Wie viel Deutschland verträgt die M+E-Industrie? / Wege aus der Krise
(Berlin) - Das Motto war Provokation und Diskussionsgrundlage zugleich: Wie viel Deutschland verträgt die Metall- und Elektro-Industrie? Mit dieser Frage hatte der Arbeitgeberverband Gesamtmetall sein diesjähriges M+E-Forum im Düsseldorfer Congress Center überschrieben. Aufrütteln wolle man mit diesem Motto, machte Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser deutlich. Schließlich sei der Standort Deutschland für viele Betriebe der M+E-Industrie zu einer Belastungsprobe geworden.
Zu hohe Kosten und zu wenig betriebliche Bewegungsfreiheit seien dabei die wichtigsten Handikaps. Mit dem Ergebnis, dass immer mehr Unternehmen einen Teil der Wertschöpfung ins Ausland verlegten. Nach drei Jahren Stagnation, in der allein im letzten Jahr Monat für Monat rund 6000 Arbeitsplätze verloren gingen, würden nun die Weichen für die Zukunft gestellt.
Dabei ist die M+E-Industrie die industrielle Schlüsselbranche in Deutschland. Die rund 22000 Betriebe mit ihren 3,5 Millionen Mitarbeitern erwirtschaften mehr als 10 Prozent des Sozialprodukts direkt und weitere 10 Prozent indirekt, etwa über Einkäufe. Sie ist damit eine Lokomotive, so Kannegiesser, die unser Land aus der Stagnation herausziehen kann.
Dafür muss aber einiges getan werden, etwa bei der Bildung. Die Branche ist angewiesen auf hoch qualifizierte Fachkräfte, aber immer mehr junge Menschen bringen nicht die nötigen schulischen Voraussetzungen mit. Wie notwendig Reformen sind, machte der Präsident der Freien Universität Berlin, Professor Dr. Dieter Lenzen, in einem viel beachteten Vortrag deutlich. Schließlich seien ein erstklassiges Bildungssystem und eine hoch entwickelte Leistungskultur die Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg.
Überhaupt stand das M+E-Forum im Zeichen guter Beispiele. Kern der Veranstaltung waren vier Foren, in denen 12 M+E-Unternehmen zu unterschiedlichen Bereichen wie Qualifikation, Produktinnovation, flexible Lösungen oder M+E-Netzwerke beispielhafte Wege und Initiativen vorstellten. Dabei zeigte sich: Im weltwirtschaftlichen Strukturwandel hat der Standort Deutschland gute Chancen, sich zu behaupten, wenn wir seine Schwächen beseitigen, so Kannegiesser.
Wie die aktive Zukunftsgestaltung aussehen könnte und welche Voraussetzungen nötig sind, fasste Gesamtmetall in einer Düsseldorfer Erklärung zusammen. Danach wird die M+E-Industrie auch weiterhin im Ausland investieren müssen, wenn sie den Standort Deutschland stärken will. Unsere Innovations-Vorsprünge reichen immer seltener aus, um am Markt jene Preise zu erzielen, die zur Kostendeckung und zur Erzielung einer angemessenen Rendite notwendig sind, so Kannegiesser. Wir müssen dann Teile der Wertschöpfung ins kostengünstige Ausland verlagern, um dank einer Mischkalkulation am Markt bestehen zu können.
Deutlich bekennt sich die M+E-Industrie dazu, mit marktwirtschaftlichen Mitteln um jeden Arbeitsplatz in Deutschland zu kämpfen und die Abwanderungen zu begrenzen. Wir wollen und wir können nicht mit dem Kostenniveau von Osteuropa oder China konkurrieren, heißt es in der Erklärung, unser Ziel muss es sein, in Deutschland eine M+E-Produktion weiterzuentwickeln, deren Preis-Leistungs-Verhältnis vom Weltmarkt akzeptiert wird.
Der Tarifpolitik kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Sie muss die Betriebe dabei unterstützen, in Deutschland eine weltweit wettbewerbsfähige Wertschöpfung zu erhalten oder auszubauen. Deshalb spricht der Arbeitgeberverband auch die IG Metall an: Weil die Tarifpartner für den wichtigsten Kostenblock - die Arbeitskosten - verantwortlich seien, hätten sie es in der Hand, die Abwanderung von Arbeitsplätzen aus Kostengründen auf ein unvermeidbares Maß zu reduzieren. Wir brauchen dringend zusätzliche betriebliche Spielräume, um mit dem hohen deutschen Kostenniveau fertig zu werden, so Kannegiesser, ohne die Standards im Flächentarifvertrag generell abzubauen.
Einen Beitrag zur Stärkung des Standorts erwarten die M+E-Arbeitgeber auch von der Politik. So müsse der im vergangenen Jahr begonnene Reformprozess ungeachtet der vielen Wahlen in diesem Jahr fortgesetzt werden.
Die Grundlage des Erfolgs beruht allerdings auf Gegenseitigkeit. Die M+E-Industrie kann für ihr weltweites Überleben zwar immer weniger Deutschland vertragen, so Kannegiesser, ganz ohne Deutschland ist sie aber auch nicht lebensfähig.
Quelle und Kontaktadresse:
Gesamtverband der metallindustriellen Arbeitgeberverbände e.V. (Gesamtmetall)
Voßstr. 16, 10117 Berlin
Telefon: 030/55150-0, Telefax: 030/55150400
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