Wohnungsbautag 2022: Was die Politik beim Wohnungsbau verspricht und was die Bau- sowie Baustoffindustrie dringend benötigen
(Hannover) - Chaos bei der KfW-Förderung, deutlich zu wenige bezahlbare Wohnungen: Die Bundesregierung steht vor enormen Herausforderungen in der Baupolitik. Das ambitionierte Ziel der Regierung scheint auf wackeligem Fundament zu stehen: 400.000 Neubauwohnungen pro Jahr - 100.000 davon Sozialwohnungen. Gleichzeitig fordert die Regierung immer mehr Klimaschutzmaßnahmen. Doch für diese zentralen Vorhaben fehlt das Geld. Wie geht es mit den Förderprogrammen weiter? Wie soll Deutschland wohnen? Was ist zu tun, um wirklich bezahlbaren und klimafreundlichen Wohnraum zu schaffen? Erste Antworten darauf gab es auf Deutschlands Branchen-Gipfel der Bau- und Immobilienwirtschaft: dem 13. Wohnungsbau-Tag am 17.02.2022 in Berlin.
Das abrupte Aus der Förderung für energieeffiziente Gebäude war im Januar 2022 auf massive Kritik der Bauwirtschaft gestoßen. Auch der Bundesverband Kalksandsteinindustrie e.V. kritisierte diese Handhabung und insistierte, dass umgehend langfristige und verlässliche Rahmenbedingungen für die Förderung des energieeffizienten Bauens und Sanierens geschaffen werden müssen. Zumindest die bis zum Förderstopp am 24. Januar eingereichten Anträge werden zwischenzeitlich wieder bearbeitet. Und wie geht es jetzt mit der Gebäudeförderung weiter? Das soll zeitnah festgelegt werden, versprach der Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) beim Wohnungsbautag in Berlin. Bis März solle das Konzept für ein befristetes und auf eine Milliarde Euro gedeckeltes Neubau-Förderprogramm für das sogenannte Effizienzhaus 40 stehen. Zudem kündigte Habeck ab Mai dieses Jahrs intensive Gespräche mit der Bauwirtschaft an, denn ab 2023 soll das neue Programm "Klimafreundliches Bauen" starten, um mehr Tempo beim Neubau zu erreichen. Für den Bundesverband Kalksandsteinindustrie e.V. ist es fraglich, ob diese Investitionssumme für Neubauten - auch angesichts der Klimaschutzforderungen - ausreicht.
Für den sozialen Wohnungsbau werden vom Bund bislang 2 Milliarden Euro pro Jahr bereitgestellt. Dass diese Summe nicht genügen wird, um 100.000 Sozialbauwohnungen zu bauen, ist sich selbst Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) sicher. Welche konkrete Summe die Ministerin aber tatsächlich benötigt, verriet sie mit Blick auf ihre Gespräche mit dem Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in Berlin nicht. Geywitz versprach hingegen, sich für "gutes, bezahlbares, aber auch klimagerechtes Wohnen in einem lebenswerten Umfeld" einzusetzen, betonte aber auch gleichzeitig, dass der Bund die im Koalitionsvertrag jährlich zugesicherten 400.000 neuen Wohnungen nicht allein gewährleisten könne. Deshalb werde laut der Ministerin ab dem Frühjahr ein Arbeitsbündnis für bezahlbares Wohnen von Bauwirtschaft, Wohnungsunternehmen, Ländern, Kommunen, privaten Vermietern, Mieterverbänden, Gewerkschaften, Umweltorganisationen und Planern entstehen, die eine "Investitions- und Innovationsoffensive" mit dem Ministerium in die Wege leiten sollen.
"Es ist für mich unverständlich, warum sich die Bundesregierung erst jetzt Gedanken macht, wie das Wahlversprechen von 400.000 Neubauwohnungen pro Jahr erreicht werden kann. Anscheinend diente dieses deklarierte Ziel primär der Gewinnung von Wählerstimmen, ohne sich der Konsequenzen bewusst zu sein. Schon heute bangen viele Unternehmen aus der Bau- und Baustoffbranche um ihre Existenz, da enorme Investitionen für die deklarierten Klimaschutzziele notwendig sind. Wir brauchen vereinfachte und beschleunigte Verfahren und fordern schon über einen längeren Zeitraum den Abbau von Hemmnissen - nichts ist bisher passiert. Und nun erwartet die Regierung von der Bauwirtschaft Unterstützung, ohne dass unsere Rahmenbedingungen erleichtert werden", ärgert sich Jan Dietrich Radmacher, Vorstandsvorsitzender beim Bundesverband Kalksandsteinindustrie e.V., und ergänzt: "Wir als Bauwirtschaft fordern langfristige Perspektiven und verlässliche Rahmenbedingungen von der Bundesregierung, damit klimaschonendes Bauen für alle bezahlbar ist. Erst dann können wir dem Wunsch der Regierung nach Unterstützung auch umfassend gerecht werden und bezahlbaren Wohnraum schaffen."
Bezahlbaren Wohnraum schaffen - aber wie? Seit Langem kennen die Immobilien- und Mietpreise in Deutschland nur eine Richtung: nach oben. Diese Preisspirale hat inzwischen für immer mehr Bundesbürger handfeste Konsequenzen in ihrem Alltag: Laut einer Studie, die die Kieler Wissenschaftler der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (Arge) am Donnerstag auf dem Wohnungsbautag in Berlin vorstellten, leben schon heute 8,5 Millionen Menschen in Wohnungen, die überbelegt sind. "Wir sind im Immobilienbereich in Deutschland an einem Punkt angekommen, wo Vision und Realität weit auseinanderklaffen. Der Regierung muss jetzt endlich bewusst werden, dass der Weg zu mehr bezahlbarem Wohnraum nur durch ein Bündel von mehreren Maßnahmen erreicht werden kann", konstatiert Roland Meissner, Geschäftsführer beim Bundesverband Kalksandsteinindustrie e.V., und ergänzt: "Die Aktion "Impulse für den Wohnungsbau" hat erst Anfang Februar ein neues Positionspapier zur 20. Legislaturperiode vorgelegt. Hier haben wir und 35 weitere Verbände aus der Bau- und Immobilienwirtschaft, Planerinnen und Planer, ebenso wie der Industriegewerkschaft BAU und dem deutschen Mieterbund sieben gemeinsame Forderungen an die neue Bundesregierung formuliert, die den Weg zu bezahlbarem und bedarfsgerechtem Wohnraum frei machen."
Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW, fasste diese Forderungen in Berlin zusammen. Ein wichtiges Instrument seien Steuererleichterungen, um die seit 2010 stagnierende Wohneigentumsquote in Deutschland anzukurbeln. Auch Haushalten mit wenig Eigenkapital müsse der Zugang zu Immobilien steuerlich erleichtert werden. Und tatsächlich will die Politik neue steuerliche Anreize für Bauherren setzen. So sollen bei einem Neubau zukünftig jährlich drei statt zwei Prozent der Kosten abgeschrieben werden dürfen. Auch die Wohngemeinnützigkeit soll wieder eingeführt werden, was weitere Steuervorteile und Investitionszusagen bedeutet.
Dr. Hannes Zapf, Vorstandsvorsitzender bei der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau e.V. (DGfM) und in dieser Funktion einer der Gastgeber beim 13. Mauerwerkstag in Berlin ergänzt im Anschluss der Veranstaltung: "Wir haben heute unterschiedliche Vorschläge gehört, die den Zugang zu bezahlbarem und klimafreundlichem Wohnraum erleichtern sollen - von der Nachverdichtung über die Umwandlung von Nicht-Wohngebäuden und Modernisierungsmaßnahmen im Bestand bis hin zur Schaffung steuerlicher Anreize. Ich denke, dass diese Maßnahmen sicherlich ein guter, wenn auch nicht ausreichender Schritt in die richtige Richtung sind, um den Bedarf an Wohnraum langfristig zu decken. Schon seit Jahren sinkt der Bestand an bezahlbarem Wohnraum stetig. Gleichzeitig steigen die Anforderungen für die Energieeffizienz von Wohnungsneubauten unaufhörlich. Und schon jetzt überfordern immer höhere Standards für Gebäude sowohl Bauherren als auch Mieter finanziell und tragen neben dem gewünschten Klimaeffekt nicht zur Entschärfung des Wohnraummangels bei - eher im Gegenteil. Um die gesetzten Ziele wirklich zu erreichen, muss mehr neuer Wohnraum geschaffen werden. Nur so können wir die seit Jahren vorherrschende Situation in den Griff bekommen. Dies wird allerdings nur gelingen, wenn auch die notwendigen Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Wohnungsbau deutlich beschleunigt werden."
"Die Bundesregierung steht vor großen Herausforderungen in der Bau- und Wohnungspolitik - das wurde beim Wohnungsbautag deutlich. Umso spannender bleibt es, wie sich unsere Regierung in den kommenden Monaten positioniert, welche Versprechen sie tatsächlich einhält und welche hier heute angesprochenen Maßnahmen letztendlich auch wirklich umgesetzt werden", resümiert Roland Meißner am Ende der Veranstaltung.
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