Pressemitteilung | wdk Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie e.V.

Welche Zukunft hat die Kautschukindustrie in Deutschland?

(Berlin) - Bei der diesjährigen Herbsttagung des Wirtschaftsverbands der deutschen Kautschukindustrie (wdk) in Frankfurt am Main lag der Fokus auf der Standortfrage. Branchenvertreter und Experten beleuchteten vor rund 200 Gästen die zunehmend schwierigen Bedingungen am Produktionsstandort Deutschland und die volatilen Marktbedingungen. Zugleich gaben sie einen Ausblick auf mögliche Entwicklungen.

Der neu gewählte Präsident des wdk, Michael Klein (Hutchinson GmbH), sieht einen Schwerpunkt seiner künftigen Arbeit im Verband bei dem Einsatz für den Industriestandort Deutschland. "Die deutsche Kautschukindustrie ist bekannt für ihre Leistungsfähigkeit, ihre Flexibilität und ihre Innovationskraft. Damit sie aber auch in Zukunft auf den internationalen Märkten erfolgreich bleiben kann, müssen sich die Standortbedingungen verbessern." Als Beispiele nannte er bezahlbare Energiekosten, eine Chemikalienregulierung mit Augenmaß und einen deutlichen Abbau von Bürokratie. Die Kautschuk-Branche könne Lösungen aufzeigen, auf die Gesellschaft und Umwelt dringend warten. Verantwortungsbewusst, authentisch, realitätsnah und kompetent biete sich der Verband Politik und Zivilgesellschaft als Problemlöser an.

Hessens Ministerpräsident Boris Rhein würdigte in seiner Videoansprache die Kautschukindustrie als einen "wichtigen Teil unserer Wirtschaft, insbesondere für Hessen". Er zeigte sich überzeugt, dass die aktuellen Herausforderungen wertvolle Chancen für mehr Innovation und Wachstum böten. Auch die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Politik werde entscheidend sein, um die Kautschukindustrie in Hessen zukunftsfähig zu gestalten.

Der Mittelstandsbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Esra Limbacher, nannte in seiner digitalen Begrüßung Kautschuk "essenziell für die deutsche Industrie" und erklärte, die Ampel-Koalition lasse die deutsche Wirtschaft nicht im Stich. "Wir diversifizieren Gasimporte und beschleunigen den Ausbau der Erneuerbaren Energien, um den Energiepreis nicht nur mittelfristig deutlich zu senken." Zur Überbrückung arbeite man einem Transformationsstrompreis, einem Brückenstrompreis, "der die Energiekosten effektiv und kurzfristig reduziert."

Anschließend diskutierten Peter Cöllen (Vorwerk Autotec), Sabrina Kaiser (Conradi + Kaiser) und Konrad Ummen (Optibelt) mit wdk-Hauptgeschäftsführer Boris Engelhardt die Zukunft inhabergeführter Unternehmen der deutschen Kautschukindustrie. Als besondere Herausforderungen sahen sie die überbordende Bürokratisierung und die Fachkräftegewinnung. Gleichzeitig hoben sie die Einbettung der deutschen Unternehmen in die globalen Märkte hervor und betonten die Notwendigkeit einer Stärkung von Forschung und Entwicklung.

Einen kritischen Blick auf die deutschen Standortbedingungen warf Norbert Theihs, Geschäftsführer VCI Berlin in seinem Vortrag "Europa als Chemiestandort: energieintensive Industrien senden SOS". Gerade bei der Chemie sei die Deindustrialisierung bereits in vollem Gange, was auch daran liege, dass die Strompreise in Deutschland kaum bezahlbar seien. So seien beispielsweise die Stromsteuern im europäischen Vergleich viel zu hoch.

Mit der deutschen Zulieferindustrie im allgemeinen Kapitalmarktumfeld beschäftigte sich Gerhard Wiesheu, Vorstandssprecher des Bankhauses Metzler. Diese müsse sowohl das Verbrennergeschäft aufrechterhalten als auch immense Investitionen in die Forschung und Entwicklung sowie in die Produktion von E-Mobilitäts-Komponenten stemmen. Ein Break-Even-Point mit diesem Geschäft sei nicht vor 2028/29 zu erwarten. Da bei batterieelektrischen Fahrzeugen Plattform-Lösungen besondere Bedeutung haben, sei es erfolgskritisch für deutsche Zulieferer, ein Teil dieser neuen Plattformen zu werden. Chancen lägen bei der Gewinnung chinesischer OEM als Kunden, Risiken bei der Konkurrenz durch zunehmend global agierende chinesische Zulieferer.

Die aktuellen Marktentwicklungen bei Öl und Gas waren Gegenstand des Vortrags von Carsten Fritsch (Commerzbank Commodity Research). Zwar seien die Gasspeicher in Europa vor dem Winter vollständig gefüllt, aber der europäische Gaspreis habe sich seit seinem Tief im Sommer mittlerweile verdoppelt. Risikofaktoren bei der Preisentwicklung seien mögliche Angebotsausfälle und die witterungsbedingte Nachfrage im Winter. Bei der Preisentwicklung von Öl stellte er fest, dass der Ölmarkt vom Nahost-Konflikt bislang kaum betroffen sei.

Um "Gemeinsame Lösungen für regulierte Rohstoffe" ging es bei der Podiumsdiskussion zwischen der wdk-Nachhaltigkeitsexpertin Dr. Veronika Beer mit Hans Evers /Weber & Schaer" und dem wdk-Chefchemiker Volker Krings. Evers berichtete dabei aus seiner Praxiserfahrung mit der Behandlung von Naturkautschuk in der EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten (EUDR). Hier sei vieles noch vollkommen unklar, wie etwa die Frage, welche Länder in welcher Form vom Benchmarking erfasst sein werden. Auch die Reaktionen in den Anbauländern seien bislang sehr heterogen.

Abschließend schilderte wdk-Chefvolkswirt Michael Berthel das Marktgeschehen bei Kautschukrohstoffen. Die deutsche Kautschukindustrie sei von der Rezession deutlich betroffen. Die jüngste Mitgliederbefragung habe ergeben, dass vier von fünf Unternehmen nach den ersten drei Quartalen dieses Jahres einen Umsatzrückgang im Vergleich zu 2022 verzeichnet haben. Auch die Perspektiven für die nächsten Monate zeigen sich in keiner guten Verfassung. Die Inlandsaufträge der Branche gingen im Jahresverlauf durchschnittlich um 7,1 Prozent zurück, die Auslandsaufträge um 5,1 Prozent. Beispielsweise im Reifenbereich verzeichnete der dominierende Ersatzmarkt deutliche Rückgänge im Endverbrauchergeschäft sowohl mit Pkw- als auch mit Nutzfahrzeugreifen. Bei Rohstoffen zeigten zu Beginn des 4. Quartals nahezu alle Preise für die in der Kautschukindustrie verwendeten Materialien wieder nach oben. Berthels Fazit: Politik und Prozesskette müssten dazu beitragen, dass die international technologisch führende deutsche Kautschukindustrie überlebt. Sonst gäbe es für die anspruchsvollen Produkte und Anwendungen der Zukunft keine geeigneten Lösungen für elastomere Anforderungen mehr.

Quelle und Kontaktadresse:
wdk Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie e.V. Dr. Christoph Sokolowski, Geschäftsstellenleiter Presse Unter den Linden 26, 10117 Berlin Telefon: (030) 726216-120, Fax: ()

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