Weiter auf China setzen? / IHK-Außenwirtschaftsausschuss nimmt neue Märkte unter die Lupe
(Siegen) - Lebhaft diskutiert wurde vor diesem Hintergrund die unternehmerische Ausrichtung im Spannungsfeld zwischen den USA und China. Jens Brill, Außenwirtschaftsreferent der IHK Siegen, erörterte das erheblich gestiegene deutsche Handelsdefizit. "China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft weltweit und auf Platz 1 der Länder, von denen Deutschland im Bereich strategisch wichtiger Güter besonders importabhängig ist." Politisch positioniere man sich derzeit neu zu China. Rainer Dango kritisierte hierbei den Alleingang in der deutschen Wirtschafts- und Außenpolitik für eine China-Strategie vor dem Hintergrund, dass zeitgleich auf EU-Ebene hieran gearbeitet werde. Dabei werde unnötig Vertrauen verspielt, wie die verschnupften Reaktionen aus der Volksrepublik zeigten. In der Diskussion wurde deutlich zum Ausdruck gebracht, dass während in China ein Zehn-Jahresplan verfolgt werde, in Deutschland der Blick häufig nur bis zur nächsten Wahl reiche.
Alexander Brand (Geschäftsführer der BLEFA GmbH in Kreuztal) appellierte an die unternehmerische Eigenverantwortung. "Wir sollten nicht auf die Politik warten, sondern selbst aktiv werden." Er gab zu bedenken, dass China zur Umgehung von Einfuhrzöllen auf Edelstahl-Coils (z.Zt. 25 Prozent) immer häufiger fertige Produkte aus Edelstahl nach Europa exportiere und damit sogar eine höhere Wertschöpfung erziele. André Barten (Achenbach Buschhütten GmbH & Co. KG) bestätigte dies auch für sogenannte "grüne Produkte". Am Ende sei es an jedem Unternehmen, sich zu positionieren. Länder wie Bangladesch, Vietnam oder Indonesien stünden in zunehmender Rivalität zu China. Zudem nehme der USA-Handel zu, fasste Jens Brill zusammen. Er hob hervor, dass gleichwohl aufgrund der gewachsenen Strukturen und Abläufe im Handel mit China an der Volksrepublik für viele kaum ein Weg vorbeiführe. Uwe Stupperich von der M.G. International (Holding) GmbH ergänzte, dass sich die Logistikketten aus China heraus zwischenzeitlich wieder entspannt hätten: "Vor allem sind erfreulicherweise die langen Wartezeiten in den chinesischen Häfen weggefallen."
Wachstumschancen für deutsche Unternehmen im Ausland
Für deutsche Unternehmen sei es umso wichtiger, sich mit neuen Märkten zu befassen, betonte Rainer Dango. "Immerhin geht es bei solchen strategischen Entscheidungen häufig um Zeiträume von zehn bis 15 Jahren." Erstmals waren daher in Kooperation mit der Deutschen Bank Marktexperten aus anderen Kontinenten zur Sitzung zugeschaltet, um über die Lage in vielversprechenden Ländern zu berichten. Die Chancen und Risiken in Bangladesch beleuchtete - online aus Dhaka - Syed-Naushad Zaman, Leiter der Repräsentanz der Deutschen Bank in Bangladesch. Die Aussichten seien hier gut, wofür ein starkes Wachstum spreche, das sich Prognosen zufolge trotz der weltpolitischen Verwerfungen fortsetzen werde. Zu den Risiken gehöre unter anderem eine steigende Inflation.
In den Sub-Sahara-Ländern habe sich das Wachstum infolge der Corona-Pandemie spürbar verlangsamt, wusste der aus Lagos zugeschaltete Andreas Voss, Leiter der Deutsche Bank Repräsentanz in Nigeria, zu berichten. Ursächlich hierfür seien auch dort die hohe Inflation und sinkende Devisenreserven. Auch ehemalige Wachstumsländer, wie Ghana, Südafrika oder Nigeria seien betroffen. Dennoch sei die Lage in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich, weshalb eine genaue Analyse ratsam sei. Angola etwa zeige eine ganz erstaunliche Entwicklung. Kaum ein Weg jedoch führe an Nigeria mit seiner hohen Importabhängigkeit vorbei. Hier sei spätestens Ende des Jahres mit einem deutlichen Wachstum zu rechnen, so Andreas Voss, der China und Indien "klar auf dem Vormarsch" sieht. Gleichwohl bestünden große Chancen für deutsche Unternehmen, deren Service sehr geschätzt werde.
Bei seinem Blick auf Lateinamerika konzentrierte sich Carlos Luna, Lateinamerika-Spezialist der Deutschen Bank, vor allem auf Brasilien und Kolumbien. Für den brasilianischen Markt sei Deutschland wichtig. Brasilien selbst gehöre zu den 30 größten Export- und Importnationen weltweit und verfüge bei moderatem Wachstum über enormes wirtschaftliches Potenzial. Immer interessanter werde zudem Kolumbien, das infolge der Russland-Sanktionen zuletzt verstärkt Steinkohle ausführen konnte. Die deutschen Importe aus Kolumbien hätten sich im vergangenen Jahr beinahe verdreifacht, die Exporte in das Land im Jahresvergleich um ein Viertel zugelegt. Die Risiken lägen in einer hohen Inflation und Arbeitslosigkeit sowie dem Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit. Außerdem stehe mit Mercosur das größte Freihandelsabkommen weltweit vor der Tür. Zu den weiteren Ländern mit besonders guten Exportchancen gehören aus Sicht der Experten vor allem Indien, Vietnam und Algerien.
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