Werbemarkt: Kurzfristig Stagnation - langfristig Stabilität
(Berlin) - Für das laufende Jahr hat die Werbebranche eine Wende zum Aufschwung im Werbemarkt weitgehend abgeschrieben. Die rückläufigen Werbeeinnahmen der Medien in der ersten Hälfte des Jahres 2002 seien auch bei einem Anziehen der Investitionsbereitschaft der Unternehmen in ihre Marktkommunikation im Weihnachtsgeschäft kaum noch auszugleichen, befürchtet Hans-Henning Wiegmann, Präsident des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) anlässlich der Präsentation des Lageberichts der deutschen Werbewirtschaft vor Journalisten am 28. Mai 2002 in Berlin. Dies bedeutet für das Jahr 2002 fortgesetzte Stagnation bei den Werbeausgaben.
Nach der Phase der Stagnation wieder stabiler Werbemarkt
Nach den jetzt vom ZAW veröffentlichten Jahresergebnissen 2001 sind die Investitionen in Werbung (Aufwand für Honorare und Gehälter, Kosten für Werbemittelproduktion sowie für die Verbreitung der Werbung durch Medien) um 5,1 Prozent auf 31,51 Mrd gesunken. Gegenüber dem Boom-Jahr 2000 mit dem Anstieg des Werbevolumens auf 33,21 Mrd bedeutet dies einen Verlust von 1,7 Mrd . Dies entspricht fast genau dem Wert des Werbezuwachses im Jahr zuvor. Monetär liegt das Jahresergebnis 2001 mit den erreichten 31,51 Mrd noch leicht über den Werbeumsätzen des Normaljahres 1999 (31,44 Mrd ).
Für die kommenden Jahre rechnet der ZAW mit Stabilität im Werbemarkt inklusive der Tendenz verstärkten Einsatzes von Werbung. Zwar werden die prozentualen Zuwachsraten wegen des bereits erreichten hohen Investitionsvolumens in Werbung mit 1 bis 3 Prozent moderat ausfallen - Deutschland bleibt jedoch nach wie vor drittstärkstes Werbeland der Welt. Aus fünf Jahrzehnten Bundesrepublik Deutschland ergeben sich die Gründe für die mittelfristige werbewirtschaftliche Stabilität:
n Es gibt kein einheitliches Werbeverhalten zwischen den Branchen und zwischen Firmen. In Phasen des Abschwungs vermindert die Mehrheit der Werbeinvestoren ihre Werbeausgaben, eine Minderheit investiert kräftig in Marktkommunikation. Kommt es zum Aufschwung, dagegen kehrt sich das Verhältnis um: Der größere Teil der Unternehmen erhöht die Werbeetats, der kleinere lässt sie stagnieren oder baut sie aus spezifischen Gründen der Branche oder der Firma ab.
n Stabilitätseffekte gehen gleichzeitig von wechselnder Werbedynamik und neu entstehenden Branchen aus. So verminderten Wirtschaftssektoren wie Spirituosen, Möbel, Zigaretten oder Waschmittel in den vergangenen 20 Jahren ihre Werbeausgaben, während Massenmedien, Versicherungen oder Computer ihre Marktkommunikation ausweiteten und neue Branchen hinzu kamen, wie beispielsweise Telekommunikationsnetze.
Diametrale Marktverhältnisse 2001
Die Bedingungen für Werbeschaltungen sowie für die Arbeit der Werbeagenturen und die werbungverbreitenden Medien waren im Werbejahr 2001 diametral anders als im Vorjahreszeitraum. Während im Werbejahr 2000 starke Sonderimpulse (zum Beispiel Firmenfusionen, allgemeine Börsenbegeisterung, Internetwirtschaft, Medienwettbewerb, Expo) zu einem vehementen Wachstum der Investitionen in Werbung von 5,6 Prozent beitrugen, kippte dieser Trend 2001 ins Gegenteil: Flurbereinigung bei der New Economy, Absturz der Börsenkurse, Einbruch bei Stellenangeboten und Pkw-Anzeigen, Stimmungsabfall nach den Anschlägen des 11. September in New York sowie ausbleibende Sonderimpulse führten zum Minus bei den Werbeinvestitionen von 5,1 Prozent.
Aber auch bei dieser radikalen Trendumkehr gab es kein allgemeines zyklisches Verhalten der werbenden Wirtschaft durch entsprechendes Einfrieren oder den Abbau von Werbeetats. Einzelne Branchen erhöhten deutlich ihre Werbeausgaben (Versandhandel +28 Prozent, alkoholfreie Getränke +17, Tiefkühlkost +16, Versicherungen +15). Unter den 25 werbeintensivsten Firmen warb ein Drittel zum Teil deutlich stärker als im Vorjahreszeitraum (C&A +12 Prozent, Lidl +27, Fiat +31, Mannesmann Mobilfunk +26, Coca Cola +43).
Werbeeinnahmen der Medien abgestürzt
Das Werbejahr 2001 hätte für die Medien als Werbeträger kontrastreicher gegenüber dem Vorjahreszeitraum kaum ausfallen können. Die Nettowerbeeinnahmen der vom ZAW erfassten Werbeträger fielen auf 21,68 Mrd zurück (Vorjahr: 23,37 Mrd ). Den Absturz macht der prozentuale Vergleich deutlich: 2001 sanken die Werbeeinnahmen um 7,3 Prozent. Ein Jahr zuvor waren sie um 7,1 Prozent nach oben geschnellt. Monetär ausgedrückt: Dem Werbewachstum im Boomjahr 2000 in Höhe von rund 1,6 Mrd steht ein Verlust von 1,7 Mrd im Jahr 2001 gegenüber.
Dieser Wechsel ins Gegenteil relativiert sich indessen beim Vergleich mit dem Normaljahr 1999. Damals hatten die Werbeträger 21,8 Mrd eingenommen, jetzt liegen sie mit 21,7 Mrd leicht darunter.
Kontrastreiche Einzelergebnisse
Wie ausgeprägt die Tendenzwende bei den Werbeeinnahmen der Medien war, zeigt sich besonders krass am monetär stärksten Werbeträger, den Tageszeitungen. Hatten sie im Boomjahr 2000 noch mit einem Plus von 490 Mio ihre Jahresergebnisse auf 6 557 Mio ausweiten können, stürzten jetzt ihre Werbeerlöse fast doppelt so stark ab - um 914 Mio auf 5 642 Mio . Das bedeutet einen prozentualen Rückgang von 14 Prozent (Vorjahr: +8 Prozent).
Das Fernsehen als monetär zweitstärkster Werbeträger verlor gegenüber dem Vorjahr 236 Mio auf 4 469 Mio (-5,1 Prozent). Etwas geringer war der Rückgang bei der Werbung per Post. Die Werbeeinnahmen entwickelten sich auf 3 256 Mio (-3,7 Prozent) zurück. In Opposition zum Boomjahr standen auch die Werbeeinnahmen der Publikumszeitschriften mit 2 092 Mio . Dieser Rückgang um 6,9 Prozent folgte einem Plus von 12 Prozent im Vorjahreszeitraum. Auch die Anzeigenblätter hatten unter der matten volkswirtschaftlichen Situation zu leiden. Ihre Werbeeinnahmen rutschten auf 1 742 Mio (-2,8 Prozent); dies war exakt der Prozentsatz, der im Vorjahr im Plus stand. Dramatisch eingebrochen ist das Anzeigengeschäft bei den Fachmedien. Sie kamen auf 1 057 Mio (-16,6 Prozent). Stagnation dagegen bei den Verzeichnismedien (Adress- und Telefonbücher) mit 1 269 Mio .
Bei den Werbeträgern mit Einnahmen unter 1 000 Mio zeigt sich ein uneinheitliches Bild. Der Hörfunk rutschte mit 678 Mio ins Minus (-7,5 Prozent), während die Außenwerbung auf rund 760 Mio kam (+1,8 Prozent) sowie die Wochen- und Sonntagszeitungen auf 287 Mio (+3,3 Prozent). Die Kinobetreiber mussten dagegen seit Jahren erstmals Verluste hinnehmen: 170 Mio (-2,8 Prozent).
Prozentualer Sieger des Werbejahrs ist die ansonsten schwer unter Druck geratene Internetwerbung. Die Onlineangebote registrierten 185 Mio (+21 Prozent). Erstmals seit Jahren im positiven Bereich sehen sich die Zeitungssupplements (73 Mio ; +7,7 Prozent).
Pressemedien verlieren Marktanteile
Das schlechte Abschneiden der Tageszeitungen bei den Netto-Werbeeinnahmen wirkt sich auch auf den Vergleich der Pressemedien (Zeitungen, Anzeigenblätter, Zeitschriften, Supplements) mit den Funkmedien (TV, Radio) aus. Auf Pressemedien entfallen nur noch 50 Prozent Marktanteile am Werbegeschäft (Vorjahr: 52 Prozent), während die Funkmedien (TV/Radio) ihren Anteil um 1 Prozentpunkt auf 24 ausweiten konnten.
Der reziproke Wachstumswert für das Fernsehen darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass zumindest im Jahresvergleich das Wachstum des Werbeträgers TV gestoppt ist. Erstmals seit Aufkommen des privaten TV 1984 sackten die Werbeeinnahmen im Vergleich zum Vorjahr ins Minus.
Antizyklisch werben als Patentrezept?
Provoziert durch die gegenwärtige Werbeflaute ist der Streit über antizyklisches Werbeverhalten in der Branche neu entbrannt. Der ZAW beklagt das Fehlen wissenschaftlich untermauerter Verhaltensempfehlungen an die Unternehmen, sieht jedoch die Ursache in der immer wieder raschen Rückkehr zur Werbekonjunktur. Gegenwärtig sei ein Planungsverhalten der werbenden Firmen zu beobachten, das aus dem Moment heraus verständlich, mittelfristig betriebswirtschaftlich aber zum Bumerang werden könne: Firmen strichen in ihren Kommunikationsbudgets, um ihre Rendite sofort verbessern zu können, weil Restrukturierungen, Korrekturen am Produktsortiment oder Abbau von Arbeitsplätzen nur mittelfristig wirkten.
Unternehmen, die Werbeetats als Kostengröße für ein besseres aktuelles Betriebsergebnis behandelten und nicht als Investitionen in Bestand und Zukunft von Marktanteilen, verpassten einen Vorteil in der Krise: Kontinuität in der Werbung auch in Zeiten von Wirtschaftsflauten sei ein nachweisbares Erfolgsprinzip. Unternehmer, die ihre Werbeinvestitionen gegen den Trend konstant hielten oder erhöhten, können ihre Marke relativ zum Wettbewerb stärken, langfristig Markenkapital aufbauen und ihre Position am Markt festigen. Im leiseren Markt bekommt jede einzelne Stimme mehr Gewicht.
Die Gefahr sei groß, dass beim Zurückfahren der Werbeetats die Marke im Konjunkturaufschwung mit hohem Kapitaleinsatz wiederbelebt werden muss. "Die empirische Erkenntnis, dass kontinuierliche Markenpflege die Basis für langfristiges Wachstum ist, sollten sich möglichst viele Branchen bewusst machen - vor allem in Zeiten von Rezession oder Krisen", meint der ZAW.
Ist die klassische Werbung am Ende?
Ausgelöst von der Werbeflaute des Jahres 2001 werde gegenwärtig ebenso diskutiert, ob die "klassische Werbung" ihren Zenit überschritten habe. Andere Formen der Marktkommunikation - wie beispielsweise Sponsoring, Verkaufsförderung, Eventmarketing oder Telefonwerbung - würden verstärkt eingesetzt, während Klassik an Bedeutung verlöre.
Der ZAW plädiert für eine emotionslose Diskussion und gibt zu bedenken, dass die Zeitspanne zwischen dem Boomjahr und dem Stagnationsjahr 2002 zu kurz sei, um eine Abkehr von 'klassischer Werbung' zu konstatieren.
Die Langzeitanalyse ergebe dagegen kontinuierliches Wachstum der massenmedialen klassischen Werbung seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland - mit Ausnahmen der beiden Stagnationsjahre 1968/1974, der Rezession 1970 sowie der gegenwärtigen Flaute 2001/02. Dass der Trend zum Wachstum 'klassischer' Werbung generell abbreche, sei eher unwahrscheinlich: Der deutsche Markt gelte in Europa als der bedeutendste. Entsprechend intensiv sei dort der werbende Wettbewerb mit Hilfe massenmedialer Werbeträger, was stabilisierend auf die Werbewirtschaft wirkte.Der monetäre Zuwachs an Investitionen in Werbung werde aber in den kommenden Jahren kleiner ausfallen, weil die Investitionen in Werbung durch den anhaltenden Wettbewerb ein hohes Niveau erreicht hätten. Entsprechend geringer fielen künftig die Umsatzzuwächse der Medien und Werbeträger aus. Es bestehe kein Zweifel daran, dass neben massenmedialer Werbung auch andere Instrumente der kommerziellen Kommunikation an Bedeutung gewonnen hätten. Dies sei ein betriebswirtschaftlich folgerichtiger Reflex auf die Individualisierung der Gesellschaft. Die Möglichkeiten der kommerziellen Kommunikation seien dadurch vielfältiger geworden, was zur Steigerung der Effizienz und Kostensenkung beitrage. Marken, Angebote des Handels, Investitionsgüter und firmenspezifische Imagepflege würden aber auch künftig auf die Bewerbung bei breiten Zielgruppen angewiesen sein. Massenmediale Werbung für Massenprodukte sei in der Regel preiswerter als die Ansprache vieler kleiner Gruppen mit individuellen Kommunikationsmitteln. Selbst das neue Medium Internet sei auf herkömmliche Werbung wie Anzeigen, Spots, Plakate angewiesen.
Werbeagenturen: Verhaltene Aussichten
Die im Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA zusammengeschlossenen Firmen steigerten - entgegen der Entwicklung bei den meisten Medien - ihren Umsatz aus dem Werbegeschäft auf 12,9 Mrd oder um 5 Prozent. Ursache dafür ist insbesondere der Trend zu projektbezogener Honorierung sowie Vergütungen von Beratungsleistungen: Sinken die Werbeeinnahmen der Medien, reduzieren sich zwar auch die Mittler-Provisionen für die Agenturen, die punktuell aber durch andere Einnahmequellen ausgeglichen werden.
Dennoch beklagen viele Agenturchefs den hohen Druck auf die Rendite. Für das Jahr 2002 sind die Unternehmen dieses Dienstleistungsbereichs nur verhalten optimistisch, sie rechnen mit einem Wachstum für ihren Sektor bis höchstens 3,5 Prozent.
Politik bedroht Medien-Einnahmen und Wettbewerb
Gefahren für eine weiterhin prosperierende Werbewirtschaft sieht der ZAW weniger in Problemen der Ökonomie, sie seien bewältigbar. Besorgt ist die Dachorganisation - der 40 Verbände der werbenden Firmen, der werbungverbreitenden Medien, Werbeagenturen, Werbeberufsgruppen und Forschung angehören - über eine "erneute Welle" politischer Werbeverbote.
Besonders unqualifiziert sei der gegenwärtige Versuch, die emotionale Stimmungslage in der Bevölkerung in Sachen Jugendschutz nach dem Drama von Erfurt "per Huckepack" für ein fast vollständiges Verbot der Werbung für alkoholische Getränke und Tabakwaren im Kino zu
instrumentalisieren. Gesundheitspolitisch mache ein solcher Abbau von Wettbewerbsfreiheit der Anbieter keinen Sinn, weil die Rauchmotivation Jugendlicher und der Missbrauch alkoholischer Getränke dieser Altersgruppe nach wissenschaftlichen Grunderkenntnissen eindeutig in den sozialen Umfeldbedingungen und den daraus folgenden individuellen Biografien lägen.
Weiterhin plane die Bundesregierung, ein Verbot sogenannter diskriminierender Werbemaßnahmen im Rahmen der Änderung des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb. Dies stehe im Gegensatz zur Realität, da es in Deutschland lediglich Randphänomene moralischer Grenzverletzungen gebe. Sie seien in der Regel nicht justiziabel, würden aber zufriedenstellend durch das Konfliktmanagement des Deutschen Werberats in staatsfreier Selbstdisziplin geregelt.
Impulse für die Beschneidung der Werbefreiheit gingen gleichfalls von gegenwärtig sieben konkreten Projekten rechtlicher Regulierung auf europäischer Ebene aus (alkoholische Getränke, Automobile, Datenschutz, TV, Lebensmittel, Tabakwaren, Umwelt). Dabei übersteige die EU-Kommission teils in erheblichem Maß die Grenzen seriöser Politik wie vor allem bei ihrem Versuch, trotz des Kompetenzverbots durch den Europäischen Gerichtshof (Urteil von 2000) doch noch Tabakwerbung im gesamten EU-Gebiet zu verbieten.
ZAW-Präsident Wiegmann: "Wer Deutschland und Europa voranbringen will, darf nicht in alte verstaubte Ideologien zurückfallen, sondern muss den sozial gestalteten Wettbewerb fördern."
"Werbung in Deutschland 2002", 462 Seiten, Preis: 16 plus Versandkosten, Studenten: 9 (mit Studienbescheinigung);
Verlag edition ZAW, Bonn. Bestellungen per Fax: (0228) 35 75 83.
Kommentar von Volker Nickel:
Im Werbewinter
Vom heißen Sommer in eine endlose Eiszeit? Die Werbebranche zittert und schaut kaum noch auf das Nielsen-Thermometer, das von Monat zu Monat weiter sinkende Temperaturen meldet. Werbekonjunktur? Ein Traumwort. Perspektive? Jäh abgebrochen. Zukunft? Im Tunnel ohne Licht. Auf 70 Prozent werde das Umsatzvolumen der Werbeagenturen schrumpfen, schätzt der Chef eines der großen dieser Betriebe. Hagel auch im Markt der Werbeträger. Am Ende werde die Medienlandschaft ganz anders aussehen: viele vom eiskalten Wettbewerb verweht, der Rest zusammengerückt wie Frierende. Und nicht mehr die Kreativen und Medienrechner diktieren dann, wie und wo Werbung veranstaltet wird, sondern die inzwischen aufgewachten Investoren von Werbeetats. Also warm anziehen! - lautet die dräunende Empfehlung der Orakler landauf, landab.
Alles richtig? Was ist real geschehen: Im Werbejahr 2000 summierten sich zahlreiche Sonderimpulse zu einem Umsatzboom. Er spülte in die Werbewirtschaft zusätzlich 1,7 Milliarden Euro. Dann der Temperatursturz 2001. Fast exakt minus 1,7 Milliarden Euro. Die Branche also wieder auf dem Boden, wo sie 1999 stand - und sogar insgesamt bei der Addition sämtlicher Umsätze der Werbeinvestitionen leicht darüber. Die GWA-Firmen meldeten für das Jahr 2001 sogar plus 5 Prozent; das Volumen des Werbegeschäfts der Medien sank dagegen um 7 Prozent und damit um fast den gleichen Wert, den sie im Jahr zuvor gewonnen hatten. Rückwärts betrachtet also keine Rezession, sondern Stagnation.
Das ist bitter für jene, die unternehmerisch mutig die Boomgelder in Neues, wie zum Beispiel frische Zeitschriftentitel, investierten und nun zurückrudern müssen. Abgestraft aber jene, die meinten, allzeit werde heißer Werbesommer sein. Sie rissen Arbeitnehmer mit, die auf längeren Finanzarten der Investoren vertraut hatten. Nun kursiert in Agenturen und Redaktionen verdeckte und manchmal offene Angst um den Arbeitsplatz, wo eben noch Fachkräftemangel herrschte.
Im Umsatzloch ist alles dunkel. Die vom jahrelangen Dauerhoch Verwöhnten tun sich schwer im Umgang mit dem kühlen Tief. Larmoyanz regiert. Und das ist gefährlich. Krisen werden immer auch ein Stück herbeigeredet. "Was, Sie wollen, dass wir unseren Werbeetat erhöhen, lesen Sie keine Zeitung? Selbst die Werbeleute rechnen mit Abbau von Werbung. Also Vollbremsung." Kein Witz, sondern Alltag vor allem in mittelständischen Firmen.
Da tut realistischer Optimismus not. Dazu zählt die Tatsache, dass Deutschland nach wie vor drittstärkster Werbemarkt nach den USA und Japan ist. Oben wird die Luft dünner, die Zuwachsmargen kleiner.
Zum Wehklagen aber gibt es auf längere Sicht keinen Anlass. Nach der kurzfristigen Stagnation wird sich mittelfristig Stabilität einstellen. Drei Gründe: Das Investitionsverhalten im Bereich der Marktkommunikation ist zwischen den Branchen und Firmen nicht einheitlich. Selbst in Phasen heftigen Wetterschlags investieren einzelne Unternehmen und einzelne Wirtschaftszweige in ihre Marktchancen durch verstärkte Werbung. Und es entstehen neue Wirtschaftsbereiche wie beispielsweise Telekommunikationsnetze, die Werbeabbau wie bei Möbeln, Zigaretten oder Waschmitteln ausgleichen. Außerdem forcieren technische Entwicklungen den Werbebedarf in Richtung potenzielle Kunden - siehe Internet oder der sich aufbauende Werbeträger Mobilfunk.
In Zeiten von Werbeflauten wird aber nicht nur auf hohem Niveau gern gejammert, sondern auch immer wieder das Thema mit dem Etikett aufgetaut "Ende der klassischen Werbung". Ein ziemlich nutzloser Aufwand. Das Fachwort 'klassische Werbung' der Großväterzeit taugt ebensowenig wie der gleichfalls verstaubte Begriff 'Below the line'. Tatsächlich geht es heute darum, alle Register kommerzieller Kommunikation zu ziehen, die zum betriebswirtschaftlichen Überlebens- und Ausbauerfolg einer Firma beitragen. Da kann der Spot, die Anzeige, das Plakat ebenso effiziente Arbeit leisten wie Events, Sponsoring oder Ambient-Media.
Summa summarum: Im Frühjahr dieses Jahres gibt es zwar Werbewinter, aber der nächste Frühling kommt, ebenso wie sich die Erde um die Sonne dreht (und nicht umgekehrt).
Quelle und Kontaktadresse:
Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW e.V.
Villichgasse 17
53177 Bonn
Telefon: 0228/820920
Telefax: 0228/357583
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