Pressemitteilung | Der Kinderschutzbund Bundesverband e.V.

Wirbel um Jugendschutzgesetz und Diskotheken

(Hannover) - Am 07. Februar 2002 tickerte dpa, was bereits am 05. Februar 2002 in der Märkischen Allgemeinen zu lesen war. Jugendministerin Bergmann will das Jugendschutzgesetz noch in dieser Legislaturperiode novellieren. Ein umfassendes Vorhaben, aber vor allem zwei Punkte werden diskutiert:

- Kinder und Jugendliche unter 16 Jahre dürfen bislang nur in Begleitung Erziehungsberechtigter öffentliche Tanzveranstaltungen und Diskotheken besuchen. Zukünftig soll es 14- bis 16-Jährigen ohne Begleitung Erwachsener gestattet sein, sich bis 23.00 Uhr in einer Diskothek aufzuhalten.

- Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren dürfen bislang ohne Begleitung Erziehungsberechtigter nur bis 24.00 Uhr in einer Gaststätte anwesend sein. Diese Grenze soll in Zukunft 1.00 Uhr betragen.

Hierzu äußerte sich der Geschäftsführer des DKSB, Walter Wilken, am 09. Februar 2002 im Saarländischen Rundfunk und begrüßte die geplante Änderung, weil es wichtig sei, die Altersgrenzen des Jugendschutzgesetzes den tatsächlichen Lebensrealitäten der Jugendlichen anzupassen. Zudem forderte er, vor allem in ländlichen Gebieten, einen vernünftigen öffentlichen Personennahverkehr, um den Weg zur und von der Diskothek sicher zu machen.

Daraufhin ging eine heiße Debatte los. Wilken wurde unterstellt, die Werteerziehung von Eltern zu unterminieren und z.B. zur Verdummung der Jugendlichen beizutragen, die nun nur noch müde in der Schule sitzen würden. Selbst die PISA-Studie wurde in diesem Zusammenhang bemüht.

In einem Beitrag für die Leipziger Volkszeitung ging er deshalb näher auf die Problematik ein und führte u.a. aus:

- Es kommt darauf an, wie es in der Disco zugeht. Unabhängig von allen Uhrzeiten, müssen die gesetzlichen Bestimmungen über den Alkoholausschank eingehalten werden und es dürfen keine Drogen konsumiert werden. Wenn der Wirt dieses nicht durchsetzen kann, muss sein Laden dicht gemacht werden.

- Bisher machten Jugendliche die schlechte Erfahrung, dass es weitgehend folgenlos bleibt, wenn man Gesetze, in diesem Fall das Jugendschutzgesetz, übertritt.

- Jugendliche sind heute wesentlich früher reif und in Folge dessen verhalten sie sich auch anders. Eine liberale Haltung der Erwachsenen und der Gesellschaft Jungen und Mädchen gegenüber führt dazu, dass sie mehr Verantwortung für ihr eigenes Leben übernehmen. Das betrifft auch die Sexualität.

- Eltern sind heute verunsicherter als je zuvor. Wenn sie z.B. mit ihren Kindern über Uhrzeiten streiten, geht es häufig um ganz andere Dinge, nämlich darum, wie man Kindern helfen kann, fit fürs Leben zu werden und selber Gefährdungen zu trotzen.

- Die geplanten Regelungen des Jugendschutzgesetzes begründen keinen Rechtsanspruch der Kinder auf Diskothekenbesuche. Es bleibt weiterhin eine Frage, wie oft in der Woche so ein Besuch sinnvoll ist. Darüber müssen sich Eltern und Kinder auseinandersetzen.

- Im Hinblick auf die PISA-Studie ist es wichtig zu begreifen, dass die Ursachen für die deutsche Schulmisere bestimmt nicht in den Diskothekenbesuchen der Kinder zu suchen sind. Eklatant sind in Deutschland z.B. die schulischen Leistungsunterschiede zwischen Kindern der Ober- und Unterschicht. Sie sind bei uns so groß wie in keinem anderen OECD-Land. Es ist förmlich naiv zu meinen, dass man mit einer stärkeren Reglementierung der Diskothekenbesuche diesem Problem beikommen kann.

Übrigens: Kinder lernen umso besser, je mehr Freude und Spaß sie am Lernen und im Leben haben. Wer sich selber gegängelt und bevormundet vorkommt, wird sich auch kein selbständiges Denken zutrauen.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Kinderschutzbund Bundesverband e.V. (DKSB) Schiffgraben 29 30159 Hannover Telefon: 0511/304850 Telefax: 0511/3048549

NEWS TEILEN: