Welche Kompetenzen brauchen Arbeitnehmer für die digitale Zukunft der produktiven Arbeit?
(Frankfurt am Main) - "Bereits heute befassen sich mehr als zwei Drittel der Metall- und Elektro-Unternehmen in Hessen mit Industrie 4.0. Um die Herausforderungen einer Produktion der Zukunft zu bestehen, benötigen unsere Unternehmen neben den klassischen Kompetenzen auch immer mehr Optimierer, mehr Teamplayer, mehr emotional Intelligente und mehr Neugierige mit Eigeninitiative. Und am liebsten eine bunte Mischung davon - am liebsten schon in einer Person, jedenfalls aber in den Teams", skizzierte Wolf Matthias Mang, Vorstandsvorsitzender von HESSEN-METALL auf der jährlichen Spitzenveranstaltung HESSENFORUM die Kompetenzen, die Arbeitgeber künftig von ihren Arbeitnehmern verstärkt erwarten müssen. Wie Wettbewerbsfähigkeit und Mitarbeiterorientierung, Produktivitätssteigerung und attraktives Arbeitgebertum zusammengehen war das Thema der Spitzenveranstaltung des Arbeitgeberverbands mit 200 Gästen. Impulse gaben Gesamtmetallpräsident Dr. Rainer Dulger, Michael Geil von Sirona, Dr. Ingo Koch von Samson, Armin Schild von der IG Metall Mitte sowie Stefan Weber von Duktus.
Im Frühjahr 2015 hatte HESSENMETALL seine Mitgliedsunternehmen nach ihren Einschätzungen zur Digitalisierung ihrer Produktionsprozesse und den hierfür notwendigen Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter befragt. 177 Unternehmen mit 86.000 Beschäftigten haben geantwortet. 83 Prozent der an der Befragung teilnehmenden Mitgliedsunternehmen suchen neben dem fachlichen Experten auch "den Optimierer", der sich nicht auf seinem Fachwissen ausruht, sondern stetige Verbesserungen antreibt. 74 Prozent suchen auch den Prozessintegrator, der sich selbst organisiert und sich in Teams gut integriert. 67 Prozent erwarten auch den international Vernetzten, sprachgewandt und emotional kompetent. Und 64 Prozent verlangen den eigenmotiviert Neugierigen, der Lerntechniken, Eigeninitiative und Investitionsbereitschaft mitbringt. Auch wenig Qualifizierte meisterten z. B. neue digitale Tech-nologien für ihren privaten Gebrauch: vom Smartphone bis zur Smartwatch. Von hier aus sei es nur ein kleiner Schritt, dieses Wissen auch im Beruf sinnvoll anzuwenden. Solche Transfers gehörten zur Zukunft der produktiven Arbeit.
"Um wettbewerbsfähig zu sein, brauchen Unternehmen kluge Tarifpolitik", führte Gesamtmetallpräsident Dr. Rainer Dulger aus. "Wir müssen den Unternehmen durch unsere Tarifverträge mehr Wettbewerbsfähigkeit und zugleich größtmögliche Mitarbeiterorientierung ermöglichen. Dazu brauchen wir eine atmende, flexible Tarifpolitik, ganz im Sinne der Pforzheimer Beschlüsse aus dem Jahr 2004 mit Abweichungsmöglichkeiten je nach betrieblicher Lage und betrieblichen Interessen. Pforzheim war nicht nur für den Krisenfall gedacht. Es dient auch dem Zweck, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu erhöhen oder Investitionen im Inland zu ermöglichen. Auf diesem Weg müssen wir weitergehen und auch für das Thema Arbeitszeitgestaltung neue, zeitgemäße Lösungen entwickeln." Die Erfahrung habe gezeigt, dass "wir mit unserem System flexibler Arbeitszeiten ein Stück weit die Nachteile unserer hohen Kosten und unserer kurzen Arbeitszeiten wettgemacht haben." Flexibilität sei eine notwendige und vereinbarte Ergänzung zur 35-Stunden-Woche und stärke damit auch die Arbeitsplatzsicherheit unserer Mitarbeiter.
"Markt- und börsenorientiert, mit viel Freiheiten für Mitarbeiter", so beschreibt Geschäftsführer Michael Geil die Sirona Dental Systems GmbH in Bensheim, den Markt- und Technologieführer rund um das Zahnarzt-Equipment. "Gleitzeit und verschiedene Arbeitszeitmodelle geben Mitarbeitern wie Unternehmen ein hohes Maß an Flexibilität für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Mehrarbeit und Samstags-arbeit bei Forschungs- und Entwicklungs-Projekten oder im Service sowie Schichtmodelle in der Produktion und Logistik sind herausfordernd, aber notwendige Rahmenbedingungen. Wir arbeiten ständig an Lösungen, die für beide Seiten befriedigend sind. Das Unternehmen ist in den letzten zwei Jahren im Schnitt zweistellig gewachsen, was sich auch sehr positiv auf die Stellenbesetzungen ausgewirkt hat. Eine erfolgreiche Entwicklung, die wir weiterverfolgen müssen."
"Solange es uns gelingt, hier immer dem Wettbewerb bei Innovationskraft und bei qua-lifizierten, motivierten Mitarbeiter die berühmte Nasenlänge voraus zu sein, können wir auch im Hochlohnland Deutschland produzieren und den Standort innerhalb der Gruppe rechtfertigen", sagte Dr. Ingo Koch, CFO des Mess- und Regelungstechnikhersteller SAMSON AG, Frankfurt am Main. "SAMSON ist ein Aus- und Weiterbildungsunternehmen. Wir binden die jungen Menschen am liebsten direkt an uns, stimmen sie auf die SAMSON-Kultur ein und haben damit die besten Erfahrungen gemacht. Wir bieten 12 verschiedene Ausbildungsberufe und haben aktuell 140 Azubis. Auf die Ausbildungsquote von knapp 9 Prozent sind wir sehr stolz. Da bezahlbare Wohnungen in Frankfurt für Azubis schwer zu finden sind, haben wir für die, die von weit her zu uns kommen, eigenen Wohnraum geschaffen. Aktuell bieten wir Platz für etwa zehn junge Leute. Und wir pflegen engen Kontakt zu Hochschulen, bieten Praktika, Bachelor- und auch Master-Arbeiten an."
In der dauerhaften Sicherung industrieller Wertschöpfungsketten, der demografischen Entwicklung und in mehr Durchlässigkeit der beruflichen Bildungswege sieht Armin Schild, Bezirksleiter IG Metall Bezirk Mitte, zentrale Herausforderungen der Zukunft. "Die Metall- und Elektroindustrie verfügt im internationalen Vergleich über die qualifiziertesten Mitarbeiter und das höchste Innovationspotenzial. Wir haben gemeinsam die modernsten Tarifbedingungen vereinbart. Das sind beste Voraussetzungen, um Nach-wuchs zu gewinnen. Besonders wichtig ist es, gemeinsam für eine neue Beruflichkeit einzutreten, für mehr Durchlässigkeit der Ausbildungswege und echte Weiterbildungsperspektiven zu sorgen. Ich wünsche mir für die Zukunft auch ein viel umfassen-deres und früher einsetzendes Orientierungsangebot an den Schulen. Die Weiterbildungsmöglichkeiten in Unternehmen und die Durchlässigkeit bei Beschäftigung und akademischer Weiterbildung sollten weiter und verbindlicher ausgebaut werden. Das bleibt eine Zukunftsaufgabe von Arbeitgebern, Verbänden, Betriebsräten und IG Metall."
"Jeder Mitarbeiter ist ein Treiber von Innovation und Produktivität", sagt Stefan Weber, Geschäftsführer Duktus Rohrsysteme Wetzlar GmbH, Wetzlar. "Als Gießereibetrieb haben wir viele an- und ungelernte Mitarbeiter, viele davon mit Migrationshintergrund. Anhand unserer Mitarbeiterstruktur kann man rückwirkend jede Zuwanderungswelle in Deutschland ablesen. Entsprechend bunt ist der Mix an Nationalitäten, eben ein echter Schmelztiegel. Wir betreiben einen großen Aufwand, auch Ungelernte anzulernen und kontinuierlich weiter zu bilden. Denn auch sie leisten ihren Beitrag für eine produktive Fertigung. Für das Unternehmen ist es optimal, wenn sich jeder Mitarbeiter in der Produktion an möglichst vielen Stellen auskennt und dort eingesetzt werden kann. Manche möchten aber lieber immer den gleichen Job machen. Dann versuchen wir, das zu ermöglichen. 3-Schicht-Betrieb von Montag bis in den Samstag hinein, manchmal je nach Auftragslage sogar noch am Sonntag, ist ohne Zweifel anstrengend. Umso mehr versuchen wir, flexibel auch auf persönliche Wünsche zu reagieren. Alle zwei Jahre führen wir eine Mitarbeiterbefragung durch.
Beim Punkt "Zusammenspiel von Arbeitsbelastung und persönlichen Freiräumen" bekommen wir gerade von den Mitarbeitern in der Produktion sehr gute Bewertungen. Wir versuchen zu nehmen und zu geben. Und das kommt richtig gut an und es spricht sich herum. Unser guter Ruf bringt uns neue Mitarbeiter. Viele sind schon in vierter Generation hier. Bei den Bewerbern um die Ausbildungsplätze sind immer Mitarbeiterkinder dabei. Auch das zeigt uns, dass wir offensichtlich etwas richtig machen."
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