Warum das EU-Mercosur-Abkommen für unsere Wirtschaft wichtig ist
(Berlin) - Geopolitische Veränderungen, zunehmender Protektionismus und bröckelnde multilaterale Regelwerke sind zentrale Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft. Der DIHK-Umfrage Going International 2024 zufolge spürten 61 Prozent der Unternehmen hierzulande zunehmende Handelshemmnisse bei ihrem Auslandsgeschäft – dabei sind sie mehr denn je auf stabile Lieferketten und freien Handel angewiesen.
Geopolitische Veränderungen, zunehmender Protektionismus und bröckelnde multilaterale Regelwerke sind zentrale Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft. Der DIHK-Umfrage Going International 2024 zufolge spürten 61 Prozent der Unternehmen hierzulande zunehmende Handelshemmnisse bei ihrem Auslandsgeschäft – dabei sind sie mehr denn je auf stabile Lieferketten und freien Handel angewiesen. Freihandelsabkommen sind ein Werkzeug, um diesem Trend entgegenzuwirken und Planungssicherheit zu ermöglichen. Ihr Ziel ist es, Handelshürden zu beseitigen und damit den Güteraustausch zwischen Staaten zu erleichtern.
Die am 6. Dezember 2024 abgeschlossenen Verhandlungen zum EU-Mercosur-Abkommen zwischen der Europäischen Union und dem Mercado Común del Sur (Mercosur) könnten für die international vernetzte deutsche Wirtschaft positive Impulse bringen. Doch in Kraft ist das Abkommen noch nicht: In den nächsten Monaten wird es juristisch geprüft und in die EU-Amtssprachen übersetzt. Dann wird die Kommission dem Rat und dem Parlament einen Vorschlag zur Unterzeichnung und zum Abschluss des Abkommens übermitteln. Das sind entscheidende Schritte, denn im Rat ist eine qualifizierte Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten erforderlich, und die Regierungen einiger EU-Länder haben bereits ihre Ablehnung angekündigt. Dann wird sich auch entscheiden, ob vor Inkrafttreten des Abkommens zusätzlich eine Ratifizierung durch alle nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten erforderlich sein wird oder ob es zu einer Teilung beziehungsweise vorläufigen Anwendung kommen kann.
Chancen für beide Wirtschaftsräume
Das Mercosur-Abkommen würde die Märkte Argentiniens, Brasiliens, Paraguays und Uruguays für europäische Unternehmen öffnen und einen gemeinsamen Markt mit circa 715 Millionen Menschen schaffen. Mercosur besitzt für Europas Klimawende wichtige Rohstoffe (beispielsweise Lithium, Nickel, Seltene Erden), Europa wiederum ist ein zentraler Lieferant von Autos, Maschinen und Chemikalien. Der Austausch von Waren und Produkten würde sich mit Inkrafttreten des Abkommens verbessern, weil viele Handelshemmnisse und Zölle wegfallen. Derzeit erhebt Mercosur teils die höchsten Außenzölle weltweit (zum Beispiel 35 Prozent auf Autos, 14 bis 20 Prozent auf Maschinen, bis zu 18 Prozent auf Chemikalien). Insgesamt würden mit erfolgreichem Abschluss des Abkommens rund 90 Prozent der Ein- und Ausfuhrabgaben zwischen beiden Vertragspartnern wegfallen. Es wäre das mit Blick auf den Zollabbau größte EU-Handelsabkommen: Europäische Unternehmen könnten jährlich um circa vier Milliarden Euro entlastet werden.
Rund 70 Prozent der 12.500 deutschen Unternehmen, die in den Mercosur exportieren, sind kleine und mittlere Unternehmen. Auch sie werden in einem gesonderten Kapitel des Abkommens berücksichtigt, etwa durch Förderprogramme und Unterstützung bei der Markterschließung.
Mögliche Risiken abfangen
Das Abkommen senkt Ausfuhrabgaben auf landwirtschaftliche Erzeugnisse oder schafft sie ab. Kritiker fürchten hierdurch einen höheren Wettbewerbsdruck auf die europäische Landwirtschaft. Importquoten sollen dem entgegenwirken. Beispielsweise soll Mercosur maximal 99.000 Tonnen Rindfleisch zu einem vergünstigten Zollsatz von 7,5 Prozent exportieren dürfen. Das entspricht 16 Prozent der gesamten europäischen Rindfleischproduktion. Diskutiert wird außerdem über einen Kompensationsfonds, der Risiken für die europäische Landwirtschaft abfangen soll.
Zusätzlich haben die Parteien klare Umweltstandards festgelegt und sich zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens verpflichtet. Deutsche Unternehmen, die seit mehr als 100 Jahren in den Mercosur-Ländern aktiv sind, können durch das Abkommen ihr Engagement für nachhaltige Entwicklung ausbauen. Dabei unterstützen auch die Auslandshandelskammern (AHKs). Sie beraten Betriebe zu nachhaltigen Geschäftspraktiken wie Umweltmanagement, Energieeffizienz und Corporate Social Responsibility.
Entscheidend ist jetzt ein zügiges Inkrafttreten
Für die deutsche Wirtschaft ist nun wichtig, dass sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für ein zügiges Inkrafttreten des Abkommens einsetzt. Mit einer Verzögerung oder gar einem Scheitern würde die EU ihren hauchdünnen handelspolitischen Vorsprung in dieser Region verspielen. Denn die Konkurrenz schläft nicht. China hat längst die Hand in Richtung Südamerika ausgestreckt und ist bereits wichtigster Handelspartner des Mercosur. Eine schnelle Umsetzung könnte zudem Signalwirkung für Freihandelsverhandlungen mit Indien und Indonesien haben. Diese sind weitere wichtige Abkommen, die die deutsche Wirtschaft dringend benötigt, um ihre Lieferketten zu diversifizieren und widerstandsfähiger zu machen.
Quelle und Kontaktadresse:
DIHK - Deutscher Industrie- und Handelskammertag e.V., Breite Str. 29, 10178 Berlin, Telefon: 030 203080