Pressemitteilung | Institut Arbeit und Technik

Wenn mehr „Alte“ länger arbeiten sollen / Überlegungen aus dem Institut Arbeit und Technik zur Erhöhung der Beschäftigungsquote Älterer

(Gelsenkirchen) - Die Europäische Union hat sich das ehrgeizige Ziel gesteckt, dass bis zum Jahr 2010 mindestens die Hälfte der EU-Bevölkerung im Alter von 55 bis 64 beschäftigt sein soll. Allein in Deutschland, dessen Beschäftigungsquote Älterer mit 38,4 Prozent noch unter dem EU-Durchschnitt von 39,8 Prozent liegt, müssten dann nach Berechnungen des Instituts Arbeit und Technik /Wissenschaftszentrum NRW (IAT/Gelsenkirchen) rund 1,1 Millionen mehr Ältere als gegenwärtig arbeiten. „Mit einfachen Rezepten lässt sich das Ziel nicht erreichen, denn nicht nur die Motivation in Betrieben und bei Beschäftigten zielt bisher kaum auf längere Lebensarbeitszeiten. Auch Qualifikation, Frauenerwerbstätigkeit, Flexibilität im Erwerbsleben und das Wirtschaftswachstum spielen eine Rolle“, so der Arbeitsmarktforscher Prof. Dr. Gerhard Bosch, Vizepräsident des IAT.

Potenziale für eine Erhöhung der Beschäftigungsquote Älterer ergeben sich vor allem bei den Frauen, wie die großen Unterschiede der Frauenerwerbsquoten in den EU-Ländern zeigen. Das schwedische Beispiel zeigt, dass die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt durch gezielte Gleichstellungspolitik gefördert wird. Nur wenn die Beschäftigungsquote der Frauen schon in früheren Jahren erhöht wird, wird es für sie selbstverständlich, auch nach dem 55. Lebensjahr erwerbstätig zu sein – allerdings auch nur dann, wenn sie hier von Hausarbeit entlastet werden. In jüngeren Jahren ist das die Kinderbetreuung, später die Entlastung bei der Pflege von Angehörigen. Mit den Programmen für Ganztagsschulen und Kinderbetreuung steigt jetzt auch in Deutschland – 40 Jahre nach Schweden – die Frauenerwerbstätigkeit. „Die Auswirkungen auf die Beschäftigungsquote der über 55-Jährigen treten aber erst langfristig ein und bleiben bis 2010 noch bescheiden“, rechnet der IAT-Wissenschaftler Dr. Sebastian Schief.

Während sich die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern in den letzten Jahrzehnten in der EU deutlich verringert hat, entwickeln sich unter dem Aspekt der Qualifikation neue Formen sozialer Ungleichheit, stellen die IAT-Forscher fest. So liegt in Deutschland bei den gering und mittel qualifizierten Frauen und Männern die Beschäftigungsquote der älteren (55-64 Jahre) über die Hälfte niedriger als die der 45-54-Jährigen.

Das EU-Ziel einer 50-Prozent-Beschäftigung Älterer wird nur bei der relativ kleinen Gruppe der Hochqualifizierten erreicht. „Die Rentenreform muss deshalb bildungspolitisch, also durch Lernangebote vor allem für die geringer Qualifizierten unterfüttert werden, damit sie nicht nur die Arbeitslosigkeit Älterer ansteigen lässt“, fordert Prof. Bosch. Aber besondere Lernangebote für Ältere laufen oft ins Leere, Lernerfahrungen müssen schon in früheren Jahren entwickelt werden. Notwenig ist eine Kultur lebenslangen Lernens, die aber aufzubauen Jahre dauert, so dass auch hier schnelle Effekte nicht zu erwarten sind.

Auch flexible Übergänge in die Rente können dazu beitragen, die Beschäftigungsquote der 55-65-Jährigen zu erhöhen. Die Erfahrungen haben allerdings gezeigt, dass Verkürzungen der Arbeitszeit am Ende des Erwerbslebens am ehesten akzeptiert werden, wenn Betrieb und Beschäftigte schon zuvor Erfahrungen mit flexiblen Erwerbsverläufen gemacht haben, z.B. Auszeiten oder Arbeitszeitanpassungen wegen Elternschaft, Weiterbildung, Pflege vorgenommen haben. Die bisherigen Programme zum gleitenden Übergang in Rente richteten sich an Beschäftigte, die ansonsten länger im Erwerbsleben geblieben wären. Notwendig wären dagegen Programme, die Älteren Arbeitszeitverkürzungen anbieten, um sie länger im Beschäftigungssystem zu halten.

Selbst bei schwachem Wachstum muss die Erhöhung der Beschäftigungsquote Älterer nicht zwangsläufig zu Lasten der Jüngeren gehen, rechnen die IAT-Arbeitsmarktexperten. Denn die Mehrbeschäftigung bestimmter Gruppen löst zusätzliche Nachfrageeffekte in der Wirtschaft aus, so dass der Beschäftigungseffekt positiv sein kann.

Die Abkehr von der bisherigen Vorruhestandspraxis und der spätere Renteneintritt sind politisch flankierende Maßnahmen zur Erhöhung der Beschäftigungsquote Älterer, reichen aber nicht aus. „Gezielte Maßnahmen müssen mit einer Politik der Gleichstellung, der Entwicklung einer Kultur des lebenslangen Lernens und flexibler Erwerbsverläufe verbunden sein“, so Bosch. Dazu müsse es aber auch weiter Möglichkeiten geben, dass Beschäftigte, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können, unter akzeptablen Bedingungen in den Ruhestand übergehen können.

Quelle und Kontaktadresse:
Institut Arbeit und Technik Munscheidstr. 14, 45886 Gelsenkirchen Telefon: 0209/17070, Telefax: 0209/1707110

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