Pressemitteilung | Deutscher Städtetag - Hauptgeschäftsstelle Berlin

Widerstand gegen Verwischen von Kompetenzen bei der Grundsicherung

(Berlin) - Vor dem Hintergrund akuter Bedrohungen der kommunalen Selbstverwaltung durch Gesetze und Initiativen von Bund, Ländern und Europäischer Union werden sich die deutschen Städte in einigen Themenbereichen neu positionieren. Das zeichne sich im Projekt “Zukunft der Stadt - Stadt der Zukunft” des Deutschen Städtetages nach der Hälfte der Einzelveranstaltungen ab, sagte gestern in Berlin der Hauptgeschäftsführer des kommunalen Spitzenverbandes, Dr. Stephan Articus.

Der mit Städten, Politik, Verbänden, Wirtschaft und Wissenschaft geführte Dialog über Demokratie und Selbstverwaltung in den Städten dient dazu, die Stadtpolitik zu stärken und zu erneuern. “Wir wollen nicht althergebrachte Strukturen verteidigen, sondern die besonderen und unverzichtbaren Stärken einer lebendigen kommunalen Selbstverwaltung herausstellen. Nirgends ist Demokratie so unmittelbar und direkt erfahrbar wie auf der kommunalen Ebene”, so Articus.

Wegen dieser Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern könnten die Städte etwa im Sozialbereich gut individuelle Hilfen leisten. Ein “völlig unnötiges Störfeuer” hierzu seien die Pläne der Bundesregierung für eine Grundsicherung für Ältere und Erwerbsunfähige. Der Städtetag lehne die Pläne in der vorliegenden Form ab, weil Kompetenzen und Verantwortlichkeiten nicht verwischt werden dürften.

“Altersarmut zu begegnen, ist richtig und notwendig. Aber es ist ein sozialpolitischer Sündenfall, eine neue Leistung Grundsicherung einzuführen, ohne deren Finanzierung seriös zu sichern. Dies ist weder den alten Menschen noch den Städten zumutbar”, sagte Articus: “Die Städte sind bereits bei der Sozialhilfe mit der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit und mit den Folgen des unzureichenden Familienlastenausgleichs überfordert. Der Bund muss seiner Verantwortung nachkommen und die Kosten für die Grundsicherung voll tragen. Dabei ist mindestens von jährlich einer Milliarde Mark auszugehen - mit steigender Tendenz.” Die vom Bund den Ländern angebotenen 600 Millionen Mark reichten bei weitem nicht aus. Zudem berge das Verfahren über die Länder Unsicherheiten für die Kommunen.

Im Projekt “Zukunft der Stadt - Stadt der Zukunft” wurden in den vergangenen Monaten bereits eine Reihe von Themen erörtert und die Haltung der Städte einer ersten Überprüfung unterzogen. So hieß es: Repräsentative versus unmittelbare Demokratie auf der kommunalen Ebene? Ein Resümee war der Appell: Keine Angst vor dem mündigen Bürger. Gefordert wurde eine Bürgerkultur, die Bürger nicht nur als Empfänger städtischer Leistungen, sondern auch als Mitwirkende und Träger von Verantwortung begreife.

Der Bürger als “Kunde” stand auch im Mittelpunkt einer Fachkonferenz, die sich mit der Rolle der Kommune als Dienstleister befasste. Die Kommunen sind die Vorreiter einer bürgerorientierten Verwaltungsreform, stellten Experten fest.

Durch moderne Informations- und Kommunikations-Technologien wird es möglich und auch sinnvoll sein, in multifunktionalen Dienstleistungsläden Dienst- und Verwaltungsleistungen unterschiedlicher öffentlicher, aber auch privater Anbieter bzw. Träger zu bündeln.

Auf europäischer Ebene bedarf es der Formulierung gemeinsamer Ziele der Städte in Europa. Nur dadurch kann deutlich werden, welche Bedeutung eine lebendige lokale Demokratie und eine kraftvolle lokale Selbstverwaltung für den Aufbau eines demokratischen Europas haben. Ein Katalog von Zielwerten soll im Februar einer Konferenz europäischer Bürgermeister in Frankfurt am Main zur Verabschiedung vorgelegt werden.

Die Städte wollen stärker direkt an Gesetzgebungsverfahren beteiligt werden. Das ist das Ergebnis einer Diskussion zur Sicherung der Gemeindefinanzen. In Deutschland muss wie in anderen Staaten Europas endlich ein Weg gefunden werden, um den Grundsatz "Wer bestellt, bezahlt!" durchzusetzen. Für eine verfassungsmäßig abgesicherte Mitwirkung der Gemeinden gibt es in Europa und in einigen Bundesländern gute Beispiele.

Die Städte brauchen eine größere Flexibilität im Beamten- und im Tarifrecht. Das ist nötig, damit sie ihrer Vorreiterrolle im Prozess der Verwaltungsmodernisierung und Bürgerorientierung gerecht werden können - so das Ergebnis einer Konferenz zur Zukunft des öffentlichen Dienstes.

Die Kommunen müssen private Wohnungsangebote ergänzen, weil sich andernfalls ein ausreichendes Wohnraumangebot für alle Bevölkerungsschichten nicht sicherstellen lässt. So lautete das Fazit einer Fachkonferenz zur kommunalen Wohnungspolitik. Künftig sind erheblich stärker fachübergreifende Ansätze in der kommunalen Wohnungspolitik gefragt.

Weitere Veranstaltungen des Projektes “Zukunft der Stadt” bieten die nächsten Wochen: Bei der wirtschaftlichen Betätigung der Städte gilt es zu überprüfen, wo Städte sich weiter wirtschaftlich betätigen sollen, wo sie sich auf eine Garantie von Leistungen für die Bürger beschränken und wo sie sich aus ihrem Engagement zurückziehen sollten. Themen sind auch die Zukunft der kommunalen Sozialpolitik oder neue Formen der Bürgerbeteiligung.

Für die Hauptversammlung des Deutschen Städtetages vom 8. bis 10. Mai 2001 in Leipzig ist die Verabschiedung einer Resolution “Zukunft der Stadt - Stadt der Zukunft” geplant.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Städtetag (Gst. Berlin) Straße des 17. Juni 112 10623 Berlin Telefon: 030/377110 Telefax: 030/37711999

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