Werberat appelliert an Wirtschaft und Verbraucher: Moral und Toleranz nicht schleifen lassen / ZAW-Verbände verabschieden `Grundregeln zur Werbung´
(Berlin) - Der Vorsitzende des Deutschen Werberats, Hans-Henning Wiegmann, hat anlässlich der Veröffentlichung der Halbjahresbilanz seiner Schiedsstelle am Mittwoch (17. Oktober 2007) in Berlin an Unternehmen und Konsumenten appelliert, rücksichtsvoll miteinander umzugehen.
In den ersten sechs Monaten 2007 hätten die vom Werberat beanstandeten kommerziellen Werbekampagnen um ein Viertel auf 41 (Vorjahr: 33) zugenommen. Daraus dürfe sich kein Trend ergeben auch wenn der Wettbewerb auf dem deutschen Markt im Vergleich zu anderen in der Europäischen Union besonders heftig sei.
Die werbende Wirtschaft müsse noch stärker in ihrer Werbung für Waren und Dienstleistungen die Gefühle von Menschen konsequent beachten. "Jede Form der Diskriminierung im Zusammenhang zum Beispiel mit Geschlecht, Alter, Religion oder sexueller Orientierung wird vom Werberat beanstandet und auf Korrektur oder Rücknahme der Werbemaßnahme hingewirkt", sagte Wiegmann.
Der Werberat beobachte aber auch einen Anstieg ungerechtfertigter Kritik aus der Bevölkerung an Werbeaktivitäten der Wirtschaft. In der ersten Hälfte des Jahres habe das Gremium Beschwerden zu 110 Kampagnen wegen überzogener Vorwürfe zurückweisen müssen, über ein Drittel mehr als im Vorjahr. Auch Kritiker hätten Verantwortung, sagte Wiegmann. Die Verbraucher müssten wirklichkeitsnahe Maßstäbe anlegen, die der Toleranz in der Gesellschaft entsprächen und sich in der Werbung widerspiegeln dürften.
"Grundregeln" als werbepolitisches Signal
Laut Wiegmann haben sich die 42 im Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) zusammengeschlossenen Verbände der werbenden Firmen, Medien und Agenturen als Träger des Werberats jetzt auf `Grundregel zur kommerziellen Kommunikation´ geeinigt. Sie seien aus der Spruchpraxis des Gremiums entwickelt worden und sollen der Schiedsstelle sowie der werbenden Wirtschaft als Messlatte für Entscheidungen über Werbung dienen.
Gleichzeitig wolle die Werbebranche mit diesem "Grundgesetz" der kommerziellen Werbung gegenüber Gesellschaft und Politik ihre Entschlossenheit zur sozialen Verantwortung signalisieren.
Das Regelwerk enthalte Gebote, nach denen werbende Firmen mangelnde Erfahrung und fehlendes Wissen von Konsumenten nicht ausnutzen, niemanden diskriminieren, Kindern und Jugendlichen weder körperlichen noch seelischen Schaden zufügen, keine Angst erzeugen oder Leid und Unglück instrumentalisieren sollen.
Brüste mit Würsten, Sterbender am Kreuz
Im ersten Halbjahr 2007 kamen 151 Kampagnen vor den Werberat, ein Drittel mehr als im Vorjahr (114). Davon beanstandete das Gremium 41 Werbemaßnahmen, von denen 40 davon eingestellt oder entsprechend den Protesten abgeändert wurden. Dies entspricht einer Durchsetzungsquote des Werberats von 97 Prozent bei den Unternehmen.
Lediglich in einem Fall musste die Schiedsstelle eine öffentliche Rüge erteilen, weil die Internet-Firma ISAS Gebrüder Schmidtlein GbR (Büttelborn) dem Urteil des Werberats nicht folgen wollte. Das Unternehmen hatte für seine Ratgeber-Webside "www.so-bekommst-du-jede-Frau-ins-Bett.com" mit Banner-Werbung in fremden Online-Diensten aufmerksam gemacht. Zu sehen sind spärlich bekleidete Models in anstößiger Pose, kombiniert mit Texten wie "Noch heute Abend hast Du Spaß mit einer Frau". Diese Präsentation degradiere nach Einschätzung des Werberats Frauen zu bloßen Sexualobjekten herab und sei damit erniedrigend und diskriminierend.
Nicht mehr geschaltet wird auf Intervention des Gremiums die Anzeige eines Herstellers sogenannter Käsewürste in einer Händlerzeitschrift. Abgebildet ist der nackte Oberkörper einer jungen Frau, die ihre Brüste mit zwei Würsten verdeckt. Dazu ist der Text gestellt "So a Sünd´, wenn Sie die wahrscheinlich besten Käswürste der Welt nicht führen".
Ebenso zurückgezogen hatte ein Möbelhersteller seinen Prospekt mit dem Slogan "Wir nehmen ihre Alte in Zahlung und schicken sie in die Wüste". Abgebildet war eine ältere Dame neben einer Sitzgarnitur. Das Angebot galt einer Tauschaktion alter gegen neue Möbel.
Als Verletzung religiöser Gefühle und diskriminierend stufte der Werberat ein Plakat im Schaufenster eines Wäschehändlers ein. Das Bild darauf zeigt eine junge Frau in Unterwäsche, die breitbeinig auf einer Treppe sitzt. Darüber steht der Text aus dem bekannten Weihnachtslied "Macht hoch die Tür, die Tor´ macht weit".
Nicht mehr ausgestrahlt wird der Fernsehspot eines Internet-Dienstleisters für Online-Spiele mit folgender Kerkerszene: Der Gefangene ist in Art der Christuskreuzigung an die Wand gefesselt. Die Spielkarte fällt aus seiner Hand, und er stirbt. Darüber ist der Wärter erbost und wirft seine Spielkarte in Richtung des toten Häftlings.
Vom Markt genommen wurde auch ein TV-Spot für digitales Fernsehen. Ein Junge sitzt in einer mit Wasser gefüllten Badewanne, vor ihm ein eingeschaltetes Fernsehgerät, das auf einem Brett über der Wanne platziert ist. Der Werberat war mit dem Beschwerdeführer der Meinung, dass sich daraus eine Nachahmungsgefahr ergebe.
Abgewiesen hat dagegen der Werberat die Beschwerde gegen die Anzeige eines Internetportals für Immobilien. Der Protest richtete sich gegen das Foto eines küssenden Paares im Auto, die Hand des Mannes lag auf dem Oberschenkel der Frau. Der Vorwurf: "Störung menschlicher Intimität".
Keinen Grund zur Beanstandung sah das Gremium auch im Werbeplakat eines Herstellers von Körperpflegemitteln, auf dem eine Gruppe älterer Frauen gezeigt wird. Für eine Beschwerdeführerin hatte das Bild eine abstoßende Wirkung: Es verletze die guten Sitten, wenn "sowohl junges als auch altes `Fleisch´ zu Werbezwecken vermarktet werde". Dem konnte der Werberat nicht zustimmen.
Quelle und Kontaktadresse:
Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft e.V. (ZAW)
Volker Nickel, Geschäftsführer
Am Weidendamm 1a, 10117 Berlin
Telefon: (030) 590099-700, Telefax: (030) 590099-722
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