Pressemitteilung | Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW)

Weniger Forscherinnen in der EU

(Köln) - Die Europäerinnen halten bei den akademischen Abschlüssen mit ihren männlichen Mitstreitern hervorragend mit. Allerdings machen die jungen Damen um technische Fächer immer noch einen weiten Bogen. Daher sind sie als Wissenschaftlerinnen in Labors und Forschungsstätten von Hochschulen und Unternehmen wenig präsent – aber auch, weil solche Jobs nicht unbedingt mit dem Familienwunsch harmonieren.

Inzwischen wird in der Europäischen Union jeder zweite Hochschulabschluss von einer jungen Frau abgelegt, und auch bei den Promotionen halten die Damen gut mit. Dennoch sitzt EU-weit erst auf jeder dritten Stelle in staatlichen Labors und Forschungseinrichtungen eine Wissenschaftlerin. In den Forschungsabteilungen der Unternehmen ist die Luft für das schöne Geschlecht noch etwas dünner: Lediglich jede sechste Expertenstelle dort hat eine Frau inne.

Insgesamt waren im Jahr 1999 nach Angaben von Eurostat gut 900.000 Männer und Frauen als Wissenschaftler für Staat und Unternehmen aktiv. Davon arbeitete jeweils die Hälfte in der Privatwirtschaft bzw. in öffentlichen Forschungseinrichtungen und an Hochschulen. Etwa ein Drittel aller EU-weit in Unternehmen beschäftigten Wissenschaftler war in Deutschland tätig.

Zwar führt der private Sektor hierzulande mit gut 150.000 in Forschungsabteilungen angestellten Experten zahlenmäßig das EU-Ranking an. Gemessen am Anteil der Forscherinnen hat Deutschland allerdings wenig Aussichten auf einen Platz auf dem Siegertreppchen: In den deutschen Unternehmen stellen die Frauen nicht einmal 10 Prozent der Forscherbelegschaft.

Als Eldorado für die Nachfahrinnen von Lise Meitner und Co. entpuppt sich hingegen Irland mit einem Frauenanteil in der privatwirtschaftlichen Forschung von stolzen 28 Prozent. Andernorts stehen die Karten für Wissenschaftlerinnen ebenfalls nicht übel. Die Schlusslichter unter den zehn EU-Ländern, für die diese Statistiken nach Geschlecht aufgesplittet wurden, bilden hingegen Deutschland und Österreich.

Dass so wenig Akademikerinnen in den Forschungsstätten für Innovationen sorgen, kommt nicht von ungefähr. Zwar haben die Europäerinnen seit gut 20 Jahren ihren Wissensdurst immer häufiger gestillt: In der Altersgruppe der 18- bis 21-Jährigen beginnen in allen EU-Mitgliedstaaten tendenziell mehr Frauen als Männer ein Hochschulstudium.

In Skandinavien beträgt der Anteil der akademisch gebildeten Frauen inzwischen etwa 60 Prozent. Und auch in sechs von den zwölf künftigen EU-Nachbarländern hat das schöne Geschlecht die Nase vorn: In Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen und Zypern kommen auf einen männlichen Hochschulabsolventen 1,5 Abgängerinnen.

Die weibliche Neugier richtet sich allerdings nicht unbedingt auf solche Fächer, die die Aussichten auf einen hoch qualifizierten Job in der Forschung verbessern. Immer noch machen die jungen Europäerinnen um Natur- und Ingenieurwissenschaften, technische Fächer sowie Informatik einen Bogen.

So erlangten im Jahr 2000 EU-weit knapp 167.000 Frauen einen Hochschulabschluss in Naturwissenschaften, Informatik und Ingenieurwissenschaften – das waren 10 Prozent mehr als im Vorjahr. Ihr Anteil an allen Absolventen dieser Fachrichtungen ist indes weiterhin gering.

In den Niederlanden, Belgien und Deutschland ist rund ein Drittel der Absolventen einer naturwissenschaftlich-technischen Fakultät weiblich.
Nur in Italien und Irland ist das Geschlechterverhältnis bei den Abgängern solcher Fachrichtungen ausgewogen.

In den Ingenieurwissenschaften, der Fertigungstechnik und den Bauwissenschaften kann Portugal mit 35 Prozent den EU-weit höchsten Anteil aller weiblichen Hochschulabsolventen aufweisen. Die rote Laterne als europäisches Schlusslicht halten die Niederlande mit einem Absolventinnenanteil in diesen Fächern von gerade mal 13 Prozent.

Doch noch ein anderes Handikap hat die EU-Studie ermittelt. Demnach lassen sich Erfinderinnen-Jobs nur recht schwer mit der Familie in Einklang bringen. Die potenziellen Forscherinnen vermissen insbesondere familienfreundliche Arbeitszeiten sowie Kinderbetreuungseinrichtungen.

Quelle und Kontaktadresse:
Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) Gustav-Heinemann-Ufer 84-88, 50968 Köln Telefon: 0221/49811, Telefax: 0221/4981592

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