichen Gründen umziehen müssen, junge Menschen, die eine Familie gründen und eine gemeinsame Wohnung beziehen wollen, oder Studenten, die in die Stadt ziehen, um hier zu studieren. Aber nicht nur im Interesse dieser Mietergruppen sind die Neuvertragsmieten zu begrenzen.
"Die hohen Neuvertragsmieten von heute sind die Bestandsmieten von morgen", erklärte Rips. "Da in die ortsübliche Vergleichsmiete nur die Vertragsabschlüsse der letzten vier Jahre eingehen, drohen mittelfristig auch in bestehenden Mietverhältnissen hohe Preissteigerungen."

Auch deshalb sind bei den Mieterhöhungsvorschriften für den Wohnungsbestand Korrekturen erforderlich. Bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete sollten alle Mietverhältnisse einbezogen werden und nicht nur die der letzten vier Jahre. Außerdem muss die Kappungsgrenze, die derzeit noch Mietpreissteigerungen von bis zu 20 Prozent in drei Jahren zulässt, auf 15 Prozent in vier Jahren korrigiert werden.

Mieterhöhung nach Modernisierung neu regeln
Energiewende und energetische Sanierung der Gebäudebestände treiben die Wohnkosten weiter in die Höhe. Verantwortlich hierfür ist nicht zuletzt das geltende Mietrecht, wonach der Vermieter 11 Prozent der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete aufschlagen darf. Fallen Modernisierungskosten in Höhe von 200 Euro pro Quadratmeter an, bedeutet das für den Mieter eine Mieterhöhung von 1,83 Euro pro Quadratmeter und Monat. Liegen die Modernisierungskosten bei 300 Euro pro Quadratmeter, kostet das den Mieter 2,75 Euro pro Quadratmeter und Monat mehr als bisher. Diese Beträge sind auch bei einer erfolgreichen und guten Sanierung nicht über niedrigere Heizkosten finanzierbar.
Konsequenz der jetzigen gesetzlichen Mieterhöhungsregelung ist auch, dass selbst für unwirtschaftliche Modernisierungsmaßnahmen oder Modernisierungen, die kaum Energie und damit kaum Heizkosten sparen, hohe Mieterhöhungen rechtlich zulässig sind.

"Diese gesetzliche Mieterhöhungsregelung ist ungerecht. Die Kosten der energetischen Modernisierung werden ungleich verteilt. Im Ergebnis zahlt allein der Mieter die Kosten. Die geltende Mieterhöhungsvorschrift ist außerdem schon dem Grunde nach falsch. Sie knüpft den Umfang der Mieterhöhung an die Kosten der Modernisierung, ohne zu fragen, ob die energetische Sanierung sinnvoll und erfolgreich war, ob tatsächlich Energie und damit Heizkosten eingespart werden", sagte der Mieterbund-Präsident. "Aus unserer Sicht muss diese Mieterhöhungsvorschrift (Paragraph 559 BGB) ersatzlos gestrichen werden. Stattdessen sollte im Rahmen der ortsüblichen Vergleichsmiete die energetische Qualität der Wohnung für die Bestimmung der Miete mitentscheidend werden."

Bis sich am Wohnungsmarkt, zum Beispiel über energetische Mietspiegel, eine Differenzierung nach Energieeffizienz-Standards ablesen lässt, muss nach den Vorstellungen des Deutschen Mieterbundes eine Übergangslösung gefunden werden.
"Denkbar ist ein Zuschlag auf die heutige Kaltmiete, dessen Umfang von der konkreten Energie- und damit Heizkostenersparnis abhängt", so Rips. Damit der Umfang einer Energieeinsparung Maßstab für die Höhe des Mieterhöhungszuschlags sein kann, müsste vor und nach Abschluss der Modernisierungsmaßnahme ein bedarfsorientierter Energieausweis erstellt werden.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Mieterbund e.V. (DMB) Pressestelle Littenstr. 10, 10179 Berlin Telefon: (030) 223230, Telefax: (030) 22323100

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