Wohnungsmängel in Millionen Wohnungen / Mieter haben Anspruch auf Reparatur und Mietminderung
(Berlin) - Unzählige Häuser und Mietwohnungen haben mehr oder weniger schwerwiegende Mängel. Zwischenzeitlich dreht sich jede fünfte Rechtsberatung der örtlichen DMB-Mietervereine um diese Probleme, um Schadensbeseitigung und Mietminderung.
Viele Mieter zahlen trotz Schäden, Mängeln und Beeinträchtigungen weiter die volle Miete, weil sie ihre Rechte nicht kennen, und verschenken so nach Einschätzung des Deutschen Mieterbundes (DMB) mehr als 100 Millionen Euro im Jahr. Der Deutsche Mieterbund hat deshalb in einer neuen Broschüre "Wohnungsmängel und Mietminderung" die wichtigsten Rechte und Pflichten bei Mängeln rund um die Wohnung aufgelistet und nennt anhand von mehr als 500 Gerichtsurteilen Beispiele, wann und in welchem Umfang die Miete gemindert werden darf.
Mängel
Ein Mangel liegt vor, wenn der Mieter die Wohnung nicht nutzen kann, wie er will und wie er es nach dem Vertrag erwarten darf. Danach müssen sich alle Räume der Wohnung, Treppen, Flure, Speicher, Keller und Zugänge in einem vertragsgemäßen Zustand befinden. Technische Anlagen, wie zum Beispiel Heizung, Fahrstuhl oder Durchlauferhitzer, müssen funktionieren. Auch Lärmbeeinträchtigungen aus dem Haus oder aus benachbarten Häusern können Mängel sein.
Nach dem Gesetz spielt es keine Rolle, ob den Vermieter ein Verschulden an den Fehlern der Mietsache trifft oder nicht. Wichtig ist allein, dass ein Mangel vorliegt. Ausnahme: Der Mieter hat den Mangel selbst verschuldet. Dann ist die Mietminderung ausgeschlossen.
Die fünf häufigsten Wohnungsmängel
- Feuchtigkeitsschäden und Schimmelpilz in der Wohnung
- Lärm infolge von Baumaßnahmen im Haus, in der näheren Umgebung bzw. Nachbarschaftslärm
- Wohnung kleiner als im Mietvertrag angegeben
- Ausfall oder Defekt technischer Geräte, wie Aufzug, Heizung, Warmwasserboiler usw.
- Schäden am Haus oder in der Wohnung, z.B. morsche Fenster, undichtes Dach usw.
Information
Treten während der Mietzeit Mängel in der Wohnung oder am Haus auf, muss der Vermieter sofort benachrichtigt werden, am besten schriftlich. Er muss sich um die Beseitigung des Mangels kümmern, zum Beispiel die notwendigen Reparaturen veranlassen.
Mietminderung von 1 Prozent bis 100 Prozent
Solange der Mangel oder Schaden vorliegt und der Vermieter ihn nicht beseitigt hat, kann der Mieter die Miete kürzen. Je nach Umfang der Beeinträchtigung kann er zwischen ein und 100 Prozent bei vollständiger Unbewohnbarkeit der Wohnung von der Miete abziehen. Das Recht zur Mietminderung besteht nicht, wenn es sich bei dem Mangel um eine völlig unerhebliche Beeinträchtigung handelt, zum Beispiel einen Haarriss an der Wand oder eine defekte Glühbirne.
Richtig mindern
Grundlage der Mietminderung ist die Bruttomiete, das heißt die Miete inklusive Vorauszahlungen für kalte und warme Betriebskosten. Die Mietminderung muss nicht beantragt werden. Der Mieter kann nach dem Gesetz bei Mängeln weniger Miete zahlen. Treten im Laufe des Monats Oktober Mängel auf, ist die Oktobermiete aber bereits am Monatsanfang gezahlt worden, kann der Mieter im November entsprechend weniger zahlen. Die Miete darf aber nur für den Zeitraum gekürzt werden, in dem der Mangel tatsächlich vorlag. Beispiel: Kann die Miete wegen Baulärms und Schmutz um 30 Prozent gemindert werden, war die Baustelle aber nur vom 1. bis 15. des Monats eingerichtet, kann auch nur für den halben Monat die Miete gekürzt werden, also insgesamt 15 Prozent.
Beweisen
Der Mieter muss beweisen, dass Wohnungsmängel vorliegen und dass er die Mängel angezeigt hat. Sache des Vermieters ist es, nachzuweisen, dass der Mieter den Mangel zu vertreten hat, dass der Mangel nur eine unerhebliche Beeinträchtigung der Mietsache ist oder dass der Mieter den Mangel von Anfang an kannte.
Weitere Mieterrechte
Reagiert der Vermieter nicht oder weigert er sich, die Mängel zu beseitigen, kann der Mieter neben der Mietminderung zusätzlich einen Teil der Miete zurückbehalten. Er kann den Vermieter auch auf Mängelbeseitigung verklagen oder wenn sich dieser trotz Mahnung nicht rührt den Mangel selbst beseitigen lassen. Kommt es aufgrund der Mängel zu Schäden an Einrichtungsgegenständen des Mieters, kann er unter Umständen Schadensersatz fordern. Bei schwersten Mängeln, wenn die Wohnung praktisch unbewohnbar ist oder Gesundheitsgefahren drohen, kann der Mieter fristlos kündigen.
Die Broschüre "Wohnungsmängel und Mietminderung" (ISBN 978-3-933091-98-7) kostet 6 Euro und kann bei allen örtlichen Mietervereinen gekauft oder beim DMB-Verlag, 10169 Berlin, bzw. unter www.mieterbund.de (zzgl. 1,20 Euro Versandkosten) bestellt werden.
Die wichtigsten Grundsatzurteile des Bundesgerichtshofs zu Wohnungsmängeln
Mieterrechte
Ist die Wohnung tatsächlich mehr als 10 Prozent kleiner als im Mietvertrag angegeben, kann der Mieter die Miete mindern, fristlos kündigen und/oder Rückzahlung zu viel gezahlter Mieten fordern (BGH VIII ZR 142/08).
Minderungshöhe
Der Höhe nach ist die Mietminderung entsprechend der prozentualen Flächenabweichung gerechtfertigt (BGH VIII ZR 295/03).
Wohnungsgröße
Ein Wohnungsmangel liegt vor, wenn die tatsächliche Wohnungsgröße mehr als zehn Prozent unter der im Mietvertrag angegebenen Fläche liegt. Die Mieter sind berechtigt, die vertraglich geschuldete Miete zu mindern und Rückzahlung der in der Vergangenheit zu viel gezahlten Miete zu fordern (BGH VIII ZR 133/03).
Berechnungsgrundlage
Die Ermittlung der Wohnfläche richtet sich nach der II. Berechnungsverordnung bei Vertragsabschlüssen bis zum 31.12.2003 bzw. nach der Wohnflächenverordnung bei Vertragsabschlüssen seit dem 1.1.2004. Es sei denn, Mieter und Vermieter hätten im Mietvertrag ausdrücklich etwas anderes vereinbart oder eine andere Berechnungsweise ist vor Ort üblich (BGH VIII ZR 86/08).
Mietminderung
Bei der Berechnung einer Mietminderung ist von der vereinbarten Bruttowarmmiete auszugehen. Das ist die Grundmiete plus Vorauszahlungen für die Betriebs- und Heizkosten (BGH VIII ZR 225/03 und 347/04).
Umfang der Mietminderung
Die Höhe der Mietminderung muss der Mieter selbst einschätzen. Selbst wenn die von Mietern durchgeführte Minderung objektiv zu hoch war, droht allenfalls die Nachzahlung der Miete, aber keine Kündigung. Die Kündigung des Vermieters setzt ein Verschulden des Mieters voraus. Wer irrtümlich zu viel mindert oder aus bloßer Unkenntnis des Minderungsumfangs falsch bestimmt, dem kann und darf nicht gekündigt werden. Das haben das Bundesverfassungsgericht (1 BvR 1428/88) und der Bundesgerichtshof (BGH XII ZR 254/95) entschieden.
Mietminderung und Betriebskosten
Grundlage für die Mietminderung ist die Bruttomiete, inklusive der Betriebskosten. Konsequenz ist, dass eine evtl. Nachzahlungsforderung des Vermieters aus der jährlichen Betriebskostenabrechnung anteilig gekürzt werden kann (BGH VIII ZR 223/10).
Altmängel
Der Mieter verliert sein Recht zur Mietminderung nicht automatisch sechs Monate nach Auftreten des Mangels, auch dann nicht, wenn er in dieser Zeit die Miete anstandslos weiter gezahlt hat oder wenn er seinen Vermieter erst nach sechs Monaten informiert, dass ein Mangel vorliegt (BGH VIII ZR 274/02).
Nachforderungen
Insbesondere, wenn der Vermieter der Mietminderung des Mieters mehrfach widersprochen und er zu erkennen gegeben hat, dass er sie nicht akzeptiert, kann er auch noch nach 27 Monaten Miete nachfordern (BGH VIII ZR 171/03).
Mindeststandard
Auch eine nicht modernisierte Altbauwohnung muss einem Mindeststandard genügen, der ein zeitgemäßes Wohnen ermöglicht. Dazu gehört, dass ein größeres Haushaltsgerät, wie Waschmaschine oder Geschirrspüler, und weitere haushaltstypische Elektrogeräte, wie etwa ein Staubsauger, gleichzeitig genutzt werden können (BGH VIII ZR 281/03).
Elektroversorgung
Auch Mieter einer nicht modernisierten Altbauwohnung haben Anspruch auf eine Elektroversorgung, die sicherstellt, dass mehrere Haushaltsgeräte gleichzeitig genutzt werden können, z.B. Waschmaschine und Staubsauger. Einschränkungen im Mietvertrag sind unzulässig (BGH VIII ZR 343/08).
Mobilfunk
Die von einer Mobilfunkanlage ausgehenden elektronischen Felder müssen geduldet werden, sind kein Mangel, solange die Grenzwerte der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung eingehalten werden (BGH V ZR 217/03).
Stromsperre
Hat der Stromversorger wegen Zahlungsrückständen des Mieters die Stromlieferung gesperrt und den Stromzähler ausgebaut, kann der Mieter nicht gegenüber dem Vermieter die Miete mindern mit dem Argument, die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung sei eingeschränkt. Der Mangel ist hier der Sphäre des Mieters zuzurechnen (BGH VIII ZR 113/10).
Fogging
Treten Schwarzverfärbungen (Fogging) beim normalen Gebrauch der Wohnung auf, hat der Mieter diesen Mangel nicht zu vertreten. Der Vermieter ist zur Beseitigung des Mangels verpflichtet (BGH VIII ZR 271/07).
Schadensersatz bei Fogging
Schadensersatz wegen Fogging kann der Mieter nur fordern, wenn er ein Verschulden des Vermieters nachweisen kann. Stammt die Ursache des Fogging aus dem Herrschaftsbereich des Vermieters, ist er beweispflichtig (BGH VIII ZR 223/04).
Trittschall
Mieter haben kein Recht zur Mietminderung wegen Mängeln der Trittschalldämmung, wenn die geltenden DIN-Vorschriften eingehalten wurden. Maßgeblich sind die DIN-Vorschriften, die zum Zeitpunkt des Hausbaus galten. Sie bestimmen die Anforderungen an den Wohnungsstandard, den Mieter erwarten können, zumindest so lange nicht ausdrücklich etwas anderes im Mietvertrag vereinbart wurde (BGH VIII ZR 85/09).
Schallschutz bei Hausaufstockung
Grundsätzlich sind die technischen Normen einzuhalten, die zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes galten. Wird das Haus Jahrzehnte später um ein weiteres Geschoss aufgestockt, muss die aktuell geltende DIN-Norm eingehalten werden (BGH VIII ZR 355/03).
Schallschutz
Es liegt kein Mangel vor, wenn der Trittschallschutz der zurzeit der Errichtung des Gebäudes geltenden DIN-Norm entspricht. Das gilt auch dann, wenn während der Mietzeit in der darüber gelegenen Wohnung der Fußbodenbelag ausgetauscht wird und sich hierdurch der Schallschutz verschlechtert (BGH VIII ZR 131/08).
Beweislast
Der Vermieter muss beweisen, dass die Ursachen des Mangels nicht aus seinem Pflichten- und Verantwortungsbereich stammen, sondern aus dem Herrschafts- und Obhutsbereich des Mieters. Gelingt ihm dieser Nachweis, muss der Mieter beweisen, dass er den Mangel nicht zu vertreten hat (BGH XII ZR 272/97).
Urkundsprozess
Der Vermieter ist berechtigt, Mietzahlungen im Wege des Urkundsprozesses einzuklagen. Er kann sich dafür auf den Mietvertrag, das Wohnungsübergabeprotokoll und Kontoauszüge stützen, aus denen sich ergibt, dass die Miete zunächst ungemindert gezahlt wurde (BGH VIII ZR 266/08 und BGH VIII ZR 216/04).
Kein Urkundsprozess
Mietrückstände infolge von Mietminderungen kann der Vermieter nicht im Urkundsprozess durchsetzen, wenn der Mieter anhand eines Wohnungsübergabeprotokolls oder eines Vermieterschreibens mit Mängelbeseitigungszusage nachweist, dass Mängel existierten (BGH VIII ZR 111/09).
Eigentümerwechsel
Befindet sich der Vermieter mit der Beseitigung des Wohnungsmangels in Verzug und verkauft er das Haus oder die Wohnung, gilt die Verzugslage gegenüber dem neuen Vermieter weiter (BGH VIII ZR 22/04).
Ersatz
Vergibt der Mieter eigenständig Reparaturaufträge, kann er keine Kostenerstattung von seinem Vermieter verlangen. Voraussetzung hierfür wäre unter anderem, dass der Vermieter vorab ergebnislos aufgefordert und gemahnt worden wäre, die Reparatur bzw. Mängelbeseitigung in der Wohnung durchführen zu lassen (BGH VIII ZR 222/06).
Opfergrenze
Hat das Einfamilienhaus einen Verkehrswert von rund 28.000 Euro, kann der Mieter keine Mängelbeseitigung fordern, die zwischen 47.500 und 95.000 Euro kosten würde. Hier ist die Opfer- oder Zumutbarkeitsgrenze für den Vermieter überschritten (BGH VIII ZR 131/09).
Zurückbehaltungsrecht
Der Mieter kann erst dann einen Teil der Miete zurückbehalten, nachdem er seinem Vermieter den Wohnungsmangel angezeigt hat (BGH VIII ZR 330/09).
Fristlose Kündigung
Die fristlose Kündigung des Mieters wegen erheblicher Gesundheitsgefährdungen - hier Schimmelpilzbefall - setzt grundsätzlich voraus, dass der Mieter eine angemessene Abhilfefrist gesetzt oder den Vermieter insoweit abgemahnt hat. Anders, wenn zum Beispiel die Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht (BGH VIII ZR 182/06).
Verjährung Mieteransprüche
Mieteransprüche auf Mängelbeseitigung sind unverjährbar, entschied der Bundesgerichtshof (BGH VIII ZR 104/09). Die Karlsruher Richter erklärten, dass der Anspruch eines Mieters auf Mängelbeseitigung ein "auf dauernde Leistung gerichteter Erfüllungsanspruch ist, der grundsätzlich nicht verjährt".
Kündigung
Machen die geminderten Beträge mehr als zwei Monatsmieten aus, droht dem Mieter die Kündigung, wenn ihm hinsichtlich des Zahlungsrückstandes Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last fällt.
Ferienwohnung
Die Vermietung einer Mietwohnung als Ferienwohnung an Touristen stellt nicht automatisch einen Wohnungsmangel dar, wenn es zu evtl. Belästigungen durch Lärm und Dreck kommt.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Mieterbund e.V. (DMB)
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