Wissenschaftsbürokratie bedroht Informatikforschung
(Bonn) - Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit und eine galoppierende Wissenschaftsbürokratie bedrohen nach Beobachtungen der Gesellschaft für Informatik die Innovationskraft der deutschen Informatik-Forschung. Eine zunehmende Dichte politischer und bürokratischer Vorgaben zu Forschungsprojekten, zur Nachwuchsförderung, und zur Lehrorganisation bremst die dynamische Entwicklung des Faches aus und schreckt Nachwuchswissenschaftler ab.
So werden etwa Zeitverträge für Doktoranden seit einiger Zeit in vielen Bundesländern sehr restriktiv gehandhabt; dies soll "prekäre Beschäftigung" verhindern. Wenn aber ein Doktorand 3 oder 4 Monate länger zum Abschluss braucht als geplant, kann man ihm dafür keinen Arbeitsvertrag mehr geben. Viele Doktoranden müssen ausgerechnet in der Abschlussphase die Uni verlassen. An der Berliner Humboldt-Universität wird es ab Herbst 2014 notwendig sein, für jedes neu konzipierte Lehrmodul die Prüfungsordnung zu ändern statt - wie überall anderswo - nur das Modulhandbuch. Ein Gastprofessor kann also gar kein neues Modul anbieten, denn bis die geänderte Prüfungsordnung genehmigt ist, ist er schon längst nicht mehr da.
Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen legt zukünftig selbst fest, was wissenschaftliche Herausforderungen sind ("Fortschrittsstrategie"). Das geplante "Hochschulzukunftsgesetz" würde dem Ministerium erlauben, entsprechende Forschungsschwerpunkte per Rahmenerlass zu verordnen.
Das Karlsruher Institut für Technologie verlangt von seiner Informatik, die Frauenquote bei Erstsemestern von durchschnittlich 10.7 Prozent auf 15 Prozent zu erhöhen. 40 Prozent Zuwachs bei den Studienanfängerinnen ist aber gänzlich unrealistisch. Die Fakultät müsste jährlich bis zu 150 männliche Bewerber ablehnen und Studienplätze unbesetzt lassen, um die Quote zu erfüllen.
Viele Universitäten haben detaillierte Regelungen zum Ablauf von Doktorarbeiten beschlossen, die die Doktoranden zwingen, große Teile ihrer Forschungszeit für Zwischenberichte und "Schlüsselqualifikationen" zu opfern. Diese Gängelung schreckt kreative junge Köpfe ab.
"Wissenschaftsfreiheit ist eine ganz praktische Notwendigkeit für die Informatik, damit Forschung und Lehre der internationalen Dynamik des Fachs nicht hinterherlaufen" sagt der Präsident der GI, Prof. Dr. Peter Liggesmeyer. "Die Politik und die Verwaltung muss den Forschern wieder die Freiräume geben, die in der Vergangenheit Spitzenleistungen der deutschen Informatik ermöglichten". Die GI fordert deshalb alle Informatik-Wissenschaftler auf, sich aktiv einer Bürokratisierung an Universitäten und Fachhochschulen entgegenzustellen. "In jedem Hochschulgremium muss die Wissenschaftsfreiheit verteidigt werden", so Liggesmeyer.
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