Wir brauchen eine Politik für Jedermann - Bildung darf nicht vom Elternhaus abhängen
(München - Würzburg) - Leider hat es die bayerische Regierung nicht geschafft im Bereich der Bildung Chancengleichheit für alle Kinder zu schaffen, im Gegenteil, Bildung hängt heute mehr denn je vom Elternhaus ab, bemängelt eine Expertenrunde. Die ca. 200 000 bayerischen Kinder mit schulischen Entwicklungsstörungen wie Lese-Rechtschreib-Störung und Rechenstörung sind davon erst recht betroffen, ist die gemeinsame Bilanz.
Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) und der Landesverband Legasthenie und Dyskalkulie Bayern e.V. (LVL-Bayern) sind sich einig: Im Bereich der Bildung hat sich in der nun fast vergangenen Legislaturperiode für Kinder mit Lese-Rechtschreib-Störung und Rechenstörung keine Verbesserung eingestellt. Im Gegenteil durch die neue Regelung nach der BaySchO, die seit August 2016 ihre Gültigkeit hat, erhalten Kinder mit Lesestörung nur noch einen sehr eingeschränkten Notenschutz. Damit ist eine Entwicklung ohne Leistungsdruck und Versagensängste für die betroffenen Kinder nicht mehr möglich. Weiter wird ihnen die Möglichkeit auf einen begabungsgerechten Bildungsabschluss enorm erschwert. Aber nicht nur die enger geschnallten schulrechtlichen Regelungen bedeuten eine Verschlechterung, sondern auch die fehlende auf das Störungsbild abgestimmte schulische Förderung im Sekundarbereich bewirkt eine enorme Abhängigkeit von der Unterstützung durch das Elternhaus.
Noch viel gravierender fällt allerdings die Bilanz für Kinder mit Rechenstörung aus. Durch die nicht Berücksichtigung der schulischen Entwicklungsstörung im BayEUG wird Hilfe für die Betroffenen im Schulalltag trotz aller nötigen wissenschaftlichen Erkenntnisse weiterhin verwehrt. Kinder mit Rechenstörung erhalten dadurch keinen Nachteilsausgleich und Notenschutz. "Dies war wie ein Schlag ins Gesicht", berichtet Christine Sczygiel Vorsitzende des LVL-Bayern sowie Bundesvorsitzende im BVL, kämpft sie doch seit 20 Jahren für eine schulische Berücksichtigung der Rechenstörung.
Fehlende wissenschaftliche Erkenntnisse sind längst kein Argument mehr, was die Politik nach wie vor als Grund vorgibt. In diesem Bereich liegen große Fortschritte vor, nicht zuletzt mit der im März 2018 veröffentlichten S3 Leitlinie "Diagnostik und Behandlung der Rechenstörung". Eine Chance auf einen begabungsgerechten Bildungsabschluss haben Kinder mit Rechenstörung nur in den seltensten Fällen. Nur mit einem enormen zeitlichen und finanziellen Aufwand von Seiten der Eltern in Form von häuslicher Unterstützung und außerschulischer Dyskalkulie-Therapie erlangen die betroffenen Kinder die Möglichkeit eventuell den mittleren Bildungsabschluss zu erreichen. Der Weg zum Abitur, ist im Prinzip, wegen der fehlenden schulischen Berücksichtigung kaum möglich.
Die zwei Verbände BLLV und LVL-Bayern erwarten hier eine drastische Verbesserung der Situation für die betroffenen Kinder. Sie stellen an die zukünftige Regierung für eine elternunabhängige, gerechte Bildungschance folgende Forderungen:
- Die Wiederaufnahme des Notenschutzes bei vorliegender Lesestörung, das heißt keine Bewertung der Leseleistung bei Leseproben und im Allgemeinen.
- Die Aufnahme der Rechenstörung in den Katalog der zu berücksichtigenden langanhaltenden Beeinträchtigungen im BayEUG und einer dem Störungsbild angepassten Umsetzung in der BaySchO.
- Verpflichtende Lehrinhalte zu den schulischen Entwicklungsstörungen Lese-Rechtschreib-Störung und Rechenstörung in der Ausbildung der Lehrkräfte aller Schularten sowie als verpflichtende Weiterbildung für Lehrkräfte aller Schularten.
- Fachgerechte schulische Förderung speziell auf die Störungsbilder Lese-Rechtschreib-Störung und Rechenstörung abgestimmt, bis in den Sekundarbereich II.
Quelle und Kontaktadresse:
Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V. im VBE (BLLV)
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