Pressemitteilung | Architektenkammer Rheinland-Pfalz

Warnung vor 6-semestrigem Bachelor: Berufsqualifizierung und Europatauglichkeit entscheidend

(Mainz) - Der Präsident der Architektenkammer Rheinland-Pfalz, Günther Franz, nahm die Studentenproteste ind Berlin und Hessen am 8. Dezember zum Anlass, Reformansätze und Ausbildungsqualität im Planungs- und Baubereich erneut zu thematisieren. Vor sechssemestrigen Bachelor-Studiengängen warnt die Architektenkammer ausdrücklich.

"Die Qualität der Ausbildung ist entscheidend: für den Verbraucher- und Umweltschutz, für die Baukultur des Landes und für die Wettbewerbsfähigkeit der Architektenschaft in Europa und der Welt", so Günther Franz, Präsident der Architektenkammer Rheinland-Pfalz. "Wir akzeptieren grundsätzlich Bachelor- und Masterstudiengänge als neue, zusätzliche Studienstruktur in der Architektenausbildung neben dem Diplomstudiengang. Voraussetzung ist allerdings, dass der erste Studienabschluss mit Bachelorexamen eine Berufsqualifikation für die Tätigkeit als Architekt gewährleistet. Erst ein mindestens achtsemestriges Studium mit dem Abschluss Bachelor sichert diese Berufsqualifizierung und eröffnet nach Eintragung in die Architektenliste die berufliche Freizügigkeit in Europa. Ein anschließendes mindestens zweisemestriges Masterstudium steigert die fachliche Qualifikation und verbessert die Berufsmöglichkeiten international."

In Übereinstimmung mit der Bundesarchitektenkammer (Berlin) sieht die Berufspraxis keine adäquaten Beschäftigungschancen für sechssemestrige Architekturabsolventen. Bereits jetzt sind die Einstiegsgehälter für junge Diplom-Ingenieure im Vergleich zu anderen Berufssparten äußerst niedrig. Einem akademischen Lohndumping kann nicht das Wort geredet werden.

In den vergangenen Jahren hatte die Kammer sich mehrfach mit Stellungnahmen an die Fachhochschulen des Landes, die Universität Kaiserslautern und das Wissenschaftsministerium mit Plädoyers für eine berufsqualifizierende, in Europa anerkannte Ausbildung gewandt.

Hintergrund ist der seit Sommer 1999 ablaufende "Bologna"-Prozess, in dem sich die europäischen Bildungsminister auf eine EU-weit vereinheitlichte Hochschulausbildung in zwei aufeinander folgenden Stufen mit einem ersten, bereits berufsbefähigenden (Bachelor) und einem zweiten, vertiefenden akademischen Abschluss (Master) geeinigt hatten.

Bei dem Stichwort der "Berufsbefähigung" durch den Bachelor-Abschluss setzt das Problem an. Wenn dieses Kurzstudium der Architektur der Regelabschluss für viele Studenten sein würde - nur ca. 20 - 30 % sollen zu Masterstudiengängen zugelassen werden -, stellt sich die Frage, was die Studierenden von einem sechssemestrigen Studium erwarten können.
EU-weite Anerkennung von Punkten oder der Ausbildung?

Bisher ist in der Regel der Abschluss eines vierjährigen bzw. achtsemestrigen Diplomstudiums an FH oder TH/Universität zwingende Voraussetzung für die Eintragung in das Berufsverzeichnis, die Architektenliste. Damit ist die Erlaubnis, den Beruf eigenständig und freiberuflich auszuüben sowie die Bauvorlageberechtigung verbunden. Die Konsequenz ist, dass derjenige, der nur über einen dreijährigen Bachelorabschluss verfügt, auch nicht Architekt sein kann. Dies gilt umso mehr, als die europäische Architektenrichtlinie berufliche Freizügigkeit und Niederlassungsrecht in der EU von einem mindestens vierjährigen Architekturstudium abhängig macht. Bestrebungen, hier ebenfalls zu verkürzen, gibt es nicht, im Gegenteil, auf WTO-Ebene gibt der sogenannte "UIA-Accord" - eine informelle Festlegung auf fünf Studienjahre - die Richtung vor.

Absolventen mit einer sechssemestrigen Ausbildung kämen also in die absurde Situation, zwar über EU-weit anerkannt 'credit points' für belegte Vorlesungen und Übungen zu verfügen, für den eigentlichen Beruf aber weder den EU-Standards noch den Weltstandards zu genügen.

"Nein" der Kammer zum dreijährigen Bachelor

Das Studium der Architektur mit sechs plus eventuell vier Semestern wirft also viele unbeantwortete Fragen auf. Wenn die Hochschulen die neue BA/MA-Systematik übernehmen wollen, kommt aus der Sicht der Berufspraxis allein ein Modell mit einem grundständigen Bachelorstudium von acht Semestern in Frage. Dies auch mit dem Ziel, den Bestand der FHs als Vollausbildungsstätten in der Breite zu gewährleisten.

Begründete Chancen für sechssemestrige Absolventen am Arbeitsmarkt sieht die Berufspraxis nicht. Die Architektenkammer Rheinland-Pfalz vertritt dezidiert, wie die meisten anderen Länderarchitektenkammern und die Bundesarchitektenkammer, die Meinung, dass derzeit den Studenten der sechssemestrige Bachelorstudiengang nicht empfohlen werden kann.

Quelle und Kontaktadresse:
Architektenkammer Rheinland-Pfalz Hindenburgplatz 6, 55118 Mainz Telefon: 06131/99600, Telefax: 06131/614926

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