Wohnkonzepte für Menschen mit Demenz: Aktuelle Länderumfrage zeigt: Großes Interesse an den umstrittenen Pflegeoasen / KDA befürchtet Rückschritt in die Ära der Mehrbettzimmer
(Köln) - "Die stationäre Altenhilfe befindet sich im Hinblick auf Konzepte für die Versorgung von Menschen mit Demenz zur Zeit in einem bedenklichen Zwiespalt", stellt Klaus Großjohann, Geschäftsführer des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA), in der gerade erschienenen Ausgabe 4/2007 von PRO ALTER fest. Das vom KDA herausgegebene Fachmagazin beschäftigt sich in seinem Schwerpunktthema mit der Frage, welches Wohnkonzept für Menschen mit fortgeschrittener Demenz das richtige ist und hat dafür die Einschätzung zahlreicher Fachleute eingeholt. "Die Fachwelt ist sich uneinig", ist in PRO ALTER zu lesen. "Während die einen nur im Einzelzimmer die Lebensqualität und Würde des Bewohners gewährleistet sehen, gehen andere davon aus, dass die Betroffenen darin Ängste und Einsamkeitsgefühle empfinden und sprechen sich daher für das Leben im Mehrbettzimmer oder gar in den so genannten Pflegeoasen aus." Als Vorbild für diese dienen meist die Pflegeoasen im Haus Sonnweid in der Schweiz, in denen jeweils sieben schwerstpflegebedürftige Menschen mit Demenz in einem Raum leben und betreut werden, was in Deutschland ein unterschiedliches Echo hervorgerufen hat.
Eine aktuelle PRO ALTER-Umfrage bei den für Pflegefragen zuständigen Landesministerien verdeutlicht das: Fast die Hälfte der Ministerien steht dem Oase-Konzept äußerst kritisch bis ablehnend gegenüber. Weder in Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern noch im Saarland, in Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen existieren Oasen und sind auch nicht in der Planung. In den anderen Bundesländern sieht es dagegen schon anders aus: So ist in dem KDA-Fachmagazin zu lesen, dass "in Hamburg zwar zurzeit keine Pflegeoase nach dem Schweizer Modell existiert, dass aber dort eine rege Fachdiskussion darüber im Gange ist und Überlegungen zur Eröffnung bestehen." "Kritisches Abwarten beziehungsweise Interesse" an dem Modell besteht auch in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg.
In Rheinland-Pfalz gibt es dagegen ganz klare Pläne in Richtung Oasen und in Niedersachen und Hessen bestehen bereits entsprechende Einrichtungen. Das Bayerische Sozialministerium ließ gegenüber PRO ALTER verlauten, dass man dem Konzept grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber stehe und dass Pflegeoasen geplant seien.
Das hält Klaus Großjohann grundsätzlich für "eine gefährliche Entwicklung", denn er befürchtet, dass damit quasi durch die Hintertür die Mehrbettzimmer wieder Einzug in Deutschlands Pflegeheime halten könnten. "Für uns hat das Oase-Konzept viel Ähnlichkeit mit den Anstaltselementen der ersten Pflegeheimgeneration. All das, wofür wir mühsam jahrzehntelang gekämpft haben, würde damit wieder zunichte gemacht. Es wäre ein Dammbruch und möglicherweise ein Rückschritt in Richtung Minimierung von Qualitätsstandards", befürchtet der KDA-Geschäftsführer. "Das Oase-Konzept kann nichts leisten, was nicht auch im Rahmen des Hausgemeinschaftskonzeptes geleistet werden könnte", so Großjohann weiter. Bei den vom KDA entwickelten Hausgemeinschaften handelt es sich um eine Wohnform, bei der acht bis zehn, maximal zwölf pflegebedürftige und vor allem auch demenzkranke ältere Menschen in einem familienähnlichen Umfeld zusammenleben. Jeder bewohnt dabei ein eigenes Zimmer, kann sich bei Bedarf aber auch jederzeit in die gemeinschaftlich genutzten Räume wie Wohnküche und Wohnzimmer begeben.
Für das Kuratorium Deutsche Altershilfe stellt sich die Frage nach Einzel-, Doppel- und Mehrbettzimmern ohnehin nicht: Nur im eigenen Zimmer sehen die Pflegeexperten und Architektinnen des KDA die Individualität und Würde der einzelnen Bewohner, die auch im Verlauf einer Demenz erhalten bleibt, gewahrt.
Unterstützt wird das KDA dabei beispielsweise von Altenhilfe- und Demenz-Experten wie Sibylle Heeg von Demenz Support in Stuttgart und Dr. Peter Meßmer vom Sozialministerium in Baden-Württemberg. "Das Einzelzimmer ist so etwas wie ein Menschenrecht", werden sie in PRO ALTER zitiert. Wobei, und auch das deckt sich mit der KDA-Meinung, Menschen, die zum Ausdruck bringen, dass sie sich in einem Doppelzimmer wohler fühlen, dies auch bekommen sollten. "Ich finde es nur schlimm, wenn Pflegebedürftige gezwungen sind, in einem Doppel- oder gar Mehrbettzimmer zu leben, weil nicht genügend Einzelzimmer vorhanden sind", so Meßmer weiter.
PRO ALTER verweist im Zusammenhang mit dieser Diskussion auch auf eine Studie des Institutes für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, bei der herausgefunden wurde, dass "die Bewohner von Doppelzimmern gegenüber Menschen in Einzelzimmern doppelt so oft Antipsychotika verordnet bekommen".
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