Pressemitteilung | Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) - Bundesvorstand

Warnung der EZB vor Inflationsgefahren völlig unbegründet

(Berlin) - "Die Warnungen des Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) vor anhaltenden Inflationsgefahren im Euroraum sind angesichts der aktuellen Wirtschaftszahlen und der konjunkturellen Perspektiven nicht nachzuvollziehen" sagte DGB-Vorstandsmitglied Heinz Putzhammer am Mittwoch in Berlin als Reaktion auf die Äußerungen von Wim Duisenberg bei der Vorstellung des Jahresberichts der EZB.

Die über dem Referenzwert der EZB liegende Zuwachsrate der Geldmenge gehe nicht auf eine überschäumende Geldnachfrage zurück, sondern darauf, dass potentielle Investoren wegen der Unsicherheit auf den Finanzmärkten ihr Kapital lieber auf dem Geldmarkt parken, anstatt in Aktien zu investieren. Ein Liquiditätsüberhang, der eine Gefährdung für die Preisstabilität darstellt, sei davon nicht abzulesen. Inflationsdämpfend wirke zudem die Aufwertung des Euro. Diese bremse die Preisentwicklung nicht nur direkt durch sinkende Einfuhrpreise, sondern vor allem auch indirekt durch die schlechteren Absatzperspektiven europäischer Anbieter. "Die EZB scheint auf diesem Auge blind zu sein. Während sie den direkten Effekt wohlwollend begrüßt, nimmt sie den dämpfenden Effekt auf die Konjunktur offensichtlich nicht zur Kenntnis.", kritisierte Putzhammer die EZB.

Auch von der Lohnentwicklung gehe keine inflationstreibende Wirkung aus. Durch die langlaufenden Tarifverträge stehen die Lohnzuwächse in Deutschland für viele Bereiche bereits jetzt für die beiden kommenden Jahre fest. Zwar sind diese Lohnabschlüsse höher als die vorangegangenen, dadurch würden aber eher weitere deflationäre Tendenzen verhindert. Sinkende Lohnstückkosten sind aber ebenso wenig mit Preisstabilität zu vereinbaren wie zu stark steigende. Die trendmäßige Entwicklung der Lohnstückkosten in Deutschland werde auch durch die nun höheren Abschlüsse nicht in Konflikt zum Inflationsziel der EZB stehen. Damit sind die in diesem Jahr verhandelten Tarifverträge in Deutschland sogar eher mit Preisstabilität zu vereinbaren als die vorangegangenen.

Anstatt bereits jetzt über Zinserhöhungen zu spekulieren, sollte die EZB lieber ihr Inflationsziel und die ökonomische Begründung ihrer Geldpolitik hinterfragen. Die Inflationsrate im Euroraum lag in den beiden vergangenen Jahren nicht deshalb über der Zweiprozentmarke, weil die Konjunktur zu kräftig expandierte oder die Lohnzuwächse zu hoch waren. Verantwortlich waren, wie die EZB in ihrem Monatsbericht im Juni 2002 selbst schreibt, vielmehr die Vielzahl von preistreibenden Impulsen, die hinsichtlich ihres Zusammentreffens sowohl beträchtlich als auch beispiellos waren. Diese Impulse waren: der Ölpreisanstieg, die Abwertung des Euro, Steuererhöhungen sowie Preiserhöhungen in Folge der Tierseuchen und witterungsbedingter Produktionsausfälle bei Nahrungsmitteln. Die EZB hat bei ihren geldpolitischen Entscheidungen zu wenig berücksichtigt, dass diese Preisimpulse alle vorübergehender Natur waren.

"Die EZB hat von der Lohnpolitik Planungssicherheit eingefordert, die hat sie nun.", so Putzhammer abschließend. Zu befürchten sei allerdings, dass die EZB diese Vorleistungen der Lohnpolitik, wie bereits in den Jahren 1999 und 2000, nicht aufnimmt und der konjunkturellen Erholung zu wenig Raum zum Atmen lässt. Stattdessen deuten die Äußerungen von Vertretern der EZB darauf hin, dass die EZB die geldpolitischen Zügel erneut zu früh ohne Not anzieht. Sie steht damit weiterhin einer Gesundung der europäischen Volkswirtschaft entgegen und gefährdet den weiteren Abbau der Arbeitslosigkeit und die nachhaltige Konsolidierung der öffentlichen Finanzen.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) Henriette-Herz-Platz 2 10178 Berlin Telefon: 030/24060-0 Telefax: 030/24060-324

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