Wirtschaftliche Verantwortung muss in den Köpfen der Ärzte verankert werden / BKK: Gesundheitsökonomie hat in ärztlicher Ausbildung zu wenig Bedeutung
(Frankfurt am Main) - Im aktuellen Arzneimittelverordnungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) unterbreitet die Bundesregierung Vorschläge, wie die Medikamentenversorgung in Deutschland hochwertig, sinnvoll und dennoch bezahlbar organisiert sein soll. Hierzu werden Pharmaindustrie, Ärzte, aber auch Krankenkassen in die Pflicht genommen. Doch bis das Gesetz Wirkung entfaltet, müssen die Vertragspartner in Hessen mit den Fakten umgehen: Rund 1,581 Milliarden Euro haben hessische Ärzte im vergangenen Jahr für Medikamente ausgegeben. Das sind annähernd 200 Millionen Euro mehr als gesetzlich zulässig.
So weit hätte es nicht kommen müssen, bedauern die Betriebskrankenkassen (BKK) in Hessen. Der BKK Landesverband schlägt vor: Aus- und Fortbildung der Ärzte müssen reformiert werden. Haus- und fachärztliches Können reiche zu verantwortlicher Praxisführung nicht mehr aus. Gefordert sei ein „Gesundheitsmanager“. Dieser müsse die Notwendigkeit wirtschaftlicher und zweckmäßiger Verordnungen verinnerlichen und mit diesem Wissen seinen Patienten verantwortlich, sensibel und innovativ zur Seite stehen. Um dieses Profil zu schärfen, so Jürgen Thiesen, Vorstandsvorsitzender des BKK Landesverbandes Hessen, müssten Methoden und Erkenntnisse der Gesundheitsökonomie in der Ausbildung höheren Stellenwert bekommen.
Medizinisches Grundwissen allein reiche zu erfolgreicher Praxisführung nicht mehr aus. Wer ökonomische Verantwortung übernehme, sei in der Lage, einem Patienten plausibel zu machen, „dass der Preis eines Medikaments nichts aussagt über dessen Nutzen, Tauglichkeit und Effektivität.“ Doch solche Schulungen der Ärzte kommen nach Auffassung Thiesens sowohl in der Hochschul- also auch in der anschließenden klinischen Ausbildung leider noch immer zu kurz.
Dr. Andreas Braun, Abteilungsleiter Verträge und Versorgungsmanagement des Landesverbandes und selbst ausgebildeter Arzt , bringt ein weiteres Argument ins Spiel. Er weiß: „Fehlendes Wissen und mangelnde Sensibilität für die Risiken unwirtschaftlicher Verordnung bringt viele Ärzte nach Übernahme oder Gründung einer Praxis in Schwierigkeiten.“ Sinnvoll sei daher eine stärkere „Ökonomisierung“ des Berufstandes bereits während der universitären Ausbildung oder der Facharztweiterbildung. Deshalb sollten Kurse zur Vorbreitung auf die Selbständigkeit im ärztlichen Beruf die komplexen Zusammenhänge und die Relevanz wirtschaftlicher Verordnungen intensivieren und vertiefen.
Die BKK bietet an: „Gerne arbeiten wir in maßgeblichen Gremien und Ausschüssen mit, die ärztliche Ausbildungsordnung zu modernisieren.“ Hierbei, so Thiesen, „wollen wir uns nicht als Oberlehrer unbeliebt machen, sondern Wissen und Kapazitäten investieren, um Vorschläge und Maßnahmen zu entwickeln, welche gemeinschaftlich und einvernehmlich nachvollzogen werden können.“ Intention sei, an Vorgehensweisen mitzuwirken, welche die Konflikte zwischen Ärzteschaft und Kostenträger entschärfen oder sogar erübrigen. Frühzeitige und nachhaltige Sensibilisierung erübrige „pharmakotherapeutisches Nachsitzen, mit dem Versäumnisse nur im Nachhinein korrigiert werden können“. Besser sei ein „vorausschauender Ansatz“, der dem „konstruktivem Miteinander“ von Ärzten und Kassen zu Gute komme. Die Ausbildung der Ärzte öffne die Tür zu diesem Ziel.
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